SARS-Variante

Mysteriöse Lungenkrankheit breitet sich aus: Erster Fall in Südkorea

Patienten werden in Wuhan transportiert.
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Von China ausgehend brach vor 18 Jahren eine Pandemie des SARS-Virus aus. 800 Menschen starben damals, 8000 wurden infiziert. Jetzt ist ein neuer Keim im Umlauf, wieder ist China der Ursprung. Die ersten Todesfälle sind bereits gemeldet – und das Virus hat die Landesgrenze überschritten.

Peking, Wuhan – Die Gesundheitsbehörden in Südkorea haben erstmals eine Erkrankung mit dem neuartigen Coronavirus aus China gemeldet. Betroffen sei eine 35-jährige Chinesin, teilten die Koreanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention am Montag mit. Die Frau war am Sonntag aus der zentralchinesischen Millionenstadt Wuhan, wo der Großteil der Infektionsfälle auftraten, in Südkorea angekommen.

Die Zahl bestätigter Fälle einer neuen Lungenkrankheit in China stieg sprunghaft auf rund 200 an. Inzwischen gibt es drei bekannte Todesfälle, wie die Gesundheitsbehörde der schwer betroffenen zentralchinesischen Metropole Wuhan am Montag berichtete. Erstmals wurden Infektionen mit dem Coronavirus auch an anderen Orten in China nachgewiesen.

Experten befürchten, dass der vermutlich von einem Tier übergesprungene Erreger anders als anfangs angenommen auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Analysen des Erbguts hatten dem Berliner Virusforscher Christian Drosten zufolge ergeben, dass es sich bei dem Erreger um eine SARS-Variante handelt. Ein SARS-Virus hatte von China ausgehend 2002/2003 eine weltweite Pandemie mit 8.000 Infizierten zur Folge, etwa 800 Menschen starben (siehe Factbox unten).

Karte mit bekannten Fällen der Krankheit.
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Thailand, Japan und Südkorea behandeln bereits Erkrankte

Nach von Landesbehörden gemeldeten Fällen in Thailand und Japan gilt inzwischen auch in Südkorea eine Infektion als bestätigt. Die betroffene 35-jährige Chinesin habe unter Fieber, Atemproblemen und anderen Krankheitssymptomen gelitten, teilten die Koreanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention mit.

In Peking im Norden Chinas wurde die neue SARS-Variante nach Behördenangaben inzwischen bei zwei Patienten nachgewiesen, in Shenzhen im Süden bei einem. Alle drei waren vorher in Wuhan. Der Großteil der Infektionen konzentrierte sich mit 198 bekannten Fällen weiter auf die Elf-Millionen-Metropole. Von den Patienten dort sind 35 schwer erkrankt, davon sind neun in kritischem Zustand, wie die Gesundheitsbehörde berichtete.

Mit dem plötzlichen Anstieg auf gut 200 haben sich die bisher bekannten Fälle über Nacht mehr als verdreifacht. Experten des Imperial College London gehen allerdings davon aus, dass die Krankheit schon wesentlich weiter verbreitet ist. Nach ihrer Hochrechnung könnte es bereits mehr als 1.700 Infizierte geben.

Der Huanan Fischmarkt wurde geschlossen.
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Fischmarkt wurde geschlossen

Chinas Gesundheitskommission erklärte in Peking, der Übertragungsweg sei „noch nicht völlig verstanden". Die anfänglichen Infektionen wurden mit einem inzwischen geschlossenen Fischmarkt in Wuhan in Verbindung gebracht, auf dem auch Wildtiere verkauft wurden.

Coronaviren verursachen oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen – allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie SARS und MERS dazu. Bei der SARS-Pandemie 2002/2003 war der Ausbruch anfangs vertuscht worden, was eine schnelle Reaktion verhindert und die Verbreitung begünstigt hatte. Auch der damalige SARS-Erreger sprang höchstwahrscheinlich von einem Wildtier auf den Menschen über, angenommene Quelle sind Schleichkatzen.

SARS-Pandemie 2002/2003

Im Februar 2003 reist ein Mediziner aus der südchinesischen Provinz Guangdong nach Hongkong und checkt in einem Hotel ein. Der Gast aus Zimmer 911 hat Fieber und hustet. Er wird zum Superverbreiter der ersten weltumspannenden Epidemie des neuen Jahrtausends: des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (SARS). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft das Virus am 12. März 2003 als weltweite Bedrohung ein.

„Ein großer Teil der internationalen Verbreitung geht auf diesen Mann zurück", sagt Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Universität Bonn. „Hongkong war die Pforte für die internationale Epidemie." Als der Patient seine tödliche Fracht verteilt, kursiert die Krankheit in Guangdong schon seit Monaten – auf die ersten Fälle waren chinesische Behörden Mitte November 2002 aufmerksam geworden.

