Was die de facto Ausgangssperre für die Tiroler bedeutet
„Die schwierigste Situation, die Tirol in der Nachkriegsgeschichte je hatte" steht bevor, heißt es von LH Platter in einer Erklärung am Sonntag. Eine de facto Ausgangssperre wurde verhängt.
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Innsbruck – Der Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus hat in Tirol eine der gravierendsten öffentlichen Maßnahmen der Geschichte zur Folge: Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kündigte am Sonntagvormittag an, eine „Verkehrsbeschränkung" zu verordnen, de facto also eine Ausgangssperre.
📽 Video | Erklärung von LH Günther Platter:
In der Erklärung, die im ORF sowie auf der Facebook-Seite des Landes aus dem Landhaus übertragen wurde, hieß es:
⚠️ Ausnahmen sind nur Notfälle oder wenn die Menschen Lebensmittel und Medikamente einkaufen bzw. zur Arbeit müssen.
Als Ausnahmen führte Platter konkret „beruflich notwendige Gründe, medizinische Versorgung, Versorgung der Grundbedürfnisse, Rückkehr zum eigenen Wohnort und wenn es berechtigte Gründe zum Verlassen des Landes gibt" an. Die Menschen dürften nur noch in Ausnahmefällen das eigene Haus verlassen.
Zudem sei der Weg vom Arbeitsplatz und zurück nicht von der Sperre umfasst. Allerdings seien die Menschen angehalten, nach Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten. Auch Besuche bei Älteren und Minderjährigen, körperlich geschwächten Personen und Behinderten blieben erlaubt. Auch Besorgungen für Menschen, die ihre Wohnungen nicht mehr verlassen können oder sollen, seien weiter erlaubt.
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⏩ Der Tiroler Landespolizei-Direktor Edelbert Kohler appelliert an die Bevölkerung, wegen offener Fragen rund um das De-facto-Ausgehverbot „nicht den Polizei-Notruf" zu wählen. Derartige Fragen würden sehr viele Ressourcen binden.
Die Polizei werde, sobald die entsprechenden Bescheide vorliegen, mit „Fingerspitzengefühl" auf die Menschen zugehen und informieren. Strafen werden vorerst nicht ausgesprochen. Kohler geht davon aus, dass die „allermeisten Menschen" informiert sind und zu Hause bleiben.
⚠️ Die Maßnahme tritt mit Aushang der Verordnung noch am Sonntag in Kraft. Sie gilt allen Personen, die sich in Tirol aufhalten – vorerst für eine Woche.
Es handle sich um die schwierigste Situation, die Tirol in der Nachkriegsgeschichte je hatte, machte Platter deutlich. Es gelte, „Verhältnisse zu vermeiden, wie es sie in Teilen Italiens gibt". Der Landeshauptmann gab eine Garantie für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit ab.
Eine Prognose, ob es bei der einen Woche Ausgangssperre bleiben werde, wollte der Landeshauptmann gegenüber der APA vorerst nicht abgeben. „Wir werden das ganz genau beobachten und beurteilen", so Platter unter anderem in Anspielung auf die weitere Entwicklung bei der Anzahl der positiv getesteten Personen in Tirol.
⚠️ Die Exekutive darf Menschen und Autos anhalten und kontrollieren, damit die neuen Maßnahmen auch eingehalten werden.
Die Maßnahmen seien notwendig, „um uns selbst zu schützen", erklärte Platter sichtlich emotional.
Zusätzliche Polizisten von außerhalb Tirols zur Überwachung der Einhaltung der Maßnahme werde es nicht brauchen, so der Landeschef. Es bestehe aber kein Zweifel, dass es sich um eine „dringliche Aufgabe" handle. Über Verordnungen an die Bezirkshauptmannschaften seien Beamte bei Zuwiderhandlungen gegebenenfalls verpflichtet, sicherheitspolizeilich einzuschreiten.
⚠️Österreicher ohne Wohnsitz müssen Tirol verlassen.
Die Maßnahme hat auch drastische Folgen für Nicht-Tiroler. Sie müssen das Bundesland „unverzüglich" verlassen, wenn sie nicht über einen Haupt- oder Nebenwohnsitz samt gewöhnlichem Aufenthalt in Tirol verfügen oder dort einer bestimmten beruflichen Tätigkeit nachgehen. Dies geht aus den Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften hervor. Zudem ist auch nur jenen österreichischen Bürgern die Einreise gestattet. Dieselben Vorschriften gelte natürlich auch für ausländische Staatsbürger.
Neben dem Haupt- oder Nebenwohnsitz ist in beiden Fällen auch der gewöhnliche Aufenthalt in Tirol vonnöten. Die erforderlichen Tätigkeiten betreffen wiederum jene „zur Aufrechterhaltung von kritischer Infrastruktur" oder die der Versorgungssicherheit dienen, wie es in der Verordnung hieß.
⚠️ Derzeit gibt es in Tirol mit 254 (Stand: Sonntagnachmittag) die meisten bestätigten Coronavirus-Fälle in Österreich.
Über Orte im Paznauntal wie Ischgl, das als Virus-Herd gilt, sowie St. Anton am Arlberg war zuletzt bereits die Quarantäne verhängt worden. Wie Platter im APA-Gespräch erklärte, seien Überlegungen angestellt worden, die de facto Ausgangssperre allein auf den besonders betroffenen Bezirk Landeck anzuwenden. Doch davon sei er wieder abgegangen. Man habe ein Szenario vermeiden wollen, indem dann weitere „Bezirke sukzessive" hinzukommen würden. Zudem spüre er, dass es in der Bevölkerung zunehmend Akzeptanz für einen derart drastischen Schritt gebe.
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