Innsbrucker Mediziner bestätigen Marker für effizientere Herz-Kreislauf-Studien
Mit der Analyse von Daten aus 119 klinischen Studien und über 100.000 Probanden weltweit gelang es Innsbrucker Wissenschaftlern, die Gefäßwanddicke der Halsschlagader als sicheren Surrogatmarker zu bestätigen. Damit lässt sich die Durchführung von Wirksamkeitsstudien vereinfachen und optimieren.
Innsbruck – In klinischen Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird geprüft, ob das Risiko für diese Erkrankungen durch medizinische Interventionen – wie die Gabe eines Medikamentes – gesenkt werden kann. Dabei können sogenannte Surrogatmarker hilfreich sein, um abzuschätzen, ob und inwieweit die Interventionen das Risiko reduzieren.
Im Fachmagazin Circulation zeigen Innsbrucker Epidemiologen nun die Gültigkeit der Intima-Media-Dicke (IMD) als Surrogatmarker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eindeutig auf: Je geringer die Zunahme der IMD ist, desto geringer ist auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Intima Media Dicke
Die Messung der Intima-Media-Dicke (IMD) im hochauflösenden Ultraschall ist eine sehr gut geeignete Methode, um das Arteriosklerose-Risiko zu bestimmen, da diese gut mit dem Zustand des Gefäßsystems korreliert.
- Die Intima-Media-Dicke bestimmt das Verhältnis der inneren und mittleren Gefäßwanddicke. Gemessen wird an der A. carotis communis (Halsschlagader) kurz unterhalb ihrer Gabelung.
- Als Normwert gilt eine IMD bis 0,7 mm. Bei Werten der Intima-Media-Dicke ab 0,8 mm besteht ein erhöhtes Arteriosklerose-Risiko mit einer Gefährdung hinsichtlich Herzinfarkt und Schlaganfall.
Breiter Forschungsansatz
Für ihre Meta-Analyse haben Peter Willeit und Lena Tschiderer von der Univ.-Klinik für Neurologie an der Medizin Uni Innsbruck gemeinsam mit ihrem Team für klinische Epidemiologie und weiteren Kollegen vom Universitätsklinikum Frankfurt einen breiten Ansatz gewählt: „Zur IMD als Surrogatmarker gab es bislang kaum umfassende und methodisch einwandfreie Auswertungen.“
Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, haben die Innsbrucker Wissenschaftler in ihrer Analyse eine Vielzahl internationaler Studien – darunter Primär- und Sekundärpräventionsstudien, ältere und aktuelle Studien bis Februar 2020 – einbezogen, die alle auf den Effekt therapeutischer Interventionen auf die IMD bzw. auf die Senkung des kardiovaskulären Risikos ausgerichtet waren. „Auch eine breite Palette unterschiedlicher Interventionen, wie blutdrucksenkende Medikamente, Statine und Anti-Diabetika wurde berücksichtigt“, so Willeit.
Surrogatmarker
➤ Surrogatmarker sind Messwerte in Studien, die dann erfasst werden, wenn die Zielvariablen nicht gut operationalisierbar sind, sich schlecht oder nur mit erheblichem Aufwand messen lassen oder erst nach langer Latenz auftreten.
➤ Die Mindestvoraussetzung an einen Surrogatmarker ist die, dass zwischen ihm und eines möglichen Phänomens bereits ein statistisch signifikanter Zusammenhang besteht. Dabei ist der Surrogat-Marker häufig einfacher und schneller zu bestimmen als das Phänomen selbst und wird daher oft aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bevorzugt.
➤ Es kann auch vorkommen, dass das interessierende Phänomen überhaupt nicht messbar ist, sondern nur durch Surrogat-Marker erfasst werden kann. Sowohl das Phänomen als auch der Surrogat-Marker können als sogenannte Endpunkte der Studie definiert werden, also als Zielgrößen, anhand derer das Studienergebnis interpretiert und gewertet wird.
➤ Die Messbarmachung biologischer (und anderer) Phänomene bezeichnet man als Operationalisierung. (Konkretisierung theoretischer Begriffe und Hypothesen durch Angabe beobachtbarer und messbarer Ereignisse)
Anwendung
- Ein Surrogatmarker ist in klinischen Studien ein Messwert, dessen Beeinflussung die therapeutische Wirkung einer Intervention anzeigt. Voraussetzung ist ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Surrogatmarker und Response.
- Die Anwendung ist sinnvoll, wenn eine kurzfristige Veränderung des Surrogatmarkers eine langfristige therapeutische Wirkung anzeigt, z. B. bei der Messung von Blutfettwerten als Outcome für Herzinfarktrisiko, Schlaganfallrisiko oder Lebenserwartung.
(Quelle: Pschyrembel)
Der Nutzen des Surrogatmarkers IMD für das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnte laut Willeit in der aktuellen Meta-Analyse nicht zuletzt durch die Etablierung innovativer statistischer Methoden belegt werden.
So wurden die Daten mittels komplexer Methoden aus der Bayes’schen Statistik ausgewertet. „Wir stellten fest, dass sich die IMD als Surrogatmarker für verschiedene Arten von Interventionen eignet“, erläutert Tschiderer.
Diese Erkenntnis habe den Mehrwert, dass klinische Studien, die die IMD als Surrogatmarker verwenden, rascher und auch in kleinerem Umfang effizient durchführbar seien. Der Effekt eines neuen Medikaments könne damit schneller überprüft werden. (TT.com)