Epidemie

Verdacht auf Coronavirus in Wien: Frau geht es gut, Testergebnis bis Montag

Immer mehr Menschen werden in China wegen des Coronaviruses behandelt. Die Behörden zählen mittlerweile 56 Tote.
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Eine chinesische Flugbegleiterin wurde am Samstagabend mit Verdacht auf einen Coronavirus im Wiener Kaiser Franz Josef-Krankenhaus aufgenommen. Sie befindet sich derzeit auf der Isolierstation. Der Frau geht es gut, ob sie tatsächlich an dem Virus erkrankt ist werden Tests bis Montag zeigen, hieß es auf einer Pressekonferenz.

Wien/Peking/Paris – In Wien gibt es den ersten Verdachtsfall auf eine Infektion mit dem Coronavirus. Es handelt sich um eine chinesische Flugbegleiterin, die vor einigen Tagen in Wuhan gewesen sein dürfte. Sie befindet sich derzeit auf der Isolierstation des Kaiser Franz Josef-Krankenhauses (KFJ). Endgültige Gewissheit gibt es erst nach Abschluss der Untersuchungen, die bis zu 48 Stunden dauern können.

Die chinesische Staatsbürgerin wurde am Samstagabend als Verdachtsfall mit einer grippalen Symptomatik in der 4. Medizinischen Abteilung des KFJ aufgenommen. "Wir können nicht ausschließen, dass diese Frau mit dem Coronavirus infiziert ist", so der ärztliche Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), Michael Binder, in einer Aussendung. Die Untersuchungen liefen auf Hochtouren. Bis endgültige Ergebnisse zu erwarten seien, könne es bis zu 48 Stunden dauern, so Binder. Die Bestimmung laufe über das Institut für Virologie der MedUni Wien. Gleichzeitig werde über das Gesundheitsamt Wien eine Überprüfung der Kontaktpersonen der erkrankten Chinesin erfolgen.

Pressekonfernez anlässlich des ersten Cornavirus-Verdachtsfalls in Wien: (v.l.) Sabine Hagenauer (4. Medizinische Abteilung KFJ, Infektionsabteilung), Michael Binder (Medizinischer Direktor des KAV) und Judith Aberle (Abteilung für Virologie, Medizinische Universität Wien).
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Virus per Tröpfcheninfektion übertragen?

Um die Kriterien für einen Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu erfüllen, müsste man Fieber, Husten oder Atembeschwerden und einen Aufenthalt in einem Risikogebiet aufweisen, erklärte Judith Aberle, Expertin für Viruserkrankungen an der MedUni Wien. Mittlerweile besteht der Verdacht, dass sich das Virus per Tröpfcheninfektion übertragen könnte.

Eine milde Symptomatik habe bei der jungen Frau den Verdachtsfall gerechtfertigt, so Oberärztin Sabine Hagenauer (rpt. Sabine). Der in einem Isolationszimmer untergebrachten Frau gehe es heute schon besser als gestern. Sie wurde am Samstag gegen 21:30 Uhr von der Berufsrettung aus einem Hotel abgeholt und auf die 4. Medizinische Abteilung im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital gebracht. "Die Standardausrüstung jedes Rettungsmittels deckt den erforderlichen Kontaktschutz ab", sagte Klaus Herbich von der Berufsrettung Wien.

Das Gesundheitsamt hat in der Folge alle unmittelbaren Kontaktpersonen erhoben und kontaktiert. Sie seien allesamt symptomfrei, so Ursula Karnthaler vom Wiener Gesundheitsamt. Ihnen wurde aufgetragen, ihren Zustand im Auge zu behalten. Falls sich der Verdachtsfall bestätigen sollte, würden weitere Personen informiert werden, erklärte Karnthaler. Das Hotelzimmer wurde gesperrt. Falls sich der Verdachtsfall bestätigt, wird es desinfiziert.

Video: ORF-Reporterin über den Verdachtsfall in Wien

Innenministerium beruft am Montag Einsatzstab ein

Das Innenministerium beruft nun am Montag einen Einsatzstab ein, um über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Bei der Lagebesprechung werden unter anderem Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) anwesend sein, teilte das Innenministerium der APA am Sonntag mit.

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"Derzeit gibt es keinen Grund zur Sorge in Österreich. Gleichzeitig ist es unsere Pflicht, im Hintergrund alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Österreicherinnen und Österreicher zu schützen", sagte Nehammer. Seit Samstag analysieren Experten des Gesundheits-, Außen- und Innenministeriums gemeinsam laufend die Entwicklungen. Das Innenministerium ist für das Krisen-und Katastrophenmanagement sowie die Koordination für Fragen der zivilen Sicherheit zuständig.

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"Kein Grund zur Sorge"

"Ich bin froh, dass die Wiener Spitäler exzellent auf eine derartige Situation vorbereitet sind. Es besteht daher kein Grund zur Sorge. Die Patientin ist im KFJ in besten Händen und es wird alles unternommen, um so rasch wie möglich, Gewissheit darüber zu bekommen, ob die Frau tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert ist", betonte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in der Aussendung.

