Wolf-Debatte

EU will am strengen Schutzstatus des Wolfes nicht rütteln

Heuer wurden in Tirol bereits rund 90 Schafe gerissen. Die Politik fordert deshalb mehr Möglichkeiten, um Problemwölfe leichter abzuschießen.
© Lynn_Bystrom

EU-Umweltkommissar Sinkevicius pocht beim Wolf auf Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. LH Platter startet eine Initiative zur Minderung des Schutzstatus.

Von Peter Nindler

Innsbruck, Brüssel – Tirols Schafbauern sind verunsichert, im Wipptal haben sie die Almsaison für ihre 1200 Schafe vorzeitig beendet. Weil ein Wolf zuletzt mindestens 13 Tiere gerissen hat. Die Politik ist alarmiert, das Thema droht ihr zu entgleiten. Doch die Mittel sind beschränkt, die EU hält am hohen Schutzstatus fest. Das bekräftigt EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius in einem Schreiben u. a. an die Tiroler EU-Abgeordnete Barbara Thaler (VP) sowie an ihren Südtiroler Kollegen Herbert Dorfmann. Seine zentralen Klarstellungen:

  • Wolfsfreie Zonen: Nach EU-Recht können aus mehreren Gründen keine regionalen wolfsfreien Zonen eingerichtet werden. Hierzu gehören das Vorhandensein alternativer Maßnahmen zur Verhütung oder Verringerung von Schäden bzw. zum Ausgleich von Schäden, mögliche negative Auswirkungen solcher Zonen auf den Erhaltungszustand der Arten sowie das rechtliche Erfordernis, Ausnahmen auf Einzelfallbasis zu prüfen.
  • Abschuss von Wölfen: Ob die Entnahme einzelner Wölfe den Erhaltungszustand der Art beeinträchtigen würde oder nicht, lässt sich nur anhand einer Einzelfallprüfung feststellen.
  • Ausnahmeregelungen: Im Rahmen ihrer Agrar- und ihrer Umweltpolitik unterstützt die Kommission die Mitgliedstaaten aktiv bei der Verringerung von Konflikten und der Verbesserung der Koexistenz mit Großraubtieren. Die Kommissionsdienststellen arbeiten derzeit Leitlinien aus, um die Anwendung der Bestimmungen der FFH-Richtlinie durch die Mitgliedstaaten zu erleichtern. Dabei geht es nicht um eine Überarbeitung der Anhänge, sondern um eine klarere und kohärentere Auslegung der bestehenden Bestimmungen der Richtlinie, einschließlich der Anwendung von Ausnahmeregelungen, wobei der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union uneingeschränkt Rechnung getragen wird.

Die Umweltschutzorganisation WWF sieht sich durch die Kommission bestätigt. „Wer nach den klaren Worten der EU-Kommission immer noch glaubt, dass sich der Schutzstatus des Wolfes bald ändert, ignoriert die rechtlichen und politischen Fakten. Wölfe sind und bleiben streng geschützt. Wolfsfreie Zonen sind weder rechtlich möglich noch praktisch umsetzbar“, erklärt Christoph Walder. Es sei daher dringend notwendig, dass die Tiroler Landesregierung und die konstruktiven Kräfte in der Landwirtschaftskammer ihren Mitgliedern rasch helfen, gangbare Wege des Herdenschutzes zu beschreiten. „Fachgerechter Herdenschutz, etwa nach erfolgreichem Vorbild der Schweiz, ist und bleibt alternativlos“, sagt Walder.

Landeshauptmann Günther Platter
© Julia Hammerle/TT

Ganz anders Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP): „Die Zeit der Wolfs-Romantik muss vorbei sein. Allein im heurigen Jahr ist von beinahe 90 Wolfsrissen auszugehen. Das geht nicht.“ Wenn von Tierschutz die Rede sei, dürfe man nicht nur an den Schutz des Wolfes denken, sondern es gehe auch um den Schutz von Schafen und anderen Weidetieren. Platter weiters: „Ich habe vollstes Verständnis für die Sorgen der heimischen Bäuerinnen und Bauern und bin der Meinung, dass der Wolf bei uns keinen Platz hat.“ Für den Landeshauptmann funktioniert gerade in Tirol, wo es eine Kombination aus beengtem Siedlungsraum, kleinstrukturierter Berglandwirtschaft, Almwirtschaft und Tourismus gibt, ein Miteinander von Mensch, Nutztieren und Wolf nicht.

Platter kündigt deshalb einen Vorstoß in der Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer an, um den Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene zu senken. „Denn nur dann ist eine Entnahme von Wölfen, insbesondere von Problemwölfen, möglich.“

WWF fordert weiter Ausbau des Herdenschutzes

Als Reaktion auf die Aussage von EU-Umweltkommissar Sinkevicius hat der WWF in einer Aussendung am Dienstag dann erneut die Forderung an die Politik erhoben, die Almbauern beim Herdenschutz entsprechend zu unterstützen. Es brauche u.a. bessere Entschädigungen und ausgewogene Information.

„Wem die berechtigten Sorgen der Almwirtschaft ein Anliegen sind, blendet Bäuerinnen und Bauern nicht mit unrealistischen Forderungen, sondern muss die Umsetzung von Herdenschutz konsequent unterstützen", spielte WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer auf die jüngsten Aussagen von Platter an.

Die Forderungen des WWF: eine Wiederbelebung des Hirtenwesens, die Ausbildung von Herdenschutzhunden, bessere Entschädigungen für betroffene Halter von Nutztieren und eine ausgewogene Information.

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