Coronavirus

Zwischen Isolation und Panikmache: Norditalien steht still

Der Mailänder Dom, ein Touristenmagnet, hat seine Pforten dichtgemacht.
© ANDREAS SOLARO

Mailänder Dom: zu. Markusplatz: leer. Supermärkte: leergekauft. Bars und Restaurants: geschlossen. Geschäftsreisen: abgesagt. Norditalien erlebt mit dem starken Ausbruch des Coronavirus surreale Szenen. Die Suche nach dem Auslöser gleicht der nach einer Nadel im Heuhaufen.

Von Annette Reuther, dpa

Codogno, Mailand – Roberto Cighetti lebt in Codogno, dem Epizentrum der Krise. Alle Geschäfte bis auf Apotheken und Supermärkte sind geschlossen. Die Straßen sind leerer als sonst, manche Einwohner gehen spazieren – allerdings mit mehr Abstand voneinander als normalerweise. Man bleibt unter sich, in der Familie. Trifft keine Freunde. So erzählt es der 33-Jährige.

Die Stadt mit rund 15.000 Einwohnern ist eine von mehreren Gemeinden südlich von Mailand, die nun Sperrzone sind. Dutzende Menschen haben sich dort mit dem Coronavirus angesteckt.

Die Straßen in Codogno sind leerer als sonst.
© MIGUEL MEDINA

„Es gibt Familien, die sind entspannt“, sagt Cighetti, der an einer Schule in der Region unterrichtet. „Es gibt Familien, die sind besorgt, vor allem wenn ein Infizierter unter ihnen ist. Und es gibt Familien, die sind grundlos in Panik.“ Er findet den Vergleich zwischen Codogno mit der Stadt Wuhan nicht passend – in der chinesischen Millionenstadt brach das Virus erstmal aus. „Wir sind eine kleine Stadt, im Gegensatz zu Wuhan nicht dicht besiedelt, umgeben von Natur und mit vielen Parks“, sagt er am Telefon. Und in Codogno dürften die Einwohner aus den Häusern. Er bedauert die vielen Falschmeldungen, die über den Ausbruch in sozialen Netzwerken und auf Whatsapp kursierten. „Ich vertraue nur offiziellen Daten.“

Panik macht sich breit

In der Provinz wurden mehrere Gemeinden abgeriegelt. Hier sollen Sicherheitskräfte dafür sorgen, dass niemand raus oder hineinfährt. Die Sorge ist groß, dass sich das Virus in die Millionenmetropole Mailand einschleicht. Mehr als 200 Fälle gibt es mittlerweile in Italien. Und obwohl die Toten in Italien bisher alles ältere Menschen bzw. Patienten mit Vorerkrankungen waren: Es macht sich Panik breit.

Hamsterkäufe in der Kleinstadt Casalpusterlengo.
© MIGUEL MEDINA

In Mailand berichten Bewohner von „surrealen Szenen“. Die Regale in Supermärkten seien leer, erzählt die Mailänderin Vita P. Kekse, Pasta, Milch: Alles weg. Restaurants seien zu, viele Firmen hätten ihre Mitarbeiter angewiesen von zuhause zu arbeiten.

Mailand ist mit mehr als 1,3 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Italien und das Wirtschafts- und Finanzzentrum. Wenn sie zum Stillstand kommt, sind die Folgen für die Wirtschaft besonders gravierend.

Folgen für den Tourismus

Auch der Tourismus wird die Folgen wohl klar zu spüren bekommen. Besonders über die Karnevalszeit kommen auch viele Besucher nach Italien, entweder zum Skifahren in den Alpen oder sie besuchen Städte wie Venedig. Dort wurde der Karneval mittlerweile abgesagt.

Die Gondeln in Venedig fahren noch.
© ANDREA PATTARO

Italien lebt vom Tourismus. Nun sind Museen, Kirchen und Sehenswürdigkeiten in ganz Venetien und der gesamten Lombardei geschlossen, es gibt keine Opern in der Mailänder Scala und auch nicht im Teatro Fenice in Venedig. Modeschauen auf der Mailänder Fashion Week gab es nur noch online zu sehen. Serie-A-Fußballspiele wurden abgesagt. Der Markusdom und der Markusturm in Venedig wurden geschlossen. Der Markusplatz war leer.

Zivilschutzchef Angelo Borrelli versucht entsprechend die Ängste von Touristen zu vertreiben. „Unser Land ist sicher, und man kann beruhigt hierherkommen“, sagt er bei seinem täglichen Pressebriefing in Rom. Allerdings: Nachrichten von blockierten Zügen auf der Hauptbahnverbindung zwischen Italien, Österreich und Deutschland verunsichern weiter. Wer will schon am Brenner stundenlang feststecken, wie in der Nacht auf Montag Hunderte Passagiere auf dem Weg von Venedig nach München?

Warum gerade Italien?

Italien hatte als erstes Land schon vor Wochen Direktflüge von und nach China verboten und den Notstand ausgerufen. „Es hätten aber alle europäischen Staaten die Flüge blockieren müssen, um das Virus aufzuhalten“, kritisierte Epidemiologe Pier Luigi Lopalco in der Zeitung Il Messaggero. Denn so könnten eventuell Infizierte über Anschlussflüge aus China nach Italien gekommen sein.

Es gebe zwei Erklärungen, warum nun gerade Italien betroffen sei. „Die erste ist, dass wir es entdeckt haben und die anderen Länder bisher noch nicht“, sagte Lopalco. Die zweite sei, dass die Lombardei und Venetien enge Wirtschaftsbeziehungen zu China hätten und die Gegend stark besiedelt sei. „Aber wenn wir in Deutschland oder Spanien so viele Tests machen würden wie hier, könnten wir nicht ausschließen, dass mehr Fälle ans Licht kämen.“