Kurz weist Versagen bei Corona-Hilfen zurück, NEOS orten "Mega-Murks"
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verteidigte im Nationalrat erneut das bisherige Handeln der Regierung und lobte die Hilfsmaßnahmen. Die Opposition sieht die Lage völlig anders: So orten die NEOS einen "Mega-Murks" statt eines "Mega-Wumms", die SPÖ bewertet die Performance als "grottenschlecht" und die FPÖ sieht Angstmache.
Wien – Die Corona-Hilfen der türkis-grünen Bundesregierung und der U-Ausschuss waren am Donnerstag die dominierenden Themen in der "Fragestunde" des Nationalrats und später auch in einem "Dringlichen Antrag" der NEOS. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verteidigte erneut das bisherige Handeln der Regierung und lobte die Hilfsmaßnahmen. Insgesamt seien 50 Mrd. bewegt worden, auch die AUA-Hilfe inklusive 10-jähriger Standortgarantie für das Drehkreuz Wien, hob Kurz hervor.
Auf die Feststellung von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried, die Bundesregierung habe sich in den Verhandlungen mit der Lufthansa "quasi über den Tisch ziehen lassen", weil es am Ende keine Beteiligung Österreichs gegeben habe, meinte Kurz, dass man mehr erreicht habe, als man zu Beginn für möglich erachtete. Nämlich, dass das Drehkreuz Wien die kommenden zehn Jahre nicht nur abgesichert, sondern dass sichergestellt sei, dass sich dieses "in den nächsten Jahren proportional entwickelt".
Kurz weist "Bürokratiemonster"-Vorwurf zurück
Dass von den Mitteln der Corona-Hilfen bei Einpersonenunternehmen und Klein- und Mittelbetrieben "relativ wenig bis gar nichts ankommt", wie die NEOS meinen, kann Kurz nur bedingt nachvollziehen. In etlichen Bereichen wie etwa bei den Steuerstundungen und beim Fixkostenzuschuss sei vieles "sehr schnell" gegangen. Bei anderen Hilfen sei es notwendig gewesen, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, auch habe es eine gewisse Form der Kontrolle gebraucht. Zudem seien die Strukturen wie etwa jene des AMS bei der Kurzarbeit nicht auf das große Aufkommen ausgerichtet gewesen. Es habe "einige Zeit gebraucht, um die Strukturen zu adaptieren", so Kurz.
In Anspielung auf Selbstlob von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bei der Regierungsklausur sah NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn "keinen Mega-Wumms sondern einen Mega-Murks".
NEOS suchen "dringlich" Wirtschaftshilfen-Koordinator
Die NEOS thematisieren die Wirtschaftshilfen in der Coronakrise im Nationalrat "dringlich". Mit einem entsprechenden Antrag wurde von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) eine zentrale Koordinationsstelle für wirtschaftliche Hilfen und konjunkturbelebende Maßnahmen gefordert.
Für NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger ist die Regierung dieser Aufgabe jedoch nicht gewachsen. Sie schreibt von Chaos und Unklarheiten, die ein Bild der Unsicherheit und des Misstrauens erzeugten. Die Regierung beschwöre mit dem "unübersichtlichen Teppich an Einzelmaßnahmen und Almosen, samt dem Wettkampf an Branchenförderung mit einer Dosis EU-Bashing" Verunsicherung. Dies wiederum führe bei Unternehmern zu Misstrauen und in weiterer Folge zu Konkursen, Zahlungs- und Kreditausfällen. Diese hätten weitere Konkurse zur Folge und wüchsen schließlich zu Finanz-, Immobilien- und Schuldenkrisen aus, die auch Rentenvermögen vernichteten, wird von den NEOS ein düsteres Zukunftsbild gezeichnet.
Was es brauche, sei eine Stelle, die Informationen zusammentrage und dann evidenzbasiert, nachvollziehbar und verantwortungsvoll Vorschläge mache, schreibt Meinl-Reisinger in der Begründung des "Dringlichen Antrags". Diese müssen dann vor einer Beschlussfassung in den Parlamenten (EU oder in Wien) debattiert werden.
