(Back-)Pfeifen für die Verfolgsverwöhnte: Das war die dritte „Bachelorette“-Folge
Die aktuelle Staffel zieht sich wie Kaugummi. Aber niemand klebt so sehr an der „Bachelorette“ wie Ioannis. Das führt zu ersten griechischen Gotteslästereien – der Männervillasegen hängt mächtig schief. Melissa wird gemästet, bricht plötzlich Füße statt Herzen und so langsam kristallisiert sich heraus, wer von den Dödeln den längsten ... Atem hat. Eine TV-Kritik.
Von Tamara Stocker
Innsbruck – Ich weiß ja gar nicht, was mich zur Zeit mehr langweilt. Michael Wendlers seit Tagen verwaister Telegram-Verschwörungskanal oder diese ganzen Schwörenöter der aktuellen „Bachelorette“-Staffel, die jedes Mal aufs Neue beteuern, in diesem Bumsformat nach der wahren Liebe zu suchen und nicht die weißgebissigen Rabattcodeschleudern von morgen werden zu wollen.
Wobei es mich ja schon (positiv) überrascht, wen es da bisher so aus dem Liebeskarussell herausgeschleudert hat. Bisher hat Melissa nämlich alle offensichtlichen und quotenbringenden Hohlfritten rigoros aussortiert – was für RTL'sche Drehbuch-Verhältnisse schon sehr untypisch ist. Aber keine Sorge, es gibt ihn noch. Diesen einen Kandidaten mit dem Charme eines stalkingaffinen Staubsaugervertreters, bei dem man als Zuschauer immerzu den Drang verspürt, in die Fernbedienung beißen zu wollen, weil die Schnittblumendame sich ständig von dessen toxizitätstriefenden, warmschmalzigen Schwadronagen einlullen lässt. Aber dazu später mehr.
Backrobatik beim Speed-Dinner-Dating
Noch im Rennen sind jedenfalls 15 flatterhafte Junggesellen und ein flauschiger Esel, dem Melissa zu Beginn der Folge zeitschinderweise lasziv lächelnd den Rücken krault. Also von mir aus können wir die Staffel an dieser Stelle beenden, weil erotischer wird's definitiv nicht mehr. Aber auf mich hört ja wie immer niemand.
Stattdessen folgen Saverio, Angelo, Ioannis und Leander dem Balzruf der „Bachelorette“ und tänzeln artig zum nachmittäglichen Gruppendate an. Melissa hat ordentlich Beziehunger, weshalb das Quartett ihr unter Zeitdruck und ohne Rezept einen viergängigen Schmankerlschmaus zaubern muss. Die Arschmenükarte hat Leander gezogen, der ein Bananenbrot kredenzen soll, aber scheinbar Staffel 1 von Covid-19 komplett verpennt hat. So kann man die Instagram-Credibility der potenziellen Husbands natürlich auch testen. I see what you did there, Melissa.
Das Warten darauf, ob die Backpfeife das Bananenbrot doch noch gebacken kriegt, war im Übrigen der spannendste Moment in der bisherigen Staffel. Und ich habe ehrlich gesagt wenig Hoffnung, dass das noch getoppt werden kann. Für Angelo jedenfalls ist es ein „Gänsehautmoment", als Leander das Messer an der Kruste ansetzt. „Das sieht voll creamy aus", ist auch Melissa voll des Lobes, als hätte ein Hundewelpe gerade sein erstes Häufchen im Wald vollendet. Für mich sah das eher nach nicht ganz durchgebacken aus, aber Melissas (Männer-)Geschmack ist ja ohnehin sehr ... divers.
Warum es mit ihren verflossenen Italo-Boys Pietro und Danilo nicht geklappt hat, ist spätestens klar, als sie schmollend vor ihrem Nudelteller kauert und dem ebenfalls stiefellandstämmigen Saverio beichtet, dass sie ihre Spaghetti immer schneidet. MAMMA MIA! Hört ihr das auch? Irgendwo ist gerade ein Italiener unter akutem Bluthochdruck vom Stuhl geplumpst.
