US-Wahl 2020

"Zutiefst anständiger Mann": Biden will als Gegenentwurf zu Trump überzeugen

Joe Biden will ins Weiße Haus, an seiner Seite soll Kamala Harris Vizepräsidentin werden.
© MANDEL NGAN

Ex-US-Vizepräsident Joe Biden sticht weniger durch eine pointierte Agenda hervor als durch seinen Charakter, der als komplettes Gegenteil von US-Präsident Donald Trump dargestellt wird. Biden sei ein "zutiefst anständiger Mann", sagte etwa Barack Obamas Frau Michelle.

Washington – Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten war Polit-Veteran Joe Biden fast schon abgeschrieben. Dann gelang ihm bei den Vorwahlen ein fulminantes Comeback. Nun haben die Demokraten den 77-Jährigen offiziell als Kandidaten nominiert, der am 3. November gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump antreten soll. Umfragen sehen den Ex-Vizepräsidenten derzeit vor dem US-Präsidenten.

Der Weg in die Politik

Biden wurde am 20. November 1942 in Scranton im Bundesstaat Pennsylvania geboren. Der Jurist begann seine Politiker-Karriere im Stadtrat von Wilmington (Delaware), wo er heute mit seiner zweiten Ehefrau Jill lebt. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Ashley Blazer. Im Alter von nur 29 Jahren wurde Biden 1972 in den US-Senat gewählt.

Der erste Schicksalsschlag

Der Triumph bei der Senatswahl 1972 wurde von einer Tragödie überschattet, als Bidens erste Ehefrau Neilia und die gemeinsame Tochter Naomi bei einem Autounfall getötet wurden. Die Söhne Beau und Hunter wurden verletzt. "Was mich gerettet hat, waren wirklich meine Jungs", sagte Biden kürzlich in einem Interview. Über seinen ältesten Sohn Beau sagt Biden, dieser hätte eines Tages für das Präsidentenamt kandidieren können.

Was Biden einen Sinn gegeben hat

Doch es kam zu einem weiteren Schicksalsschlag: 2015 starb Beau an den Folgen eines Hirntumors. Kurz vor seinem Tod habe Beau zu Biden gesagt: "Dad, du musst mir versprechen, dass es dir gut gehen wird", erinnert sich Biden. Er habe gewusst, was Beau damit gemeint habe: Er sei besorgt gewesen, dass er allem den Rücken kehren würde, für das er in seinem Leben gearbeitet habe. Das Versprechen an Beau habe seinem Leben einen Sinn gegeben.

Über seinen Sohn lernte Biden auch seine Vize-Kandidatin kennen - und es war Beaus Meinung über Kamala Harris, die bei seiner Entscheidung eine gewichtige Rolle spielte. Die beiden Juristen waren befreundet, als sie Generalstaatsanwälte und Justizminister waren – Harris in Kalifornien, Beau Biden in Delaware.

Bidens jüngerer Sohn Hunter lebte unstet. Seine Geschäfte in der Ukraine brachten Biden im vergangenen Jahr in Erklärungsnot. Trump wirft Biden vor, einst als US-Vizepräsident versucht zu haben, seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Mittlerweile lebt Hunter Biden in Kalifornien und arbeitet als Künstler.

Der Weg ins Weiße Haus

Im US-Senat vertrat Biden den Bundesstaat Delaware, bis er 2009 mit Trumps Vorgänger Barack Obama ins Weiße Haus einzog. Auf Bidens Wahlkampfseite heißt es unter einem Bild Obamas und Bidens: "Ein Kandidat für die Vizepräsidentschaft wird zu einem Freund fürs Leben." 1988 und 2008 hatte sich Biden selber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten beworben - ohne Erfolg. Nun unternimmt er den womöglich letzten Anlauf, doch noch vom Oval Office aus die USA zu regieren.

