Studie: Österreicher wissen zu wenig über ihre Grundrechte
Für die Studie zum Grundrechtswissen in der österreichischen Bevölkerung wurden 504 Personen befragt. Auf die Frage "Was ist ein Grundrecht?" gaben nur vier Prozent eine Antwort, die annähernd dem Wortlaut der Verfassung entspricht.
Wien – Die Österreicher wissen zu wenig über ihre Grundrechte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Mittwoch in der Sigmund-Freud-Privatuniversität präsentiert wurde. Die Studienautoren sowie Vertreter von Richtern und Anwälten fordern mehr Bildung und Aufklärung.
Für die Studie zum Grundrechtswissen in der österreichischen Bevölkerung wurden 504 Personen ab 14 Jahren online, über einen Papierfragebogen oder in einem persönlichen Interview auf der Straße abgefragt. Auf die Frage "Was ist ein Grundrecht?" gaben nur vier Prozent eine Antwort, die annähernd dem Wortlaut der Verfassung entspreche, erklärte der Rechtssoziologe Robert Rothmann, der die Studie gemeinsam mit Konrad Lachmayer, einem Professor an der Sigmund-Freud-Privatuniversität, durchführte.
Grundrechte in Österreich
Eine neue Webseite, die von denStudienautoren am Mittwoch ins Leben gerufen wurde soll Transparenz schaffen.
▶️ Lachmayer: "Je nach Zählweise kommt man auf 60 bis 80.
Konrad Lachmayer und Robert Rothmann haben die Grundrechte auf 62 Rechte zusammengefasst. Man könne diese aber auch stärker ausdifferenzieren.
§ Auflistung aller 62 Grundrechte: www.grundrechte.at.
Diffuse Vorstellung von Grundrechten
Weitere acht Prozent lieferten eine allgemeine Beschreibung mit Verweis auf die Verfassung, den Staat oder die Eigenschaften von Grundrechten als höherwertige Rechte. Eine überwiegende Mehrheit von 59 Prozent habe aber eine diffuse Vorstellung von Grundrechten ohne Staats- und Verfassungsbezug. In dieser Gruppe fielen Aussagen wie "Rechte, die jeder Mensch hat" oder "Rechte, die allen Menschen, auf der ganzen Welt" zustehen.
Auf die Frage, welche Grundrechte die Befragten kennen, konnten diese im Schnitt nur zwei bis drei nennen. Immerhin knapp die Hälfte (48 Prozent) nannte das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit. 31 Prozent gaben Glaubens-, Gewissens- bzw. Religionsfreiheit an. An dritter Stelle folgte eine Gruppe sozialer Grundrechte wie Recht auf Nahrung, Wasser oder Gesundheitsversorgung. Diese Rechte werden in Österreich jedoch nicht von der Bundesverfassung garantiert.
📽️ Grundrechte in Österreich
Nicht überraschend waren die Ergebnisse für die Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung, Sabine Matejka. "Das ist das, was ich täglich wahrnehme." Sie ortet große Wissenslücken über rechtsstaatliches Wissen an sich. In erste Linie sieht Matejka die Schule gefordert. Junge Menschen müssten die Grundzüge der Rechtsordnung vermittelt bekommen. Es reiche nicht aus zu wissen, welche Grundrechte es gibt. "Eine Demokratie braucht mündige Menschen, die ihre Rechte kennen und wissen, wie man sie durchsetzt."
In diesem Zusammenhang machte sie auf die Grundrechtseingriffe in der Corona-Pandemie aufmerksam. Es sei wichtig, ein Verständnis darüber zu vermitteln, welche Eingriffe verhältnismäßig und daher zu rechtfertigen seien und welche nicht. Wem dieses Verständnis fehle, der werde leicht Opfer von Falschinformationen oder Verschwörungstheorien. "Wer selbst nicht objektiv beurteilen kann, der wird beeinflussbar" von Staatsverweigerern oder Populisten, mahnte die Präsidentin der Richtervereinigung.
Kein kompakter Grundrechtskatalog
Ein Problem ist die mangelnde Transparenz von Grundrechten in Österreich. Sie stehen nicht in einem einzigen Dokument, wie das etwa im deutschen Grundgesetz der Fall ist. Die Rechte sind auf 13 verschiedene Gesetze im Verfassungsrang verstreut. Die prominentesten davon sind das Bundesverfassungsgesetz (B-VG), das Staatsgrundgesetz (StGG) oder die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).
Es sei ein "österreichisches Spezifikum, das es keinen kompakten Grundrechtskatalog" gebe. Ein Grund dafür sei, dass sich die beiden großen Parteien im Jahr 1920 (als das B-VG in Kraft trat) nicht auf einen kompakten Grundrechtskatalog einigen konnten. Insbesondere soziale Grundrechte seien damals ein Streitpunkt gewesen. Allerdings relativierte die ehemalige Bundeskanzlerin und Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Brigitte Bierlein, dieses Problem: "Der beste Katalog bringt nichts, wenn das Wissen nicht vorhanden ist." (APA)