Der Besucher aus Zimmer 911 steckt vor seinem Tod Anfang März Hotelgäste und Pflegekräfte im Krankenhaus an – insgesamt etwa ein Dutzend Menschen, die das Virus in die Welt tragen. Die WHO errechnet später, dass etwa die Hälfte der rund 8.000 weltweit registrierten SARS-Fälle auf ihn zurückgehen. Rund 800 Menschen sterben an der Atemwegsseuche – die Dunkelziffer könnte nach Einschätzung von Experten noch höher liegen.

Die chinesischen Behörden hätten bereits eine Hypothese, von welcher Tierart der neue Erreger auf den Menschen übergesprungen sein könnte, erklärte Virusforscher Drosten. „Das wird aber erst offiziell verkündet, wenn es als gesichert gilt." SARS steht für „Severe Acute Respiratory Syndrome" (Schweres Akutes Atemwegssyndrom).

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Die Weltgesundheitsorganisation informiert auf ihrer Website zu dem neuen Virus.

Das Zentrum für die Analyse von globalen ansteckenden Krankheites des Imperial College in London veröffentlichte einen Bericht zu der Krankheit.

Neujahrsfest weckt Befürchtungen

Mit der gerade laufenden Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Übertragung infektiöser Krankheiten. Bei der größten jährlichen Völkerwanderung sind einige Hundert Millionen Chinesen unterwegs. Asiatische Nachbarn und drei US-Flughäfen haben wegen der neuen Lungenkrankheit inzwischen Fieberkontrollen bei der Einreise aus Wuhan eingeführt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach bisher keine Reisewarnung für Touristen aus. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC riet Reisenden nach Wuhan lediglich, Tiermärkte und den Kontakt mit Tieren oder mit kranken Personen zu meiden. "Eine begrenzte Übertragung von Mensch zu Mensch könnte vorkommen." (APA, dpa)

Geringe Gefahr für Europa

Das neue Coronavirus dürfte für die EU kaum eine Gefahr bedeuten. Das ist der Stand des Wissens laut Europäischem Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC/Stockholm) vom Montag. „Die Wahrscheinlichkeit, eines Imports des Virus in die EU ist als gering zu betrachten", teilte die Behörde mit.

Das ECDC ging von der Meldung von bisher fünf Erkrankungsfällen außerhalb Wuhans aus. In Thailand, Japan und Südkorea sind bisher Patienten mit dem Coronavirus der neuen Variante (2019-nCoV) registriert worden. Die meisten der anfänglich 41 erkrankten Personen seien Männer im Alter zwischen 40 und 69 Jahren gewesen und hätten einen Kontakt zu dem Huanan Seafood-Großhandelsmarkt von Wuhan gehabt. Der Markt wurde bereits Anfang des Jahres von den chinesischen Behörden geschlossen.

Wichtig für die Risikobewertung der ECDC: „Bisher konnte keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung dokumentiert werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann das aber auch nicht ausgeschlossen werden. Es wurden keine Fälle unter Beschäftigten des Gesundheitswesens berichtet", schrieb die EU-Behörde.

Auch die Gefährlichkeit des Virus selbst dürfte im Vergleich zur SARS-CoV von vor einigen Jahren und zu dem vor allem von Kamelen stammenden MERS-CoV-Erregern geringer sein. „Die klinischen Informationen zu den (labormäßig; Anm.) betätigten 2019-nCoV-Fällen deuten bisher auf einen milderen Verlauf (...) hin."

In der EU gebe es nur drei Flughäfen mit Direktflügen aus Wuhan. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Reisende aus der EU bzw. dem europäischen Wirtschaftsraum (EEA; Anm.) beim Besuch von Tiermärkten (Fisch, Meeresfrüchte oder andere Tiere) in Wuhan infizieren, ist als moderat zu betrachten (...). Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Reisende beim Besuch von Wuhan außerhalb dieser Märkte infizieren, ist als gering einzuschätzen, weil es bisher keinen Hinweis darauf gibt, dass das Virus innerhalb der Bevölkerung grassiert", teilte ECDC mit.

Allerdings müssen sich jene asiatischen Länder, zu denen die Reiseverbindungen mit Wuhan am umfangreichsten sind, laut der EU-Behörde auch auf das Ankommen von Kranken gefasst machen. Der Flughafen von Wuhan hat ein Fieber-Screening bei Ausreisenden etabliert. Flughäfen in Hongkong, Indonesien, Malaysia, Myanmar, den Philippinen, Singapur, Taiwan, Thailand, Russland und Vietnam führen solche Screenings bei Reisenden aus Wuhan durch. Die Effektivität solcher Maßnahmen ist seit Jahren umstritten, schadet aber jedenfalls nicht.

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