Single-Waren

Wer darf's denn sein? „Amazon Dating“ liefert den Traumpartner nach Hause

Kein lästiges Hin-und-Her-Gewische: Bei Amazon Dating bekommt man, was man bestellt.
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Egal was man sucht – auf Amazon wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit fündig. Neuerdings gibt es dort auch potenzielle Partner zu kaufen. Singles können sich also ihre nächste Verabredung bequem nach Hause bestellen. Was steckt da wirklich dahinter?

Von Tamara Stocker

Innsbruck – Phoebe ist 28, hat erst einen ihrer Ex-Freunde betrogen und fühlt sich manchmal wie ein Plastiksackerl. Der 18-jährige Zach, ein „Bestseller“, wohnt zwar noch bei seiner Oma, aber kann ziemlich gute Joints bauen. Und die rüstige Cora (78) sieht nicht mehr ganz so gut, backt aber immer noch gerne Kekse – und man müsse unbedingt ihr selbstgemachtes Kartoffelpüree probieren, schreibt ein Kunde, der Cora mit fünf Sternen bewertet hat. Wer die Rentnerin daten will, muss allerdings schnell sein: Sie ist der „Deal des Tages“ und es gibt nur noch 13 Stück von ihr. Gratis Lieferung inklusive.

Im Warenkorb gibt's einen Korb

Klingt verdammt nach Amazon. Und sieht auch exakt danach aus. Doch wer sich durch den digitalen Single-Marktplatz von Amazon Dating klickt, muss spätestens nach dem Ende des Bestellvorganges feststellen: Alles nur Spaß. Aber nicht alles Fake.

Zwar handelt es sich bei der Webseite um eine perfekt durchchoreografierte Parodie. Die mehr als 50 zur Auswahl stehenden Profile sind aber echt – die abgebildeten Personen stammen aus dem persönlichen Umfeld des Künstlerkollektives, das Amazon Dating gemeinsam mit dem Animationsstudio Thinko in die digitale Welt entsandte. Die Singles werden teilweise zum Schnäppchenpreis verhökert, die Preisspanne liegt zwischen 5 und 300 Dollar, unabhängig davon, welche Größe man auswählt. Denn auch diese ist je nach persönlicher Präferenz frei wählbar.

Echte Bewertungen von echten Menschen

Dass am teuersten nicht gleich am besten bedeutet, beweist etwa der 26-jährige Rizky, der in Summe nur mit einem von fünf Sternen bewertet wurde; im Vergleich dazu ist Jake (28) um läppische 7 Dollar zu haben und mit 5/5 Sternen bei 91.394 Bewertungen eine richtig gute Partie. „Er stinkt zwar, aber ist billig", befand ein Kunde. Ja, auch auf die so hilfreichen Rezensionen muss man bei Amazon Dating nicht verzichten – und auch diese sind echt; nur entstammen sie der originalen Amazon-Seite, sind also ursprünglich Produkten zugeschrieben.

Das Design steht dem des echten Online-Händlers in nichts nach.
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So kommt es, dass etwa die TikTok-affine Amy (29) wie ein Massagegerät gelobt wird. „Ich benutze sie sowohl als sinnliches als auch schmerzlinderndes Massagegerät. Unglaublich einfach zu reinigen, perfekte Größe, leise und die Textur ist fast perfekt.“ Und der 87-jährige Teddy war ein „süßes Hochzeitsgeschenk für die 80-jährige Großtante". Der sehschwache Senior mit Vorliebe für lange Samstagabende ist auf der Plattform heiß begehrt und derzeit vergriffen.

Ein gut gemachter Denkanstoß

Keine Frage: Wer sich durch die Profile scrollt und die Seite durchstöbert, wird gut unterhalten. Alles ist wohldurchdacht. Wer etwa auf den Tab „Hilfe“ klickt, erhält eine Anleitung, wie man einen BH richtig auszieht, bei „Prime Video“ öffnet sich „Chatroulette“, das oft für Cybersex genutzt wird und hinter dem Reiter „Deine letzte Beziehung“ verbirgt sich das Musikvideo zu „Toxic“ von Britney Spears. Wer sich zusätzlich absichern will, kann außerdem ein „Non-Ghosting-Agreement“ unterschreiben – muss also keine Angst haben, von seinem bestellten Partner plötzlich ignoriert zu werden. Hier werden Klischees ganz bewusst aufs Korn genommen.

Auch in Werbung wurde investiert – wie hier in Los Angeles und New York. Mit dem Projekt verdienen die Macher allerdings keinen Cent.
© Twitter/SuzyShinn

Bei näherer Betrachtung bleibt allerdings durchaus ein fahler Beigeschmack. In kritischen Reaktionen fallen Worte wie Menschenhandel und Prostitution. Wo verläuft hier die Trennlinie? Oder sind wir nicht ohnehin schon längst alles Waren? Genau diese Fragen waren die Intuition der amerikanischen Künstlerinnen Ani Acopian und Suzy Shinn, die mit der Satire-Seite die Absurdität aufzeigen, die Online Dating heutzutage annehmen kann. Das Prinzip von Tinder und Co. wird lediglich zugespitzt; denn wer sich online auf Partnersuche begibt, steht ziemlich schnell – und allen voran unbewusst – vor der Frage: Und wie verkaufe ich mich jetzt am besten?

Amazon Dating nimmt das alles einfach wörtlich und hält der Gesellschaft so einen säuberlich polierten Spiegel vor. „Heutzutage wollen wir etwas jetzt und nicht später und immer nur das Beste“, ergänzt Shinn und spielt darauf an, wie austauschbar man sich in der Dating-Welt oft vorkommt. Da ist der Waren-Vergleich nicht weit hergeholt.

Öfter mal den Bogen überspannen

In den FAQs auf der Seite werden die Single-Surfer im Übrigen gleich über die Parodie aufgeklärt und die Macher stellen klar, dass sie „einfach gerne den Bogen überspannen“. Das Animationsstudio Thinko, das an dem Künstlerprojekt mitwirkte, hat das in seiner DNA: „Eines unserer Lieblingsdinge ist es, den Computer dazu zu bringen, dumme Sachen zu machen. Es gibt kein Endziel. Wobei, so ein Abmahnbrief hat schon seinen Reiz“, erklärt CEO Pasquale D'Silca.

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Das Ensemble erlaubte sich schon des Öfteren mal einen Spaß und erstellte beispielsweise satirische Seiten wie Who paid 99 Cents, auf der Nutzer 99 Cent bezahlen müssen, um zu sehen, wer vor ihnen 99 Cent dafür bezahlt hat, um herauszufinden wer vor ihnen 99 Cent bezahlt hat. Oder ScamDaddy.net, wo man gestohlene Kreditkarten „testen“ können soll.

Eigenes Profil? Einfach bewerben!

Jetzt folgt mit Amazon Dating der nächste interaktive Spaß. Denn beim Singleshopping alleine muss es nicht bleiben – wer Lust hat, kann sich auch bewerben, um ein eigenes Profil auf der Seite zu bekommen. Nötig sind Name, E-Mail-Adresse, Instagram-Nutzername und ein Foto. „Wir melden uns, falls du passt“, heißt es am Schluss und das scheint sogar ernst gemeint zu sein: Seit dem Launch der Seite am 4. Februar sind tatsächlich schon einige neue Singles hinzugekommen. Und wer hier immer noch nichts findet, dem bleibt ja Gott sei Dank noch Netflix.