Brechreiz-Alarm hoch 2394873495
Ihre eigenen Geschmacksnerven strapaziert Melissa hingegen, als sie sich Angelos weltbekannte Feigen im Senfmantel in die Mundhöhle schiebt. „Da ist es mir irgendwie vergangen." Seine Rechtfertigung für diese unstimmige Senfonie ist maximal nachvollziehbar: „Feigensenf gibt es ja auch." Dabei hatte er doch zuvor von ihr so tolles Feedback für seine üppig drapierte Antipasti-Platte eingeheimst: „Das sieht voll schön aus. Das hätte ich jetzt nicht erwartet." Ist ja auch echt eine Challenge, Oliven aus einem Glas zu schaufeln und auf ein Holzbrett zu packen. Ganz zu schweigen von den schinkengarnierten Honigmelonenstücken. Da kann man ruhig mal klatschen.
Nicht minder herausragend ist Ioannis' Meisterleistung, geschnippeltes Gemüse und Feta in eine Schüssel zu pfeffern. „Ist mit Liebe gewürzt, schmeckst du's nicht?", will er von Melissa wissen und alles, was ich wissen will, ist, wo RTL den gottverdammten Kotzkübel versteckt hat. Den werde ich heute wahrscheinlich noch öfter brauchen – denn zu allem Übel darf der im Gyrosland Geborene auch noch den Abend mit ihr verbringen, während die anderen drei Superduperköche abdampfen müssen.
Und wirklich: Dieses griechische Schmierentheater ist kaum auszuhalten. Ein paar Kostproben gefällig?
- „Ich habe das getan, was jeder Mann tun würde – in meinem Fall noch ein bisschen mehr, weil es ist halt Melissa." (Ja, jede Frau findet's ultrageil, wie ein dreijähriges Kind über einen Schotterweg geleitet und überall angetatscht zu werden, weil sie offenbar zu dumm ist, fünf Meter alleine zu gehen)
- „Du bist einfach zu schön um wahr zu sein – und das ist das Problem." (Ich seh' hier eigentlich nur einen Problemfall)
- „Meine Tante hat mich hier angemeldet, weil ich nie eine Frau an mich ranlasse." – (Pick-Up-Artist-Lehrbuch, Lektion 1; und überhaupt: Wer so eine Tante hat, braucht keine Feinde mehr)
- „Sie ist mein Hafen, wo ich ankommen und sagen kann: Okay, lange genug rumgeschifft, jetzt können wir den Anker anlegen." (So kann man natürlich auch vom Schmusekurs abkommen)
- „Ich stecke ja nicht in dir." (Gott bewahre, wir sind in FOLGE DREI!)
- „Ich hätte sie mega-gerne geküsst. Ich wär schon fast in ihr gewesen mit meinen Gedanken." (Na, hoffentlich kriegt sie keine geistigen Geschlechtskrankheiten)
Und was macht Melissa? Die bekommt kein Schleimschleudertrauma, sondern versinkt in Ioannis' Schmalztiegel wie ich in meiner Herbstdepression: „Wir verstehen uns irgendwie blind." Ähm, ja, okay. Blind bist du wirklich. Das Ganze fühlt sich an, wie einer Freundin dabei zuzusehen, wie sie sich schon wieder auf einen Fuckboy einlässt. Wobei, immerhin ist ihr eines noch nicht entgangen: „Ich habe das Gefühl, du bist schon so eifersüchtig und vereinnahmend." JONANED.