Der chinesische Gesundheitsminister Ma Xiaowei hat unterdessen am Sonntag gesagt, dass die Übertragungsfähigkeit des Coronavirus nach dem Ausbruch stärker werde und die Zahl der Infektionen weiter steigen könnte. Die Behörden wüssten nur wenig über das neue Virus und seien sich nicht sicher, welche Risiken durch Mutationen des Virus entstehen, so Ma Xiaowei bei einer Pressekonferenz.

In China wurden ganze Städte abgeriegelt, um die Ausbreitung der Lungenkrankheit zu unterbinden.
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"Nicht so gefährlich wie SARS"

Trotz der steigenden Zahl der Todesopfer ist das neuartige Coronavirus in China nach Einschätzung der dortigen Gesundheitsbehörden nicht so gefährlich wie der SARS-Erreger. "Von dem her, was wir derzeit sehen, ist diese Krankheit tatsächlich (...) nicht so stark wie SARS", sagte der Leiter des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle, Gao Fu, am Sonntag in Peking.

Allerdings scheine die Fähigkeit von 2019-nCoV, sich auszubreiten, zuzunehmen, führte der Leiter der Nationalen Gesundheitskommission, Ma Xiaowei, aus. Außerdem sei das Virus bereits während der bis zu zwei Wochen langen Inkubationszeit übertragbar, also schon bevor ein Infizierter Symptome der Krankheit bemerkt. "Das ist ganz anders als bei SARS", sagte Ma.

Angesichts der Fähigkeit von Viren zu mutieren, räumte Vize-Gesundheitsminister Li Bin ein, dass die Behörden noch keine Klarheit über die "möglichen Veränderungen der Epidemie" hätten. Die Entwicklung der Krankheit "ist weiterhin nicht unter unserer Kontrolle".

Mehrere Fälle in Europa

Ein Verdacht auf eine erste Infektion mit dem neuen Coronavirus in Berlin ist am Sonntag ausgeräumt worden. "Uns lag die Information eines Verdachts des Coronavirus 2019-nCoV der DRK-Kliniken Mitte vor. Der Test zu diesem Verdachtsfall fiel heute negativ aus", teilte eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung am Sonntag mit.

Demnach handelte es sich um eine Frau, die am Samstag nach einer Chinareise mit verdächtigen Symptomen in ein Krankenhaus in Berlin-Wedding gekommen war, wie der Staatssekretär für Gesundheit, Martin Matz

An der Grenze Indien/Nepal werden Reisende auf die Gefahr des Virus hingewiesen.
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Bestätigt sind dagegen drei Krankheitsfälle in Frankreich. Ein Paar, das in einem Pariser Krankenhaus Bichat behandelt wird, war am 18. Jänner von einem Aufenthalt in Wuhan zurückgekommen, ein 48-jähriger Franzose chinesischer Herkunft, der im Weingeschäft tätig ist und regelmäßig zwischen Frankreich und China reist, wird in Bordeaux behandelt. Die Patienten sind offenbar nicht schwer erkrankt. Auch aus Kanada wird der erste Fall einer Ansteckung mit dem Coronavirus gemeldet.

Die Gesundheitsbehörde von Toronto teilte mit, es handle sich um einen Mann, der kürzlich aus Wuhan zurückgekommen sei. Sein Zustand sei stabil. In Kanada nimmt man die neue Viruserkrankung besonders ernst. Das Land war mit 44 Toten 2002/2003 das einzige Land außerhalb Asiens, in dem Tote des SARS-Virus zu beklagen waren. Auch in den USA, Thailand, Südkorea, Japan und Australien wurden bereits Erkrankungen mit dem neuen Virus registriert.

Zahl der Todesfälle angestiegen

In China ist die Zahl der Todesfälle indes weiter angestiegen. Laut chinesischen Behörden starben bisher mindestens 56 Menschen an der Atemwegserkrankung. Auch in der Finanzmetropole Shanghai hat es einen ersten Todesfall gegeben. Bei dem Toten soll es sich um einen 88-jährigen Mann handeln, der bereits unter bestehenden Gesundheitsproblemen litt, erklärten die Behörden der Stadt am Sonntag. Bisher seien insgesamt 40 Fälle der Atemwegserkrankung in der Millionenstadt bestätigt worden. Die Zahl der Infizierten in der gesamten Volksrepublik wird mit über 1975 angegeben.

Auch in den USA wurden Krankheitsfälle gemeldet. Mittlerweile sind auch die ersten Verdachtsfälle in Europa aufgetreten.
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Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping berief am Samstag in Peking ein Krisentreffen ein. Alle Ebenen von Partei und Regierung müssten dem Kampf gegen das Coronavirus höchste Priorität einräumen, sagte er laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Partei habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das Vorgehen zu lenken. In Chinas Hauptstadt Peking bleiben Kindergärten, Schulen und Universitäten weiter geschlossen. Wie das staatliche China National Radio (CNR) am Sonntag auf seiner offiziellen Microblogging-Webseite Weibo mitteilte, soll damit die Ausbreitung des Coronavirus verhindert werden.

