Tirol

BBT kündigt Porr-Konsortium Baulos: Tunnelvertrag ist gesprengt

Seit 2009 wird der Brennertunnel vorangetrieben, doch das größte Baulos bremst jetzt den Zeitplan.
© BBT SE

Die Basistunnelgesellschaft steht mit riskanter Neuausschreibung des größten Bauloses zeitlich und finanziell unter Druck. Baugesellschaft Porr kämpft um Prestigeprojekt und will erneut anbieten.

Von Peter Nindler

Innsbruck – Um 1,28 Milliarden Euro wurde das größte Baulos für den Brennerbasistunnel „Pfons-Brenner“ ausgeschrieben. Den Zuschlag für die 37 Kilometer lange Haupttunnelröhre erhielt um 966 Millionen Euro ein Konsortium um die Baugesellschaft Porr. Um satte 314 Millionen unter der ausgeschriebenen Summe. Einsprüche folgten, auch wegen des italienischen Partners des heimischen Bauriesen, der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Condotte. Im März 2018 war die Vergabe dann rechtskräftig, doch kurze Zeit später begannen die Probleme. Schließlich ging es um die Statik der Tunnelschalen – der so genannten Tübbinge.

„Erst bei der vertraglich vereinbarten statistischen Überprüfung nach Unterzeichnung des Vertrags mit der BBT haben wir festgestellt, dass es technisch nicht machbar ist. Wir sind mit unseren Lösungsvorschlägen bis an die Grenzen gegangen. Bei der Ausschreibung wurden die Fehler gemacht“, erklärte gestern Porr-Vorstandschef Karl-Heinz Strauss. Offenbar gab es allerdings nicht nur wegen der Tübbinge Differenzen mit der Basistunnelgesellschaft BBT SE. Die Chemie stimmte einfach nicht, wie es heißt. Alle Versuche einer Einigung, auch durch ein Schlichtungsverfahren, sind letztlich gescheitert. Gestern hat die BBT SE den Vertrag gekündigt, Strauss kündigte bereits rechtliche Schritte dagegen an.

Die Situation ist verworren: Denn die Ausschreibung stellt sich als Mischung aus vorgegebenen Auflagen und funktionalen Vorgaben dar. Was jedoch klar ist: Die Basis­tunnelgesellschaft kann Sicherheitsrisiken nicht auf die Porr übertragen. Die Auftragnehmer mussten sich auf die technischen Voraussetzungen verlassen, schließlich hatte die BBT SE dafür umfangreiche Erkundigungen (Probestollen) durchgeführt. „In der Angebotsphase gingen wir selbstverständlich davon aus, dass die BBT weiß, was sie ausgeschrieben hat“, sagt denn auch Karl-Heinz Strauss.

Die Porr kämpft deshalb „leistungsbereit“ weiter um das Prestigeprojekt und um ihren Ruf im weltweiten Tunnelbau. Deshalb steht Strauss seinerseits massiv unter Druck. Einen Verlust des milliardenschweren Abschnitts „Pfons-Brenner“ kann er sich eigentlich nicht leisten. Nach außen hin gibt sich Strauss dennoch gelassen, „die Kündigung regt uns nicht auf“. Aber, so fügt er hinzu: „So etwas kann dem Ruf und der Reputation der Porr schaden.“ Wohl auch seinem.

Im angekündigten Rechtsstreit wird die Porr ihre Ansprüche geltend machen – vor allem den Gewinnentgang. Spannend wird deshalb nicht nur sein, wie die BBT SE die Vertragskündigung begründet, sondern wie sie die Neuausschreibung aufsetzt. Aus Sicht der Tunnelgesellschaft kann sie nur ident mit jener aus dem Jahr 2016 sein, ansonsten würde sie ja die Ansicht der Porr bestätigen. Die Porr dürfte jedenfalls erneut ein Angebot abliefern. „Wir werden uns wahrscheinlich an einer Neuausschreibung des Bauloses ,Pfons-Brenner‘ wieder beteiligen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Neuausschreibung wieder 40 Zentimeter starke Tübbinge enthält“, erklärt der Vorstandsvorsitzende.

Was bedeutet die neuerliche Ausschreibung für den Basistunnel? Bis zum neuerlichen Zuschlag dürfte mindestens ein Jahr vergehen, die maßgeschneiderte Bestellung der vier Tunnelbohrmaschinen verzögert sich weiter, die Kosten für das Baulos werden nach vier Jahren wohl deutlich über den vergebenen 966 Millionen Euro liegen.

Ohne (zeitliche) Optimierung bei den anderen Baulosen dürfte die Inbetriebnahme des Brennertunnels dann nicht vor 2037 erfolgen.

Politik erwartet sich optimierten Zeitplan

Innsbruck – Die Landespolitik sitzt im Streit um den Brennerbasistunnel (BBT) erste Reihe fußfrei: „Der Basistunnel und seine Zulaufstrecken sind und bleiben das Herzstück unserer Verlagerungspolitik am Brennerkorridor. Die Entscheidung, den Bauvertrag ,Pfons-Brenner‘ aufzulösen, liegt in der operativen Verantwortung des BBT-Vorstands“, betonen die Landeshauptleute von Tirol und Südtirol, Günther Platter und Arno Kompatscher.

Von der Tunnelgesellschaft erwarten sie sich jetzt aber rasch Klarheit und einen konkreten Zeitplan, wie es weitergeht. „Von der BBT SE muss nun alles unternommen werden, um den bereits eingetretenen Verzögerungen durch einen optimierten Bauzeitplan entgegenzuwirken.“ Der Tunnel müsse „so schnell und effizient wie möglich finalisiert werden, um die transitgeplagte Tiroler und Südtiroler Bevölkerung zu entlasten“, erklären Günther Platter und Arno Kompatscher abschließend.

Vertrauensverlust und Streit um Tunnelschalen

Innsbruck – Die Basistunnelgesellschaft BBT SE hielt am Mittwoch ausdrücklich fest, dass es sich nicht um Probleme technischer Natur, wie das angesprochene Tübbingsystem, handelt. „Hauptgrund für die Vertragsauflösung sind die endgültige Leistungsverweigerung und Leistungsverzögerungen in mehreren zentralen vertraglichen Punkten und der nunmehr eingetretene Vertrauensverlust“, erklärten die beiden Vorstände Martin Gradnitzer und Gilberto Cardola.

Bereits seit der endgültigen Auftragsvergabe würden große Auffassungsunterschiede im Zusammenhang mit der Leistungserbringung bestehen, heißt es von der BBT SE. Um schnellstmöglich den Weiterbau beim Brennerbasistunnel sicherzustellen, sei bereits eine vertiefende Analyse des Gesamtprojekts zum Zweck der ehestmöglichen Neuausschreibung in die Wege geleitet worden.

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