Seine Antwort: „Nein, nein Quatsch. Ich beobachte nur gerne. Das wird falsch verstanden.“ Joa, sagen wir mal so: Ein Joe Goldberg hätte seinen kranken Stalkerfetisch nicht blumiger umschreiben können. Leute, ganz ehrlich: Ich würde lieber einen Abend mit Ted Bundy verbringen als mit Ioannis. Das ist so ein Typ Mann, den man sich irgendwann per gerichtlichem Beschluss vom Leib halten muss. Doch anstatt mit einer einstweiligen Verfügung gratifiziert die Verfolgsverwöhnte den creepy Grusel-Griechen schon vorab mit einer Rose. 🆘🆘🆘🆘🆘🆘
Alle kaputt, man bringe neue Kandidaten
Als er damit spätabends selbstgefällig in die Männervilla hereinschneit, wird er sowohl mit kollektiver Missachtung als auch mit Essensentzug gestraft. Mensch, da kommst du von einem Koch-Date, hast den Bauch voller Schmetterlinge und dann lässt dir niemand eine Tupperbox mit Essensresten übrig. Sauerei! Wo ist Gourmet-Guru Emre, wenn man ihn mal braucht? Einzig Räucherstäbchen-Guru Daniel B. pirscht sich an den darbenden Griechen heran und setzt sein Brokerface auf: „Alles gut Bro?" – „Bro? Wo ist mein Bro, der mir was zu essen hier lässt?", faucht der Schmalztiger zurück.
Nur fürs Brotokoll: Unter Führung von Grantelschnauzbart Maurice hat sich in der Männervilla eine Anti-Ioannis-Allianz gebildet: „Ich hoffe, dass sie gleich checkt, was er für ein Typ ist." Spoiler: Sie hat's noch nicht gecheckt. Auch Mamacita-Plärrer Manuel unterrichtet das TV-Publikum darüber, dass Ioannis auf der Beliebtheitsskala nicht gerade weit oben rangiert – in etwa so, wie er selbst bei Melissa. Denn Manuel ist ziemlich pissig, weil er nicht zum Sport-Gruppendate mit darf: „Ich will mich auch mal zeigen, will auch mein Hemd ausziehen." Puh. In diesem Format reiht sich wirklich ein schlimmes Schicksal an das nächste.
Jedenfalls denkt Manuel, er habe Probleme – dabei hat sich Knödelkopf Alex G. beim Kriechen durch den staubig-schlammigen Kindergarten-Hindernisparcours von „Ninja Warrior Kreta" an einer Strippe die Stirn aufgescheuert, irgendwer hat Knieschmerzen vom Reifen-Hieven, ein anderer Beulen und Kratzer, Moritz tut nach einem ungalanten Sturz über eine meterhohe Holzwand die Schulter weh, Zwei-Meter-Schrank Daniel M. hat sich sein zartes Ferschen gebrochen und Drill-Dompteuse Melissa hat sich nicht nur die Stimmbänder wundgekreischt, sondern sich auch noch das Zwerchfell gezerrt, weil Lachen scheinbar die beste Medizin gegen diese ganzen Auas und Wehwehchen ist. Und ich? Ich warte seit Jahren darauf, dass mir RTL endlich Schmerzensgeld überweist und bin erschüttert, dass es den ersten Blaulicht-Einsatz nicht wegen überhöhten Alkoholkonsums gibt.
„Bachelorette“-Folge verpasst?
🌹 TV-Kritik zur ersten Folge: Knutsch-Alarm im Knöchelfrei-Korso
🌹 TV-Kritik zur zweiten Folge: Floralverkehr im Emregency Room
Vom Whirl- in den Ruhepool
Sei es wie es sei: Den Mount Melissa wird so schnell wohl niemand von diesen invaliden Intelligenzpatienten besteigen. Stattdessen besteigt sie den prall bewässerten Jacuzzi mit Moritz, der dort in der Abenddämmerung mit ihr rumdümpeln und „ihr Bein streicheln" darf. Und weil RTL ja sparen muss, sorgt er für das Blubbern im Bottich praktischerweise selbst, als er fröhlich vor sich hin flatulenzt und die Schuld dann spitzbübisch grinsend auf seine Badehose schiebt.
