Gewitter

Hauptsaison der Blitze: 80 Prozent der Einschläge im Sommer

Teile Österreichs, vor allem Steiermark und Kärnten, gehören mit Oberitalien und Slowenien zu den Regionen mit den meisten Blitzen in Europa. Durch die südliche Lage und Nähe zur Adria bietet die Atmosphäre hier oft die ideale Mischung für Gewitter: Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit.
© APA/dpa-Zentralbild/Julian Stöhle

Die Hauptsaison der Blitze steht vor der Tür: Die Monate Juni, Juli und August bringen in Österreich rund 80 Prozent aller Einschläge eines gesamten Jahres. Durchschnittlich sterben dabei pro Jahr zwei bis drei Menschen.

Graz/Bad Gleichenberg – Dass sich ein Blitz mit einer immensen Stromstärke von 300.000 Ampere entlädt, kommt in Österreich weniger als zehn mal im Jahr vor. Von so einem Blitz dürfte jüngst das grüne Wahrzeichen der südsteirischen Stadt Bad Gleichenberg (Bezirk Südoststeiermark) getroffen worden sein, wie der Leiter des österreichischen Blitzortungssystems ALDIS, Gerhard Diendorfer, gegenüber der APA berichtete.

Die sichtbare Blitzentladung (Flash) wird durch einen so genannten ersten Leitblitz vorbereitet (für das menschliche Auge nicht sichtbar). Bei fast allen Blitzen startet dieser Leitblitz in der Wolke und wächst ruckartig in Stufen von 50 bis 200 Meter in Richtung Erde vor. Erreicht der Leitblitz den Boden, wird dieser entladen, der ganze vorbereitete Kanal leuchtet hell auf. Das ist der für uns sichtbare Blitz.
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Besteht ein sehr großer Temperaturunterschied zwischen bodennahen und höheren Luftschichten, können mächtige Gewitterwolken entstehen. Sie erreichen in Mitteleuropa Höhen von zwölf Kilometer und mehr. In Gewitterwolken toben mächtige Auf- und Abwinde, mit Geschwindigkeiten von rund 100 bis 150 km/h. Diese Winde schleudern Wassertropfen, Eiskristalle und Hagelkörner durch die Wolke. Dabei kommt es zu elektrostatischer Aufladung, ähnlich wie beim Reiben eines Luftballons an Stoff.

Spitze von Mammutbaum regelrecht weggesprengt

Im oberen Bereich der Gewitterwolke (rund acht bis zwölf Kilometer) sammeln sich bevorzugt positiv geladenen Teilchen, in den unteren Bereichen (rund drei bis sechs Kilometer) bevorzugt negative. Warum? "Das ist immer noch nicht völlig geklärt", berichtete ALDIS. Erreicht der Unterschied zwischen Plus- und Minus-Bereich eine bestimmte Größe, kommt es zu einem großen elektrischen Funken: dem Blitz.

Wenn ein Gewitterblitz durch die Atmosphäre fährt und schließlich in ein Objekt einschlägt, beträgt die Stromstärke bei der Entladung durchschnittlich 10.000 bis 20.000 Ampere, schilderte der ALDIS-Leiter. Deshalb schütze man im äußeren Blitzschutz üblicherweise vor entsprechenden Ereignissen bis 200.000 Ampere. Heftigere Blitze können vorkommen, erreichen aber extrem selten die 300.000 Ampere-Grenze. In diesem Jahr ist das Ausnahmeereignis bereits einmal eingetreten - und hat eine Naturkostbarkeit im Kurpark von Bad Gleichenberg getroffen. Mehrere Meter der Spitze des Sequoiadendron giganteum (Riesenmammutbaum) aus dem Jahr 1872 wurden weggesprengt.

80 Prozent der Einschläge im Sommer

Österreichs Blitzortungssystem ALDIS (Austrian Lightning Detection and Information System) registriert in den Sommermonaten durchschnittlich 70.000 bis 180.000 Einschläge (Wolke-Erde-Blitze). Zählt man alle georteten Einzelentladungen (z.B. Teilblitze in den Wolke-Erde Blitzen und Entladungen innerhalb der Wolken), blitzte es in den Sommermonaten in Österreich zwischen 600.000 und 1.000.000 Mal. In manchen Jahren beginnt die Gewittersaison übrigens bereits im Mai.