Schramböck lehnte den Antrag ab: "Das Expertenkabinett gibt es bereits, es nennt sich Wirtschaftsministerium und ist am Stubenring."
Matznetter (SPÖ): Epidemiegesetz-Änderung als Grundfehler
Den Vorwurf von SPÖ-Abgeordnetem Christoph Matznetter, dass die Regierung ein "Bürokratiemonster geschaffen" habe, wies Kurz zurück. "Grottenschlecht" nannte Matznetter die Performance der Regierung. Er sieht den Grundfehler in der Änderung des Epidemiengesetzes, durch die die Unternehmen um ihre volle Kompensation ungefallen waren.
📽 Video | Kurz beantwortet Frage von Christoph Matznetter (SPÖ)
Der freiheitliche Abgeordnete Peter Wurm wiederum forderte die Regierung auf, nicht ständig von einer zweiten Welle zu reden, weil mit der Angst auch die Konjunkturbelebung misslingen werde. Wurm warb für den von der FPÖ vertretenen 1000 Euro-Gutschein für alle Österreicher.
In Sachen Privatvermieter von Ferienwohnung, die laut FPÖ-Abgeordnetem Gerald Hauser derzeit nicht anspruchsberechtigt seien, will sich der Bundeskanzler um eine Lösung bemühen. Weil aber der Begriff der Vermietung ein sehr weiter sei, sei dies eine "gar nicht so einfache Abgrenzungsfrage".
Haubner (ÖVP): "In Österreich ist vieles, vieles gut"
VP-Mandatar Peter Haubner forderte die Opposition auf, nicht alles schlecht zu machen: "Weil in Österreich ist vieles, vieles gut." Der Grünen-Abgeordnete Jakob Schwarz betonte, es gehe jetzt darum Nachfrage zu machen - und dafür setze die Koalition diverse Maßnahmen von vorgezogener Steuerreform bis zur temporären Erhöhung des Arbeitslosengeldes.
Ob er sich die Erlassung von Corona-Strafen vorstellen kann, die ohne gesetzlich Grundlage verhängt wurden, beantwortete Kurz nicht direkt, meinte aber: "Ich halte es für richtig, dass in einem Rechtsstaat auch das Handeln der Behörden überprüft wird." Die Bundesregierung selbst wiederum habe stets versucht, in "einfachen Worten" zu erklären, was in Gesetzestexten steht, so Kurz.
Auch U-Ausschuss und Causa Schmid Themen in Fragestunde
Die beiden Fraktionsführer von SPÖ und FPÖ im sogenannten Ibiza-U-Ausschuss, Jan Krainer und Christian Hafenecker, thematisierten selbigen in der Fragestunde. Kurz meinte aber zum einen, dass er die Arbeit des U-Ausschusses nicht bewerten wolle, zum anderen verwies er wiederholt darauf, dass er diesem kommende Woche Rede und Antwort stehen werde. In Sachen Transparenz verwies er darauf, dass die Koalition "zahlreiche Maßnahmen" wie das Amtsgeheimnis oder Recht auf Informationsfreiheit vereinbart habe. "Wir stimmen überein dies rechtzeitig, rasch und zügig auf den Weg zu bringen."
Warum seine Chatverläufe mit dem ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nicht in den Akten des U-Ausschusses auftauchen, wollte Kurz nicht bewerten. Für die Beschlagnahmungen sei die Justiz zuständig, so Kurz: "Das ist nicht meine Entscheidung als Bundeskanzler." Das Bundeskanzleramt habe jedenfalls dem U-Ausschuss alle relevanten Akten geliefert.
Ob ÖBAG-Chef Thomas Schmid ob der Ermittlungen gegen ihn wegen mutmaßlichen Drogenkonsums noch als Chef der Staatsholding tragbar sei, beantwortete Kurz so: "Das ist eine Beurteilung, die dem Aufsichtsrat obliegt." Zudem bewerte er keine laufenden Verfahren. (TT.com, APA)