Lungenkrankeit in China: Peking schottet mehrere Millionenstädte ab
Während die neuartige Lungenkrankheit dafür sorgt, dass die Ausbruchsstadt Wuhan und drei weiter Millionenstädte mittlerweile abgekapselt sind, wird immer mehr zu dem Markt bekannt, von dem aus das Virus wohl den Ausgang fand. Peking sagte indes die wichtigen Neujahrsfeiern ab.
Peking, Wuhan – Im Kampf gegen die neue Lungenkrankheit riegelt die chinesische Regierung besonders stark betroffene Großstädte ab. In der Elf-Millionen-Metropole Wuhan wurden schon Donnerstagfrüh (Ortszeit) Flüge, Zügen, Fähren, Fernbusse und der öffentliche Nahverkehr gestoppt, die Ausfallstraßen wurden nach und nach gesperrt.
Zudem sollen in der Öffentlichkeit Schutzmasken getragen werden – bei Nichteinhaltung drohen Strafen. Rasch waren Straßen, Märkte und Einkaufszentren wie leergefegt. Etliche Besucher konnten die Stadt vorerst nicht mehr verlassen.
Stunden später folgten Beschränkungen für zwei weitere Millionenstädte: In der 75 Kilometer östlich gelegenen Sieben-Millionen-Stadt Huanggang sollte der öffentliche Verkehr ab Mitternacht gestoppt werden, Menschen sollen die Stadt nicht mehr verlassen, wie die Stadtregierung mitteilte. Ähnliche Restriktionen gelten für die benachbarte Stadt Ezhou mit einer Million und für die Stadt Chibi mit einer halben Million Einwohnern. Alle Städte liegen in der Provinz Hubei.
Video: Millionenstadt Wuhan abgeriegelt
Tausende Menschen dürften bereits infiziert sein
Die Zahl der mit dem neuen Coronavirus Infizierten ist aktuellen Berechnungen zufolge deutlich höher als die Zahl der festgestellten Fälle. Experten des Imperial College London gehen davon aus, dass bis zum 18. Jänner bei etwa 4000 Menschen in der chinesischen Stadt Wuhan Symptome aufgetreten sind. Die Stadt ist mittlerweile abgeschottet.
Die Lungenkrankheit, von der vor allem Menschen in der chinesischen Millionenmetropole betroffen sind, hat nach bisherigen Erkenntnissen 17 Menschenleben gefordert. Im Gegensatz zum Ausbruch des SARS-Virus, der in China begann und in den Jahren 2002 bis 2003 fast 800 Menschen tötete, veröffentlicht die chinesische Regierung regelmäßig neue Zwischenstände, um Panik in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wollte am Donnerstag ihr am Vortag begonnenes Krisentreffen fortsetzen, um zu entscheiden, ob der Ausbruch einen internationalen Gesundheitsnotstand darstellt. Damit verbunden wären schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung einer Krankheit. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus lobte die Abschottung der Elf-Millionen-Metropole Wuhan als eine „sehr, sehr starke Maßnahme". Dies zeige die Bereitschaft der chinesischen Behörden, die Risiken für das In- und Ausland zu minimieren.
Video: Coronavirus auch von Mensch zu Mensch übertragen
Indes wird darüber gerätselt, wie die Seuche auf Menschen übertragen wurde. Im Verdacht steht das Konsumverhalten der Chinesen.
Markt verkaufte nicht nur Meeresfrüchte, sondern exotische Tiere
Die Chinesen rühmen sich, „alles zu essen, was vier Beine hat außer Tischen, alles was schwimmt außer Schiffen und alles was fliegt außer Flugzeugen". Der Huanan-Markt in der zentralchinesischen Millionenmetropole Wuhan erfüllte auch die exotischsten Kundenwünsche. Von dort breitete sich offenbar das neuartige Coronavirus aus.
Die ersten Infizierten im Dezember waren Händler, seither ist der Markt geschlossen. „Huanan-Markt für Meeresfrüchte" lautet der offizielle Name des Marktes. Doch in Wirklichkeit wurde dort weit mehr verkauft. Ratten, Füchse, Krokodile, Wolfswelpen, Riesensalamander, Schlangen, Pfaue und Kamelfleisch bietet beispielsweise ein Händler in seiner Werbebroschüre an.
Auch Zibetkatzen stehen auf der Angebotsliste – jene Wildtiere, von der die gefährliche Atemwegserkrankung SARS ausging. In den Jahren 2002/2003 starben daran 774 Menschen, die meisten in Festland-China und Hongkong. „Frisch geschlachtet und tiefgekühlt" liefere er die Zibetkatzen auch nach Hause, verspricht der Händler in dem Prospekt – obwohl der Verzehr der Zibetkatze verboten ist.
Verkauf von Wildtieren war illegal
Auf dem Markt in Wuhan seien illegal Wildtiere verkauft worden, räumte der Direktor des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle, Gao Fu, inzwischen ein. Ob diese tatsächlich den neuen Virus einschleppten, konnte er nicht sagen. Wissenschafter vermuten auf Grundlage von Analysen der Gensequenz des neuen Virus 2019-nCoV, dass der Erreger von Schlangen und Fledermäusen auf den Menschen übertragen worden sein könnte – weitere Zwischenwirte nicht ausgeschlossen.
In China werden einige Wildtiere nicht wegen ihres Geschmacks, sondern der angeblichen therapeutischen Wirkung wegen gegessen. Das könne gefährlich für die Gesundheit sein, warnt Christian Walzer von der US-Naturschutz-Stiftung Wildlife Conservation Society. 70 Prozent der neuen Infektionskrankheiten stammten von Wildtieren, sagt Walzer. Die Ansteckung erfolge häufig auf Märkten – die breite Angebotspalette birgt also ernsthafte Risiken.
Fledermäuse und Schlangen als Überträger?
Die Überträger des neuartigen Coronavirus könnten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge Fledermäuse oder Schlangen sein. Eine umfassende Analyse der Gensequenz des Virus 2019-nCoV und ihr Vergleich mit anderen Viren habe ergeben, dass Schlangen die wahrscheinlichsten Träger des Virus in freier Wildbahn seien, hieß es am Mittwoch im Fachblatt Journal of Medical Virology.
Dieses Ergebnis müsse aber durch weitere experimentelle Studien überprüft werden, führten die Autoren der Studie aus. Bereits am Dienstag erschien im Fachmagazin Science China Life Sciences eine Studie, die nach Ähnlichkeiten des neuen Virus mit anderen Erregern suchte. Demnach besteht eine enge Beziehung zwischen dem in Wuhan auftretenden Erreger und einem in Fledermäusen auftretendem Virus.
„Es wäre die logische und naheliegendste Schlussfolgerung, dass Fledermäuse der natürlich Wirt des Wuhan-CoV sind, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass es einen oder mehrere Zwischenwirte bei der Übertragungskaskade von Fledermäusen zu Menschen gab", schrieben die Autoren, die an verschiedenen Forschungsinstituten in China arbeiten. Darüber, welche Tiere Zwischenwirte sein könnten, stellten die Wissenschafter in dem Artikel keine Vermutungen an.
Peking sagte wichtige Neujahrsfeiern ab
Wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus sagte die Stadt Peking indes Großveranstaltungen zur Feier des chinesischen Neujahrsfests am Wochenende ab. Auch einige touristische Attraktionen würden geschlossen, erklärte die Verwaltung der chinesischen Hauptstadt am Donnerstag. Mit dem Erreger 2019-nCoV haben sich nach offiziellen Angaben mehr als 570 Menschen in China infiziert, 17 von ihnen starben. (TT.com, APA, dpa)