Gegenentwurf zu Trump

Es sind die Charakterzüge Bidens, die die Demokraten im diesjährigen Wahlkampf herausstellen – und die ihn in krassem Kontrast zu seinem Rivalen Trump erscheinen lassen. Die frühere First Lady Michelle Obama sagte diese Woche, Biden sei ein "zutiefst anständiger Mann", er höre zu, werde die Wahrheit sagen und der Wissenschaft vertrauen. Vize-Kandidatin Harris sagte über den 77-Jährigen: "Er ist jemand, dessen erste Reaktion, wenn es hart wird, ist, nie an sich zu denken, sondern sich um alle anderen zu kümmern." Herausgestellt wird auch Bidens politische Erfahrung.

Gegner werfen Trump immer wieder vor, das Gegenteil von alldem zu sein. Sollte Biden gewinnen, steht schon jetzt fest: Sein Erfolg dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass er auf ganzer Linie ein Gegenentwurf zum Amtsinhaber ist.

📽️ Video | Biden zum Kandidat nominiert

Die wichtigsten Stationen im Leben von Joe Biden

Beim Parteitag seiner US-Demokraten ist Joe Biden offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden. Der frühere Vizepräsident blickt auf eine lange Politik-Karriere mit vielen Höhen und Tiefen zurück – und erlebte immer wieder private Tragödien.

1942

Joseph Robinette Biden Jr. kommt am 20. November in Scranton im Bundesstaat Pennsylvania auf die Welt. Weil sein Vater Schwierigkeiten hat, Arbeit zu finden, zieht die Familie später in den Bundesstaat Delaware, bis heute Bidens Heimat.

1966

Biden, zu diesem Zeitpunkt Jusstudent an der Syracuse-Universität im Bundesstaat New York, heiratet seine erste Frau Neilia Hunter. Gemeinsam bekommt das Ehepaar in den kommenden Jahren drei Kinder.

1970

Der Anwalt Biden geht in die Politik und wird in seiner Heimat in den Bezirksrat gewählt.

1972

Mit nur 29 Jahren wird Biden als einer der jüngsten Politiker der Geschichte in den US-Senat gewählt. Wenige Wochen später sterben seine Frau und seine Tochter Naomi bei einem Autounfall bei Weihnachtseinkäufen, seine beiden Söhne Beau und Hunter überleben schwer verletzt.

1973

Biden überlegt, seine politische Karriere auf Eis zu legen, tritt dann aber doch das Amt des Senators an. In den folgenden Jahrzehnten wird er sechs Mal wiedergewählt, 36 Jahre gehört er der Kongresskammer an.

1977

Biden heiratet in zweiter Ehe die Lehrerin Jill Jacobs. Das Paar hat eine gemeinsame Tochter, Ashley.

1987

Im Jahr vor der Präsidentschaftswahl 1988 bewirbt sich Biden um die Kandidatur der Demokraten, steigt aber früh aus dem Rennen aus.

2008

Biden bewirbt sich erneut um die Präsidentschaftskandidatur – wieder erfolglos. Vorwahlsieger Barack Obama macht ihn aber zu seinem Vize-Kandidaten. Gemeinsam gewinnen sie am 4. November die Präsidentschaftswahl gegen das republikanische Duo John McCain und Sarah Palin.

2009

Biden tritt am 20. Jänner das Amt des Vizepräsidenten an. Acht Jahre wird er Obama, dem ersten schwarzen Präsidenten der US-Geschichte, als Stellvertreter dienen.

2012

Obama und Biden werden für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.

2015

Bidens Sohn Beau stirbt an einem Hirntumor – ein weiterer Schicksalsschlag im Leben des gläubigen Katholiken. Biden entscheidet sich in der Folge, keine Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 2016 anzustreben.

2019

Im April steigt Biden in das Bewerberrennen der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 2020 ein. Er nimmt rasch eine Favoritenrolle ein, schneidet in ersten Fernsehdebatten aber schlecht ab.

2020

Nach mehreren Vorwahlniederlagen kann Biden das Blatt schließlich wenden und gewinnt immer mehr Bundesstaaten. Im April wirft mit dem linksgerichteten Senator Bernie Sanders sein letzter Rivale das Handtuch. Am 11. August macht Biden die schwarze Senatorin Kamala Harris zu seinem sogenannten Running Mate. Am 18. August wird der 77-Jährige beim Nominierungsparteitag der Demokraten offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gewählt.