Mit Trump wankt auch die republikanische Mehrheit im Senat
Das Abgeordnetenhaus wird am 3. November zur Gänze neu gewählt, der Senat zu gut einem Drittel. Während die Demokraten ihre Mehrheit in der größeren Parlamentskammer wohl behalten und vielleicht sogar ausbauen werden, ist das Rennen um die Kontrolle des Senats enger.
Washington – Bei der US-Wahl am 3. November richtet sich das Augenmerk ganz auf das Rennen um das Weiße Haus. Aber auch in der ältesten Demokratie der Welt ist die Volksvertretung das politische Entscheidungszentrum, und dieses wird parallel zum Präsidenten neu gewählt. Mit Amtsinhaber Donald Trump wankt dabei auch die republikanische Mehrheit im Senat. Fällt auch sie, könnten die Demokraten von Trumps Herausforderer Joe Biden zwei Jahre lang "durchregieren".
Die Oppositionspartei hatte bereits vor zwei Jahren bei der Zwischenwahl eine klare Mehrheit in der Abgeordnetenkammer erobert und stellt 232 der 435 Parlamentarier im Unterhaus des US-Kongresses. Im Senat haben Trumps Republikaner aber weiterhin 53 der 100 Sitze. Im Gesetzgebungsprozess sind die beiden Parlamentskammern gleichberechtigt, doch ist der Senat wegen seiner Rolle bei Personalentscheidungen einflussreicher. Alle Ernennungen des Präsidenten – aktuell etwa jene einer neuen Höchstrichterin – müssen vom Senat bestätigt werden.
Reicht es für politischen Umsturz?
Das Abgeordnetenhaus wird am 3. November zur Gänze neu gewählt, der Senat zu gut einem Drittel. Während die Demokraten ihre Mehrheit in der größeren Parlamentskammer wohl behalten und vielleicht sogar ausbauen werden, ist das Rennen um die Kontrolle des Senats enger. Die Demokraten dürften wohl Boden gut machen, doch ob es für einen politischen Umsturz reicht, ist nicht sicher. Die Statistikseite Fivethirtyeight sieht eine 74-prozentige Chance, dass der Senat künftig einen demokratischen Mehrheitsführer haben wird, verglichen mit 95 Prozent im Fall des Abgeordnetenhauses.
So wie sich die Präsidentenwahl in wenigen umkämpften Staaten entscheidet, ist nur eine Handvoll Senatsrennen politisch interessant. Die sechsjährige Mandatsperiode beschert den jeweiligen Amtsinhabern einen großen Startvorteil gegenüber ihren Herausforderern. Als "verwundbar" gelten vor allem Senatoren, die sich erstmals der Wiederwahl stellen. Die große Ausnahme ist heuer die Republikanerin Susan Collins. Obwohl sie seit 1997 für den Ostküstenstaat Maine im Senat sitzt, ist sie in den Umfragen der Underdog. Zu schaffen macht ihr die Anti-Trump-Stimmung im liberalen Staat, und mit der regionalen Parlamentspräsidentin Sara Gideon fordert sie ein politisches Schwergewicht heraus.
Ebenfalls zu kämpfen hat in den Umfragen der führende republikanische Senator Lindsey Graham, der als Vorsitzender des Justizausschusses eine wichtige Rolle dabei spielte, juristisches Ungemach vom Präsidenten fernzuhalten. Graham ist damit zur Hassfigur der Trump-Gegner geworden. Beobachter halten es trotzdem für unwahrscheinlich, dass der seit 2003 amtierende Republikaner seinem afroamerikanischen Herausforderer Jaime Harrison unterliegt, weil South Carolina als verlässlicher "roter Staat" gilt.
Ihre einzige realistische Chance auf einen zusätzlichen Senatorenposten haben die Republikaner im erzkonservativen Südstaat Alabama, der nur durch einen politischen Betriebsunfall einen demokratischen Senator bekommen hat. Doug Jones setzte sich bei der Wahl 2017 gegen den Republikaner Roy Moore durch, den Missbrauchsvorwürfe politisch untragbar gemacht hatten. Nun liegt Jones in den Umfragen deutlich hinter seinem Herausforderer, den Ex-Football-Coach Tommy Tuberville.
North Carolina und Iowa könnten entscheiden
Doch sind mehrere republikanische Senatoren in einer ähnlichen Situation wie Jones. Im eindeutig "blauen" Staat Colorado werden Senator Cory Gardner kaum Chancen auf eine zweite Amtszeit gegeben, wird er doch vom beliebten früheren Gouverneur John Hickenlooper herausgefordert. Im etwas konservativeren Arizona hat Senatorin Martha McSally geradezu außerirdische Konkurrenz: Die Demokraten schicken nämlich den früheren Astronauten Mark Kelly ins Rennen. McSally haftet zudem der Nimbus der Wahlverliererin an. Bei der Senatswahl 2018 zog sie nämlich den Kürzeren gegen die Demokratin Kyrsten Sinema, wurde dann aber vom republikanischen Gouverneur Arizonas flugs zur interimistischen Nachfolgerin des kurz vor der Wahl verstorbenen legendären Senators John McCain bestimmt.
Sollten die Demokraten in Maine, Colorado und Arizona gewinnen und in Alabama verlieren, wird der Kampf um die Kontrolle des Senats in North Carolina und Iowa entschieden. Dort sind die Rennen äußerst knapp, was vor allem in Iowa überrascht. Senatorin Joni Ernst sollte nämlich in dem 2016 klar von Trump gewonnenen Staat keine Probleme haben, doch konnten die Demokraten bei der Zwischenwahl 2018 deutlich zulegen und spielen mit der Unternehmerin Theresa Greenfield die Anti-Establishment-Karte. In dem stärker demokratisch tendierenden North Carolina schafft es indes Senator Thom Tillis nicht, seinen demokratischen Kontrahenten Cal Cunningham auf Distanz zu halten, obwohl dieser im Endspurt durch eine außereheliche Affäre in die Defensive geraten ist.
Nervosität bei Republikanern wächst
Sollte der Urnengang tatsächlich zu einem "blauen Tsunami" werden, könnten auch Senatorenposten in jahrzehntelangen republikanischen Hochburgen fallen. Besonders gefährdet ist der Senator von Georgia, David Perdue, dem der politische Aktivist Jon Ossoff auf den Fersen ist. Selbst das tiefrote Montana könnte einen demokratischen US-Senator bekommen. Amtsinhaber Steve Daines kann zwar darauf bauen, dass US-Präsident Trump in seinem Staat populär ist. Doch Daines' Kontrahent ist niemand geringerer als der amtierende Gouverneur, Steve Bullock, der sich mit seinem Krisenmanagement in der Coronakrise viel Ansehen erworben hat. Und liegt Bullock in einem Staat, den Trump 2016 mit 20 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen hat, aktuell in den Umfragen nur knapp hinter Senator Daines.
Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund die Nervosität bei republikanischen Senatoren wächst. Öffentlich äußern sich jedoch nur solche, die nicht zur Wiederwahl stehen oder ihren Sieg schon in der Tasche haben. Etwa Ben Sasse aus Nebraska, der laut Fivethirtyeight eine 99-prozentige Wiederwahl-Chance hat. Er hat jüngst gewarnt, dass Trumps Politik "ein republikanisches Blutbad im Senat" verursachen könnte. Der Rüffel des Präsidenten ließ nicht lange auf sich warten. Sasse sei "eine Belastung für die Republikanische Partei und peinlich für den großen Staat Nebraska", lautete die Tirade. (APA)