Deutscher Buchpreis: Fünf Romane aus Österreich nominiert
Fünf der Nominierten kommen aus Österreich, darunter auch die Debütanten Helena Adler und Stephan Roiss. Die Shortlist mit den sechs Finalisten wird am 15. September veröffentlicht, die Verleihung findet am 12. Oktober coronabedingt ohne Publikum statt.
Frankfurt am Main, Wien – Während im realen Leben Corona das alles beherrschende Thema ist, ist die Literatur so bunt wie selten: Diese Bilanz zog die Jury für den Deutschen Buchpreis am Dienstag bei der Bekanntgabe der Longlist in Frankfurt. Sieben Literaturexperten haben aus mehr als 200 Kandidaten die aus ihrer Sicht 20 besten Bücher des Jahres ausgewählt.
Ein Viertel der Nominierungen ist heuer nach Österreich gegangen. Neben Bachmann-Preisträgerin Birgit Birnbacher ("Ich an meiner Seite"), Valerie Fritsch ("Herzklappen von Johnson & Johnson") und Robert Seethaler ("Der letzte Satz") haben es auch Helena Adler und Stephan Roiss mit ihren Romandebüts auf die 20 Titel umfassende Longlist geschafft.
"Im Gegensatz zur Lektüre der Nachrichten der vergangenen Monate bot die Beschäftigung mit den über 200 eingereichten Titeln vielfältige Lichtblicke“, sagte Jurysprecherin Hanna Engelmeier. Auf der Longlist stehen einige bekannte Namen, etwa Frank Witzel. Er hatte für „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ vor fünf Jahren den Buchpreis bekommen. Mit „Inniger Schiffbruch“ setzt er seine Selbsterkundung fort, diesmal als Kind in den biederen 1960er Jahren.
Viele biografisch geprägte Romane
Auch viele andere Romane sind laut Jury biografisch oder autobiografisch geprägt. Zum Beispiel die Debüts von Deniz Ohde („Streulicht“) und der 1983 geborenen Salzburgerin Helena Adler („Die Infantin trägt den Scheitel links“): ein eher sachlich erzählter Arbeiterroman und ein skurril-überdrehter Anti-Heimatroman. Auch der erste Roman der Bachmann-Preisträgerin Birgit Birnbacher („Ich an meiner Seite“) hat es auch die Longlist geschafft.
Robert Seethaler ist zu Recht eine feste Größe im Literaturbetrieb und ein Dauerkandidat auf allen Preislisten. Hauptfigur seiner jüngsten Miniatur „Der letzte Satz“ ist der Komponist Gustav Mahler. Eine Biografie oder musikwissenschaftliche Erkenntnisse darf man vom Meister der Verknappung aber nicht erwarten.
Helena Adler hatte bereits im Frühjahr die Kritiker überzeugt, der ebenfalls 1983 geborene Linzer Stephan Roiss stellt seinen in den kommenden Tagen erscheinenden Erstling "Triceratops" am 3. September beim Literaturfestival O-Töne im Wiener Museumsquartier vor. Im Vorjahr kamen gleich sechs der Nominierten aus Österreich. Ausgezeichnet wurde am Ende Sasa Stanisic für seinen Roman "Herkunft".
187 Romane eingereicht
Für den seit 2005 vergebenen Deutschen Buchpreis, der den besten deutschsprachigen Roman des Jahres würdigt, hatten in diesem Jahr 120 Verlage 187 Romane eingereicht, so viele wie noch nie. Außerdem haben die sieben Jurymitglieder von sich aus weitere Romane einbezogen, so dass insgesamt 206 Titel gesichtet wurden, die zwischen Oktober 2019 und dem 15. September 2020 erschienen sind oder noch erscheinen. Weitere Nominierte sind u.a. Bov Bjerg, Arno Camenisch, Dorothee Elmiger, Thomas Hettche, Leif Randt, Anne Weber und Frank Witzel, der Buchpreisträger des Jahres 2015.
"Im Gegensatz zur Lektüre der Nachrichten der vergangenen Monate bot die Beschäftigung mit den über 200 eingereichten Titeln vielfältige Lichtblicke", ließ Jurysprecherin Hanna Engelmeier in einem Statement verlauten. "Der Jury eröffnete sich ein Panorama von überwiegend realistisch angelegten Romanen. Besonders viele Romane nutzen das (auto)biographische Erzählen, stark vertreten sind zudem Titel, die sich mit historischen Themen auseinandersetzen. Die Longlist spiegelt diese Schwerpunkte wider, greift aber zusätzlich Romane auf, die sich jüngeren identitätspolitischen Debatten widmen. Es freut uns, dass auch Bücher vertreten sind, die die Form des Romans aufbrechen und mit ihr experimentieren. Die Longlist repräsentiert so nicht nur eine Vielfalt von Themen, sondern auch die Vielfalt poetischer Ausdrucksformen dieser Saison."
Die weiteren Jury-Mitglieder sind die Literaturredakteure Katharina Borchardt, Felix Stephan und David Hugendick, die Literaturvermittlerin Chris Möller sowie die Buchhändlerinnen Maria-Christina Piwowarski und Denise Zumbrunnen. Die Shortlist mit den sechs Finalisten wird am 15. September veröffentlicht. Die Preisverleihung findet heuer coronabedingt ohne Publikum am 12. Oktober im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Sie wird via Livestream übertragen. Der Sieger erhält 25.000 Euro, die fünf Finalisten jeweils 2.500 Euro. (APA)
Deutscher Buchpreis 2020: Die Longlist
- Helena Adler, Die Infantin trägt den Scheitel links (Jung und Jung, Februar 2020)
- Birgit Birnbacher, Ich an meiner Seite (Paul Zsolnay, März 2020)
- Bov Bjerg, Serpentinen (Claassen, Januar 2020)
- Arno Camenisch, Goldene Jahre (Engeler, Mai 2020)
- Roman Ehrlich, Malé (S. Fischer, September 2020)
- Dorothee Elmiger, Aus der Zuckerfabrik (Carl Hanser, August 2020)
- Valerie Fritsch, Herzklappen von Johnson & Johnson (Suhrkamp, Februar 2020)
- Thomas Hettche, Herzfaden (Kiepenheuer & Witsch, September 2020)
- Charles Lewinsky, Der Halbbart (Diogenes, August 2020)
- Deniz Ohde, Streulicht (Suhrkamp, August 2020)
- Leif Randt, Allegro Pastell (Kiepenheuer & Witsch, März 2020)
- Stephan Roiss, Triceratops (Kremayr & Scheriau, August 2020)
- Robert Seethaler, Der letzte Satz (Hanser Berlin, August 2020)
- Eva Sichelschmidt, Bis wieder einer weint (Rowohlt Hundert Augen, Januar 2020)
- Anne Weber, Annette, ein Heldinnenepos (Matthes & Seitz Berlin, Februar 2020)
- Olivia Wenzel, 1000 Serpentinen Angst (S. Fischer, März 2020)
- Frank Witzel, Inniger Schiffbruch (Matthes & Seitz Berlin, Februar 2020)
- Iris Wolff, Die Unschärfe der Welt (Klett-Cotta, August 2020)
- Jens Wonneberger, Mission Pflaumenbaum (Müry Salzmann, Oktober 2019)
- Christine Wunnicke, Die Dame mit der bemalten Hand (Berenberg, August 2020)