Rassismus-Vorwürfe

Zuerst ausgeladen, lehnt Kabarettistin Eckhart neue Festival-Einladung ab

Autorin und Kabarettistin Lisa Eckhart.
© APA/Punz

Eigentlich hätte die Kabarettistin Lisa Eckhart auf dem Harbourfront Literaturfestival in Hamburg zu einem Wettbewerb um den besten Debütroman antreten sollen. Der Betreiber des Veranstaltungsortes fühlte sich aber bedroht, weil Eckhart von Kritikern vorgeworfen wird, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen – und lud sie aus. Eine erneute Einladung Tage nach dem Aufschrei schlug die Künstlerin aus.

Wien, Hamburg – Eine Ausladung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart beim Harbourfront Literaturfestival in Hamburg sorgt für Aufregung in der Kulturszene. Der Betreiber des Veranstaltungsortes „Nochtspeicher" hatte gegenüber der Festivalleitung Sicherheitsbedenken im Falle eines Auftritts formuliert, weil Eckhart von Kritikern vorgeworfen wird, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen.

Der Betreiber sah die Sicherheit von Künstlerin und Publikum gefährdet. „Es ist unseres Erachtens sinnlos, eine Veranstaltung anzusetzen, bei der klar ist, dass sie gesprengt werden wird, und sogar Sach- und Personenschäden wahrscheinlich sind“, zitierte der Spiegel aus einer Mail des „Nochtspeichers“. Im „bekanntlich höchst linken Viertel“ werde eine solche Veranstaltung nicht geduldet, auch an Polizeischutz sei nicht zu denken, weil „die Situation dann sogar noch eskalieren und gar zu Straßenscharmützeln führen“ könne. Das hieß es am Sonntag.

📽️ Video | Lisa Eckhart sagt Auftritt ab

Am Montag wurde die Künstlerin dann erneut zum Festival eingeladen. Die vier Lesungen im Wettbewerb sollten nun nicht mehr im „Nochtspeicher", sondern an einem anderen Ort stattfinden. Unter anderen PEN-Präsidentin Regula Venske hatte die Ausladung scharf kritisiert. „Wir kennen und schätzen uns in Hamburg nun schon seit vielen Jahren, und ich weiß, dass Euch die Literatur und die Meinungsfreiheit am Herzen liegen“, hieß es in einem offenen Brief an die Festivalleitung sowie an den „Nochtspeicher". „Wie viele andere aber bin ich ob der Ausladung Lisa Eckharts bestürzt. Das kann und darf nicht die Ultima Ratio in dieser Angelegenheit sein!“

Außenansicht des "Nochtspeicher" in Hamburg.
© MARTIN FICHTER-WÖSS

„Ob die Gewalt von rechten oder linken Extremisten, von religiösen Eiferern oder Psychopathen angedroht wird: Wir dürfen uns ihr nicht in vorauseilendem Gehorsam beugen“, schreibt Venske weiter. Es könne sein, dass der Nochtspeicher unter den gegebenen Umständen nicht der geeignete Ort für diese Veranstaltung sei. Man könne die Kandidatin aber auch zum Beispiel per Online-Schalte einbeziehen.

Es könne auch nicht sein, dass sich für einen Preis Nominierte ihre Konkurrenten selbst aussuchen. „Wer mit einem Kollegen, einer Kollegin nicht auftreten will, muss selbst zu Hause bleiben und kann nicht dem Veranstalter vorschreiben, mit wem er oder sie zu lesen bereit ist oder wer weiter im Rennen bleiben darf“, heißt es. Gerade am Umgang mit „trivialeren“ Kunsterzeugnissen zeige sich, wie es um Demokratie und Meinungsfreiheit steht.

