Frauen zu Stromstößen überredet: Falscher Arzt muss elf Jahre in Haft
Mehrere Jahre gibt sich ein Mann aus Würzburg als Arzt aus und bringt junge Frauen dazu, sich lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen. Über einen Live-Chat sieht er seinen Opfern dabei zu – um sich sexuell zu erregen. Nun fällt das Landgericht München ein Urteil.
München – Im aufsehenerregenden Stromschlags-Prozess vor dem Landgericht München II ist der Angeklagte am Montag zu elf Jahren Haft wegen versuchten Mordes in 13 Fällen verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der Informatiker aus Würzburg als falscher Arzt ausgegeben und junge Frauen per Internet-Chat dazu gebracht hat, sich selbst lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen.
Außerdem wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Angeklagte, der den Gerichtssaal vermummt betrat und sein Gesicht vor den zahlreichen Kameras versteckte, nahm das Urteil äußerlich ungerührt entgegen. Seine Mutter, die als gesetzliche Betreuerin neben ihm saß, wirkte bestürzt.
In 88 Fällen angeklagt
Die Staatsanwaltschaft hatte 14 Jahre Haft und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.
Ursprünglich war der Mann wegen 88-fachen versuchten Mordes angeklagt. Das Gericht wertete aber nicht alle Fälle als versuchte Morde, sondern ging in einigen von Körperverletzung aus. Einige Fälle flossen aus Gründen der „Verfahrensverschlankung“ nicht in das Urteil ein. Das Motiv für die Taten war aus Sicht des Gerichtes ein sexuelles. Er soll sein Unwesen über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren getrieben haben.
„Es hat mir das Licht ausgeknipst“
Besonders schwerwiegend waren aus Sicht der Kammer die Fälle, in denen der junge Mann seine Opfer dazu brachte, sich metallene Gegenstände an beide Schläfen zu halten – „was bedeutet, dass das menschliche Gehirn im Stromweg liegt“, wie der Vorsitzende Richter sagte. Dabei hätten die Opfer heftige Schmerzen erlitten. „Es hat mir das Licht ausgeknipst“, zitierte der Richter eines der Opfer. Oder: „Es hat peng im Kopf gemacht.“
Der Mann soll aus einem sexuellen Fetisch heraus Frauen und Mädchen dazu gebracht haben, sich selbst lebensbedrohliche Stromschläge zuzufügen. Der 30 Jahre alte Mann gab sich als Arzt oder Professor aus, um seine Opfer für eine angebliche Studie zum Mitmachen zu bewegen. Den Ermittlungen zufolge sprach der Angeklagte gezielt junge Frauen und Mädchen an, die über eine Onlineplattform Nebenjobs suchten. Er habe die späteren Opfer angeschrieben und sich dabei als Mitverantwortlicher einer Studie im Rahmen einer Schmerztherapie ausgegeben, für die er Teilnehmer suche.
Der Angeklagte habe bis zu 1500 Euro an Aufwandsentschädigungen in Aussicht gestellt, erklärte die Staatsanwaltschaft. Er habe angegeben, dass die Studie mit der Zuführung von Strom verbunden sei, die Tests aber ungefährlich seien.
Videos aufgezeichnet und im Darknet verkauft
Via Skype soll der Angeklagte dann per Video verfolgt haben, wie sich manche Opfer über das 230 Volt führende Stromnetz selbst an den Schläfen oder nackten Füßen Stromschlägen aussetzten. Der Angeklagte sei sich bewusst gewesen, dass die Frauen und Mädchen durch solche Stromschläge hätten sterben können. Dies habe er zumindest billigend in Kauf genommen. Einen Teil der Opfer habe er dazu gebracht, unter Strom stehende Weidezäune anzufassen.
Insbesondere das Anbringen von Elektroden an nackten Füßen habe den Angeklagten erregt. Die Chats und Videos der Handlungen habe er ohne Wissen der Opfer aufgezeichnet. Videos davon habe er zu seiner weiteren sexuellen Stimulation genutzt und teilweise auch im Darknet verkauft. Das versprochene Geld habe er in keinem Fall bezahlt. (dpa, AFP)