Winterspiele und Fußball-Supercup abgesagt bzw. verlegt

Wegen des Coronavirus hat China seine nationalen Winterspiele verschoben. Das teilte das Organisationskomitee nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntag mit. Die Wettkämpfe sollten eigentlich vom 16. bis 26. Februar in der Inneren Mongolei stattfinden und eine wichtige Vorbereitung für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking sein.

Ebenfalls verschoben wird der Fußball-Supercup zwischen dem Meister Guangzhou Evergrande und Cupsieger Shanghai Greenland Shenhua, der eigentlich für den 5. Februar in Suzhou terminisiert war. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Teams würden in die Provinz Hubei entsandt, um die Arbeit vor Ort zu steuern. Die Provinzhauptstadt von Hubei, die Millionenmetropole Wuhan, ist besonders stark vom Coronavirus betroffen: Dort war der Erreger vor wenigen Wochen vermutlich auf einem Tiermarkt auf Menschen übergesprungen. In der Metropole mit elf Millionen Einwohnern werden bereits zwei Sonderklinik für Corona-Patienten gebaut. Die nationalen Gesundheitsbehörden schickten mehr als 1200 Ärzte und anderes medizinisches Personal zur Verstärkung nach Wuhan.

Reisende aus der Stadt Wuhan sollen 14 Tage lang zur medizinischen Beobachtung zuhause bleiben. Nach einer Anordnung der chinesischen Gesundheitskommission in Peking soll sich jeder, der kürzlich in der von der Lungenkrankheit schwer betroffenen Provinzhauptstadt von Hubei war, bei den Behörden melden. Auch sollen sie sich selber für zwei Wochen zuhause isolieren, um zu sehen, ob die Viruskrankheit ausbricht. Die Anweisung ging an Gesundheitsämter in allen Landkreisen.

40 Millionen Menschen abgeschottet

Der Markt, von dem der Coronavirus in Wuhan seinen Ausganng genommen haben soll, wurde mittlerweile abgeriegelt.
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Inzwischen wurden mehr als 40 Millionen Menschen in gut einem Dutzend Städten im Herzen Chinas weitgehend von der Außenwelt abgeschottet, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Im gesamten öffentlichen Verkehr würden Fieber-Messstationen eingerichtet, gab die nationale Gesundheitsbehörde am Samstag bekannt. Passagiere mit Verdacht auf eine Infektion müssten "sofort" in eine medizinische Einrichtung gebracht werden.

Angesichts der rasanten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus planen indes erste Staaten Evakuierungsmaßnahmen: Die USA, Frankreich und Japan kündigten an, ihre Bürger rasch aus der besonders betroffenen Stadt Wuhan zu holen.

Das US-Außenministerium kündigte für Dienstag einen Flug von Wuhan nach San Francisco an. Er stehe neben dem Personal des US-Konsulats auch US-Privatpersonen zur Verfügung, allerdings seien die Kapazitäten „sehr begrenzt". Rund tausend US-Bürger sollen sich nach Angaben des Wall Street Journals in Wuhan aufhalten.

Die südchinesische Stadt Haikou verfügte, dass alle Reisenden aus der Provinz Hubei rund um Wuhan 14 Tage lang in einem Hotel isoliert und medizinisch untersucht werden sollen. Hongkong verhängte einen "Virus-Notstand" für die Finanzmetropole, strich sämtliche Flug- und Schnellzugverbindungen von und nach Wuhan und kündigte die Schließung der beiden populären Vergnügungsparks Disneyland und Ocean Park an. Disneyland Shanghai, wo man rund um das chinesische Neujahr täglich rund 100.000 Besucher erwartet hatte, war bereits zuvor geschlossen worden. (APA/Reuters/AFP/dpa)

WHO Europa: Jedes Land muss vorbereitet sein

Nach den ersten Nachweisen der neuartigen Lungenkrankheit in Europa hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein gemeinsames Vorgehen gegen den Erreger angemahnt. "In einer Zeit der Unsicherheit über die Entstehung und das Verhalten eines Virus ist es umso entscheidender, dass Länder, Organisationen und die internationale Gemeinschaft als Einheit handeln", teilte das WHO-Regionalbüro Europa mit.

Dazu zähle auch, auf lokaler und nationaler Ebene vorbereitet zu sein, um erkrankte Menschen aufzuspüren und auf das Coronavirus zu testen. "Es ist jetzt an der Zeit, uns bereit zu machen", erklärte das Büro.

Der Ausbruch in China sei ein Zeichen, dass jedes Land vorbereitet sein müsse, um Krankheitsausbrüche jeglicher Art rechtzeitig zu erkennen und zu handhaben. In Frankreich, wo am Freitagabend die ersten drei Infektionen mit dem Virus in Europa bestätigt wurden, habe man gute Arbeit bei der Identifizierung der Fälle geleistet. Die Funde und seien eine Erinnerung daran, dass der globale Reiseverkehr kein Land von der Ausbreitung von Infektionskrankheiten ausschließe.

Es sei zurzeit unklar, wie sich der Ausbruch entwickle, ergänzte die Behörde. "Während wir das Verhalten des Virus nicht voraussagen können, können wir darüber entscheiden, wie gut wir sind, es zu stoppen."

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