📽️ Video | Im Interview: Eckhart sorgt für Schlagzeilen

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Erneute Einladung zum Festival abgelehnt

Die neue Einladung lehnten die Kabarettistin und ihr Verlag aber ab. Bei allem Verständnis für den Vorstoß des Festivals – nun sei es zu spät, sagte Zsolnay-Verlagsleiter Herbert Ohrlinger am Montag in Wien. „Aufgabe eines Verlags ist auch, seine Autoren und Autorinnen zu schützen.“ Das Hin und Her der vergangenen Wochen sei an der 27-Jährigen nicht spurlos vorbeigegangen. „Sie steht unter enormem Druck“, so Ohrlinger.

„Zu unserem größten Bedauern haben Lisa Eckhart und ihr Verlag die Teilnahme der Autorin am diesjährigen „Debütantensalon“ heute abgesagt“, teilte das Festival daraufhin mit. Die Festivalleitung betonte nochmals, „dass bei all unseren Überlegungen und Entscheidungen in der Causa Eckhart allein Sicherheitsfragen und die Durchführung eines fairen Debütanten-Wettbewerbs im Mittelpunkt standen und dass uns weder politische Motive, noch irgendwelche Kritik an der Arbeit der Künstlerin beeinflusst oder gar geleitet haben“. Das Festival bedauere ausdrücklich, dass es nun zu keinem Auftritt von Eckhart im Rahmen des „Debütantensalons“ kommen werde.

Auch Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) bedauerte die Absage von Lisa Eckhart. „Es darf nicht sein, dass aus Sorge vor Gewalt Kultur eingeschränkt wird“, sagte Brosda. „Dies ist kein gutes Signal für die Freiheit der Kunst und dieser Vorgang darf sich nicht wiederholen.“ Hamburg sei eine Stadt der Freiheit. Insofern sei es gut, dass die Autorin wie geplant im Hamburger Literaturhaus auftreten werde. Dort will Eckhart am 3. September ihren Debütroman „Omama“ vorstellen, der am 17. August bei Zsolnay erscheint.

📽️ Video | Kabarett-Auftritt von Lisa Eckhart

Eckhart ortet „teilweise boshaftes Missverstehen"

Vorwürfe, sie bediene sich antisemitischer und rassistischer Klischees, wies die Kabarettistin deutlich zurück. „Es gibt teilweise ein boshaftes Missverstehen“, sagte Eckhart der Deutschen Presse-Agentur in Wien. Bei manchen scheine es einen klassisch konditionierten Reflex zu geben, auf Reizworte zu reagieren. „Wie geht man mit Antisemitismus und Rassismus um? Erhebt man sie zum Tabu oder degradiert man sie zum Witz? Ich bin immer auf der Seite des Humors“, so Eckhart. Wenn man ihre Auftritte genau anschaue, trieften sie fast schon beschämend vor Humanismus und Feminismus. „Wenn mich jemand entlarven will, dann sieht er das.“ Aber natürlich verpacke sie ihre Botschaft nicht ganz so plump, sagte die 27-Jährige.

Eckhart würde es begrüßen, wenn ihr Fall eine größere Debatte anstieße. Die Kultur sei von rechts und links unter Beschuss. Viele Menschen könnten offenbar mit Kunst, die herausfordere, die Sicherheiten und „erleuchtete Sittlichkeit“ infrage stelle, nicht mehr umgehen. „Warum wird auf dem Rücken der Kultur eine politische Korrektheit ausgetragen, die in der Politik ihren Platz hätte?“ Während im Politischen die Grenzen des Sagbaren ausgeweitet würden, würden sie in der Kunst immer mehr beschränkt.

Satire werde immer schwieriger in einer Gesellschaft, die sehr darauf bedacht sei, Schmerzen und Kränkungen auszuradieren. „Eine Gesellschaft, die keinen Sinn mehr im Schmerz sieht, hat naturgemäß ein Problem mit Satire.“ Die jüngste Debatte werde keine Konsequenzen auf ihre Arbeit haben, meinte Eckhart. „Ich genieße Narrenfreiheit. Die gilt aber nur auf der Bühne.“ Sie sei grundsätzlich für einen respektvollen Umgang. (dpa/TT.com)

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