Nach Geisler-Sager: Schwarz-grüne Krise in Tirol vorerst beendet
Überraschend hat der Koalitionsausschuss zwischen der Tiroler ÖVP und den Grünen bereits am Mittwoch getagt. Der Rücktritt von LHStv. Josef Geisler (VP) ist kein Thema mehr, ÖVP und Grüne halten am Regierungsprogramm fest.
Innsbruck – Die Folgen der verbalen Entgleisung von Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) haben zu einer schweren Belastungsprobe in der schwarz-grünen Landesregierung geführt. Die Grünen haben Dienstag die Einberufung eines Koalitionsausschusses beschlossen, Landeshauptmann Günther Platter (VP) forderte wie bereits in der Regierungssitzung erneut Stabilität.
Platter appellierte am Mittwoch an den grünen Koalitionspartner, „in dieser Ausnahmesituation keine politischen Spielchen auf dem Rücken der Tiroler Bevölkerung zu spielen. Weder die Bevölkerung noch ich hätten in dieser Krise Verständnis für Neuwahlen.“
Die Spannungen nahmen im Laufe des gestrigen Tages zu, deshalb zogen ÖVP und Grüne rasch die Reißleine und beriefen sofort den Koalitionsausschuss ein. Sieben Stunden wurde verhandelt, am Abend stieg weißer Rauch auf.
„Geisler sieht diesen Fehler ein"
Für die Koalitionsparteien steht außer Frage, dass es sich bei der Äußerung Geislers um eine indiskutable Entgleisung handelt. „Geisler sieht diesen Fehler ein. Ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit allen Menschen ist für die Koalition ein unverzichtbarer Bestandteil der gemeinsamen Arbeit und soll es auch bleiben.“
Ein Rücktritt Geislers ist aber kein Thema mehr. Änderungen im Regierungsprogramm wird es ebenfalls nicht geben. Das hatte die ÖVP bereits dezidiert ausgeschlossen. Vielmehr wird die Dringlichkeit der Bereiche Frauen, Gleichstellung und Antidiskriminierung hervorgestrichen und die Umsetzung dieser Punkte im Regierungsprogramm für 2021 angekündigt.
Der von WWF und Grünen geforderte Neustart im Naturschutz findet sich so auch nicht in der gemeinsamen Erklärung. Dort heißt es: „Für beide Koalitionsparteien ist der Naturschutz ein wichtiges Anliegen, weshalb dieser bereits im beschlossenen Regierungsprogramm einen großen Platz einnimmt. Im Zuge des Konjunkturprogramms für 2021 wird der Naturschutz einen Schwerpunkt bilden.“ Dienstagabend haben die Grünen noch ganz anders getönt.
Die schwarz-grüne Erklärung im Wortlaut
- Die Koalitionspartner bekennen sich zu sämtlichen Punkten des Regierungsprogrammes „Entschlossen regieren. Tirols Zukunft sichern. Regierungsprogramm für Tirol 2018 – 2023“.
- Für die Koalitionspartner steht außer Frage, dass es sich bei der Äußerung von Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter ÖR Josef Geisler um eine indiskutable Entgleisung handelt. LH-Stv. ÖR Geisler sieht diesen Fehler ein. Respektvoller und wertschätzender Umgang mit allen Menschen ist für die Koalition ein unverzichtbarer Bestandteil der gemeinsamen Arbeit und soll das auch bleiben.
- Intensivierte Bemühungen zur weiteren Gleichstellung von Frauen und Männer in allen Lebensbereichen sind für die Tiroler Landesregierung ein besonderes Anliegen. Die Koalitionspartner erkennen die aktuelle besondere Dringlichkeit für die Bereiche Frauen, Gleichstellung und Antidiskriminierung und bekennen sich zur besonders dringlichen Umsetzung dieser Punkte des Regierungsprogrammes im Laufe des nächsten Jahres. Dies ist besonders den Grünen Tirol wichtig, für die Feminismus einer ihrer Grundwerte ist. Die Umsetzungsschritte werden in der Herbst-Klausur festgelegt.
- Für beide Koalitionspartner ist der Naturschutz ein wichtiges Anliegen, weshalb dieser bereits im beschlossenen Regierungsprogramm einen großen Platz einnimmt. Im Zuge des Konjunkturprogramms für 2021 wird der Naturschutz einen Schwerpunkt bilden.
- Alle derzeitigen Bemühungen der Tiroler Landesregierung dienen der Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise, der Senkung der Arbeitslosigkeit und dem Erhalt des sozialen Friedens. Dies erfordert die ganze Kraft der Tiroler Landesregierung und daher wird hierzu über den Sommer hinweg gearbeitet und für die Regierungsklausur im Herbst ein umfangreiches regional, digitales, nachhaltiges und soziales Konjunkturpaket für 2021 vorgelegt.
WWF verärgert über Koalitionserklärung
Auf keine Gegenliebe ist die gemeinsame Erklärung der schwarz-grünen Tiroler Koalition bei der Umweltorganisation WWF gestoßen. „Echte Konsequenzen sehen anders aus. Das ist definitiv nicht der glaubwürdige Neustart, den Tirol und der Naturschutz brauchen", erklärte Naturschutz-Bereichsleiter Christoph Walder. Anstatt grundlegende Reformen einzuleiten, dominiere das Motto „Weiter wie bisher".
„Das ist eindeutig zu wenig und mehr als enttäuschend von beiden Regierungsparteien", ließ Walder auch an den Grünen kein gutes Haar und kritisierte, dass übermittelte Forderungen an Tirols LH Günther Platter (ÖVP) in der Erklärung nicht enthalten sind.
Georg Willi warnt vor Aus von Schwarz-Grün
Der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi warnt indessen vor einem Scheitern der schwarz-grünen Koalition in Tirol. „Was Geisler gesagt hat, ist inakzeptabel. Und seine ersten Entschuldigungsversuche waren schlichtweg hatschert.“ Deshalb sei es natürlich durchaus angebracht, seinen Rücktritt zu fordern, „doch mit Rücktrittsaufforderungen sollte man in der Politik generell sparsam umgehen“. Schlussendlich liegt es für Willi in der Eigenverantwortung des Betroffenen. „Trotz des Fehlers muss aber auch Geislers gesamte politische Arbeit bewertet werden.“
Die Kontroversen nennt der Innsbrucker Bürgermeister wenig hilfreich. „Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses müssen sich ÖVP und Grüne aber wieder am Riemen reißen.“ Schließlich habe die Koalition bisher sehr gut gearbeitet und viel weitergebracht. „Deshalb sollte die Regierungszusammenarbeit nicht gefährdet werden.“
Opposition mit Kritik
Die Opposition sparte nicht mit Kritik am schwarz-grünen Gerangel. Platters Neuwahldrohung ist für SPÖ-Vorsitzenden Georg Dornauer ein Armutszeugnis. „Statt sein Regierungsteam endlich in den Griff zu bekommen, legt Platter auch noch eine inakzeptable Dreistigkeit an den Tag.“ FPÖ-Chef Markus Abwerzger sieht Platter schwer angeschlagen und amtsmüde. NEOS-Landessprecher Dominik Oberhofer und Liste-Fritz-Obfrau Andrea Haselwanter Schneider fordern eine Regierungsumbildung. „Für Neuwahlen gibt es kein Verständnis.“ (pn, TT.com)