„Wenn jemand furzt, gibt's Ärger" grölt währenddessen jemand in der Männervilla, wo ebenfalls Luft abgelassen wird – und zwar ordentlich. Chill-Leader Daniel B. hat seine Mitbewohner zum Meditationskreis geladen: „No moar toalking, no moar bullschitt, dschast briesing! Dschast fieling. ICH WILL JETZT MAL MAXIMALEN EINSATZ SEHEN!" Wow, so geht Entspannung! Die Atem-WG nimmt den Schreihals beim Wort, allerdings erinnert diese ganze Atmungsphäre eher an einen Geburtsvorbereitungskurs in Tante Inges zwielichtigem Schrebergarten, anders kann ich mir Leanders dramatisches Auf-und-ab-Gekrümme nicht erklären. Wird jedenfalls Zeit, dass er sich endlich mal locker macht und den Stock aus seinem Hintern gebärt:
Die Aufrissexperten sind am Werk
Eine Station früher setzt der nun mit Krücken in der Größe und Optik eines Schwimmbadrutschengeländers ausgestattete Daniel M. bei der Nacht der Rosen an, als er Melissa den Unterschied zwischen Sex und „Fickerei" erklärt. Mit besseren Smalltalk-Skills kommt nur Alex G. um die Hecke, der der „Bachelorette" pseudoerotisch flüsternd die erfolgversprechendsten Pick-Up-Lines des 21. Jahrhunderts entgegenhaucht. Das möchte ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten:
Dieser Dialog ist wirklich das Unangenehmste, das ich seit langem gesehen habe. Und erst vor einer Woche hat ein gewisser Emre Melissa den Nacken abgeleckt. Aber, um es in den Worten von Alex G. himself zu sagen: „Was tut man nicht alles für Amore?" Er jedenfalls hat sich ja beim Hindernisparcours die Stirn blutig geschürft – allerdings beschleicht mich das Gefühl, dass das auch Auswirkungen auf sein geistiges Wohl hatte. Jedenfalls muss im Oberstübchen irgendeine Leitung durchgebrannt sein. Oder warum ertönt aus dem Mund eines Fremdsprachenkorrespondenten statt „Savage Love" plötzlich „Sandwich Love"? Und überhaupt: Ist das noch Fickerei oder geht das schon in Richtung Sex? 🆘🆘🆘🆘🆘🆘
Der am Vorabend noch dem Hungertod nahe „Held vom Erdbeerfeld" Ioannis (© Alex G., again) hat jedenfalls so gar keinen Appetit auf Sandwich und vernascht die „Bachelorette" auf der als Süßigkeiten-Party inszenierten Entscheidungsnacht lieber alleine, obwohl er sich eh schon in die nächste Runde geschleimt hat. Mittlerweile ist er bei Lektion 2 des Pick-Up-Artist-Lehrbuchs angekommen: „Ich stelle mich mal allein in die Ecke, um mich interessant zu machen und frage sie dann, warum sie mich ignoriert.“ Wenig überraschend ist Melissa dem Sog des Arschgriechers mal wieder hilflos ausgeliefert: „Es ist seine lockere Art, ich mag das einfach, kein Macho-Getue, er weiß halt was er will und das spürt man auch."
Die blümchenjagende Bagage hingegen findet das alles so gar nicht yummy, viel mehr noch werden die Symptome der „Ioannis"-Unverträglichkeit vor allem bei Maurice immer schlimmer: „Da krieg' ich Plaque." Wie gut, dass Melissa ihn ohne Schnittblumenstrauß in häusliche Pflege entsendet, ebenso wie Spaghettikoch Saverio, Flirtmeister Alex G. und Manuel, der sein Hemd nun definitiv nicht mehr vor der Strippenzieherin ausziehen kann. – „Eine pure Enttäuschung", bringt Maurice meinen Gefühlszustand nach dieser Folge so ziemlich auf den Punkt.