Donald Trump brechen die Wechselwähler weg
Die skurrilen Pressebriefings des US-Präsidenten könnten sich als Bumerang erweisen. Vor allem ältere weiße Wähler wenden sich zunehmend von Trump ab.
Seattle – US-Gouverneure, Lokalpolitiker und auch der US-Kongress konnten sich in Folge der Coronakrise über Beliebtheitssprünge freuen – nicht jedoch der US-Präsident. Trotz Direktzahlungen an US-Bürger und tagtäglichen Pressekonferenzen hat Herausforderer Joe Biden Donald Trump in einigen Umfragen überholt. Dem US-Präsidenten brechen vor allem die älteren Wähler weg, meint Politikwissenschaftler Patrick Schoettmer im Gespräch mit der APA.
Wie US-Medien jüngst berichteten, soll Trump seinen Wahlkampfmanager Brad Parscale telefonisch attackiert haben. Trump dementierte auf Twitter prompt - es zeigt jedoch, dass der Präsident unter gewaltigem Druck steht. In den US-weiten Meinungsumfragen hat Trump seit Anfang April deutlich an Boden verloren. Nach einer jüngsten Umfrage des Umfrageinstitut Ipsos vom 29. April sind nur 42 Prozent der Amerikaner mit dem Gebaren des US-Präsidenten zufrieden, 53 Prozent zeigen sich unzufrieden.
"Trump frustriert von einer schrumpfenden Wirtschaft"
Eine Rechnung ging für den US-Präsidenten damit definitiv bis dato nicht auf - nämlich die Krise als Plattform für die Wahl im November zu nutzen. Mit den täglichen Pressebriefings zur Coronakrise tue man sich im Weißen Haus keinen Gefallen, so lautet der Tenor in den USA. "Frustriert von einer schrumpfenden Wirtschaft, die außerhalb seiner Kontrolle ist und mit Gegenwind auf seinen Vorschlag konfrontiert, Desinfektionsmittel zur Bekämpfung des Virus einzusetzen, ist Präsident Trump vergangene Woche auf ein neuen Tiefpunkt gesunken", urteilte die NYT anlässlich der Attacken auf Wahlkampfmanager Parscale.
"Weiße unabhängige Wähler über 65 finden seine Reaktion auf die Coronakrise unzureichend", meint auch Patrick Schoettmer, Politikwissenschaftler an der Seattle University gegenüber der APA. "Die Wähler über 65 fühlen nicht, dass sich der Präsident für sie einsetzt." Diese Wählerschicht ist jedoch für Trump extrem wichtig, wie Schoettmer betont. "Die Republikaner brauchen die weißen und älteren Amerikaner". "Wenn sich in "Swing-States" wie Florida und Michigan die Stimmung dreht, dann könnte das Trump signifikanten Schaden zufügen", erklärt Schoettmer.
Joe Biden, der Hoffnungsträger der Demokraten im Rennen um die Präsidentschaft, hatte in der Tat bereits in den umkämpften Bundesstaaten Florida und Michigan in einigen Umfragen die Nase vor Amtsinhaber Trump. Der amtierende US-Präsident liegt sogar in traditionell republikanischen Bundesstaaten wie Texas und North Carolina in aktuellen Umfragen hinter dem demokratischen Kandidaten. Läuten also bereits die Alarmglocken bei den Trumpschen Wahlstrategen?
"Biden derzeit "außerhalb der Sicht und nicht in den Köpfen der Wähler"
An Bidens Präsenz und Wahrnehmung bei den US-Wählern hat sich unterdessen wenig verändert, erklärt Schoettmer. Biden wäre derzeit "außerhalb der Sicht und nicht in den Köpfen der Wähler". Der Ex-Vizepräsident hatte sich in den vergangenen Wochen mehrmals per Videokonferenzschaltung zu Wort gemeldet, jedoch größere Wahlkampfauftritte vermieden.
Noch Ende März konnte Trump einen leichten Schub in den Umfragen infolge der Verschärfung der coronabedingten Restriktionen in den USA sowie des milliardenschweren Stimuluspakets verzeichnen. In den vergangenen Wochen hat sich das Blatt jedoch mehr als gewendet: Als die Zahl der Corona-Infizierten in den USA auf Rekordwerte stieg, verlor auch der US-Präsident deutlich an Beliebtheit.
Trump absolvierte in dieser Zeit mit seinem Stab tägliche Pressetermine im Weißen Haus. Dass diese oftmals länger als eine Stunde dauernden Termine jedoch zu Propagandazwecken und der Selbstinszenierung dienten, wurde vielerorts kritisiert - auch innerhalb des Weißen Hauses. "Die Transkripte zeigen klare Muster und Wiederholungen in allen Mitteilungen - Überheblichkeit und Selbstmitleid in einem Maß, wie es selbst Historiker bisher nicht gesehen haben", so die New York Times in einem Resümee.
Wirtschaftsdaten wenig verheißungsvoll
Vergangene Woche hatte insbesondere ein Pressebriefing Wellen geschlagen, bei dem Trump die Injizierung von Desinfektionsmittel als mögliche Strategie gegen das Coronavirus ins Spiel gebracht hatte. "Was als tägliche Pressebriefings begann, um Informationen für die öffentliche Gesundheit zu kommunizieren, wurde de facto zu politischen Rallies aus dem Westflügel des Weißen Hauses", urteilte auch die Washington Post.
Kann Donald Trump den jüngsten Dämpfer in den Umfragen noch aufholen? Die Wirtschaftsdaten aus dem vergangenem Quartal waren für die USA wenig verheißungsvoll - die US-Wirtschaft war im 1. Quartal 2020 um 4,8 Prozent eingebrochen. "Für Trump wird das dritte Quartal entscheidend sein", meint unterdessen Politikwissenschaftler Schoettmer. "Wenn sich Trump ruhig verhält und die Wirtschaft wieder anzieht, dann könnte es sein, dass sich der Präsident von seinem Umfragentief wieder erholt", schätzt er. "Dann sind vielleicht die Sorgen von April oder Mai bereits vergessen. (APA)