Der wichtigste Tipp des Experten: vor Wanderungen, Radtouren und Badeausflügen die Wettervorhersage beachten und Aktivitäten so planen, dass im Falle eines Gewitters rechtzeitig eine sichere Unterkunft zu erreichen ist. Wenn man im Freien unterwegs ist, sind auch Warnungen der untersten Stufe relevant, informierte Diendorfer. Denn Gewitter können relativ schnell aufziehen und Blitze manchmal auch in einiger Entfernung der Wolke einschlagen, noch bevor es dort regnet: "Der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel ist also durchaus möglich."

"Im Vorjahr sind österreichweit nicht mehr als acht von rund 90.000 Blitzen mit mehr als 300.000 Ampere gezählt worden", hob Diendorfer die Seltenheit so eines Ereignisses hervor. Wenn sich die Amplituden in einer Höhe von über 300.000 Ampere bewegen, dann ist das somit ein Ereignis, das einen von 10.000 Blitzen betrifft", führte der Blitzexperte von ALDIS weiter aus. Das "Austrian Lightning Detection and Information System" verfügt über insgesamt acht Ortungssensoren, die sich über Österreich verteilen. Jeder dieser über GPS zeitsynchronisierten Sensoren erfasst mit hochempfindlichen Antennen die elektromagnetischen Signale aller Blitzentladungen im Umkreis von einigen 100 Kilometern, wertet diese an Ort und Stelle aus und meldet die Ergebnisse an die ALDIS-Zentrale in Wien.

"Wir haben nach dem Blitz in Bad Gleichenberg gesucht und haben einen Blitz, der ein außerordentliches magnetisches Feld produziert hat, gefunden", schilderte Diendorfer. Damit erkläre sich auch die gewaltigen Schäden an dem bisher 60 Meter hohen Baumriesen, der um rund 20 Meter gekürzt dasteht. "Die Energie, die bei so einer Entladung innerhalb eines Sekundenbruchteils umgesetzt wird, ist gewaltig", legte der Experte dar. Das Wasser im Stamm koche in Bruchteilen einer Sekunde und sprenge die Rinde und die Krone vom Baum. (APA)

Wie man im Gewitter richtig und schnell reagiert

Am sichersten vor Blitzen ist man in einem Haus mit Blitzableiter. Aber selbst in einem Haus oder einer Hütte ohne solchem Schutz ist man sicherer als im Freien. "Am besten halten Sie sich dann in der Mitte des Raumes auf", raten die Fachleute von ALDIS. Gerät man trotz aller Vorsicht in ein Gewitter, haben die Experten folgende Tipps:

▶️ "Setzen Sie sich ins Auto": Selbst wenn der Blitz einschlägt, ist man hier sicher, da der Strom außen am Pkw über die Metallkarosserie in die Erde abfließt. Camper sind im Fall eines Gewitters im Wagen daher besser aufgehoben als im Zelt.

▶️ Ist der einzige Schutz in der Nähe ein Wald, dann sollte man in diesen hineingehen. "Am Waldrand ist die Gefahr von Blitzen und bei Gewitterböen umstürzende Bäume größer."

▶️ Befindet man sich in der Nähe eines einzelnen Baumes oder einer Baumgruppe, lautet der Rat: "Hocken Sie sich ungefähr zehn Meter vom Baum entfernt auf den Boden." Direkt oder zu nahe am Baum könnte der Blitz bei einem Einschlag auf die Person überspringen. Von Metallmasten sollten einen Abstand von rund drei Metern gehalten werden.

▶️ Wird man auf einem großen Feld oder einer großen Wiese vom Gewitter erwischt, empfiehlt es sich, in eine Mulde zu hocken und sich so klein wie möglich zu machen. "Lassen Sie die Füße geschlossen, damit im Falle eines Einschlags in der unmittelbaren Umgebung keine große Schrittspannung zwischen ihren Füßen entsteht."

▶️ Wasser sollte bei Gewitter verlassen werden, denn es leitet Strom und selbst ein Einschlag in einiger Entfernung kann gefährlich sein.