Architektur in Tirol: Zum Traumhaus im zweiten Anlauf
Bereits zum zweiten Mal baute ein Innenarchitekt im Zillertal ein Haus für sich und seine Familie. Beim Planen mit Melis+Melis entdeckten Bauherr und Architekten viele Synergien.
Von Vanessa Grill
Mayrhofen – „Wir haben bereits ein Haus gebaut“, erzählt der Bauherr beim Besuch im Zillertal, „doch irgendwann entsprach es nicht mehr unserem Geschmack und unserer aktuellen Lebenssituation.“ Außerdem fehlte die Aussicht. Die Familie hatte ein weiteres Grundstück, allerdings handelte es sich dabei um einen felsigen Steilhang. Dennoch verfestigte sich der Gedanke immer mehr, dort neu zu bauen und damit dem Wunsch nach freiem Blick auf die Zillertaler Bergwelt nachzukommen. Zur Verwirklichung ihres Traumhauses zogen sie das Architekturbüro Melis+Melis heran.
„Die Familie wusste genau, was sie wollte“, sagt Jürgen Melis, „die beste Voraussetzung für ein Ergebnis, das alle zufriedenstellt.“ Das Haus sollte nicht zu groß sein, aber ausreichend Platz für den Sohn im Teenageralter bieten. Genauer gesagt sollte der Jugendliche die Möglichkeit haben, sein Zimmer mit Bad auch noch um eine Zwei-Zimmer-Wohnung zu erweitern. Das Haus lässt sich nun mit wenigen Umbauarbeiten für verschiedene Lebenssituationen adaptieren.
Melis erläutert eine weitere Anforderung: „Die Kosten sollten nicht explodieren, daher haben wir versucht, so wenig wie möglich in den felsigen Untergrund zu bauen“, erläutert Melis.
Der Bauherr, gelernter Tischler und Innendesigner, packte ordentlich mit an: „Von oben bis unten haben wir sehr viel selber gemacht.“ „Eigentlich hat er das Haus gebaut“, ergänzt Melis, „Fenster setzen, die ganzen Holzarbeiten usw. Wir haben nur geplant.“
Und natürlich hat sich der Einrichtungsprofi sein Metier – die Innengestaltung – nicht nehmen lassen. „Architektur und Innenarchitektur sind zwei verschiedene Disziplinen, die sich aber wunderbar ergänzen“, sagt Melis über die Zusammenarbeit, „wir haben beide voneinander profitiert und viel gelernt.“
Aus dieser Synergie entstand ein dreigeschoßiges, 140 Quadratmeter großes Wohnhaus mit Einliegerwohnung. Das Gebäude ist ein für Melis+Melis typischer schlichter weißer Kubus in Massivbauweise mit großen Glasflächen, Rohstahl und Elementen in mattem Bronze, wie es sich beispielsweise bei Garagentor und Fensterrahmen zeigt.
Im Erdgeschoß sind Garage, Eingangsbereich, Technikraum und Waschküche untergebracht. Ein Aufzugsschacht wird derzeit auf allen Ebenen als Abstellraum genutzt. „Wer weiß, ob wir später einmal einen Lift brauchen. Man könnte ihn zumindest jederzeit einbauen“, so der Bauherr, der bei dem zweiten Hausbau an alle Eventualitäten gedacht hat.
Stiegenaufgang als Hingucker
Der Stiegenaufgang ist ein besonderer Hingucker, hier vermischen sich Tradition und Moderne in besonders harmonischer Weise. Eine Wand ist mit Altholz verkleidet, die andere besticht durch sandgestrahlten Sichtbeton. Die Treppe selbst ist, wie der Rest des Bodens, aus geräucherter Eiche. Ein durchaus gelungener Mix. Glasflächen sorgen trotz dunklem Holz und Boden für reichlich Helligkeit.
Im Obergeschoß befindet sich auf der einen Seite die Gästewohnung, auf der anderen Seite das Zimmer des Sohnes. Der Jugendliche verfügt über ein eigenes Badezimmer und kann sich später noch ausbreiten. Die Räumlichkeiten ließen sich mit wenig Aufwand verbinden und sogar vom Rest des Hauses abgrenzen. So entstünde eine Drei-Zimmer-Wohnung, die über eine Außentreppe erschlossen ist, wie der Architekt beschreibt. Ein Parkplatz, eine überdachte Terrasse und ein kleiner Privatgarten gehören ebenfalls zu der derzeitigen Gästewohnung.
Sichtfenster ins Bad? Kein Problem
Eine nicht alltägliche Sichtachse ergibt sich auf der Treppe zur nächsten Etage: Eine raumhohe Verglasung gibt den Blick ins Badezimmer frei. Die freistehende Badewanne mit Blick in den Garten auf der Hinterseite des Hauses war ein Wunsch der Bauherren. Ungewöhnlich ist das Fenster vom Bad in den Stiegenaufgang. Diese Einblicke stören aber niemanden. Im Gegenteil: Das Fenster sorgt im Stiegenhaus für mehr Licht.
Je höher man kommt, umso besser ist die Aussicht. Im zweiten Obergeschoß hat man eine freie Rundumsicht, weil man höher ist als die Nachbarhäuser. Diese Tatsache haben die Bauherren genutzt, um sich dort ihr Reich einzurichten. Man könnte fast sagen, dort befindet sich eine Penthouse-Wohnung. Alles auf einer Ebene, auf Türen wurde verzichtet. Schlafzimmer, Badezimmer und Schrankraum bilden eine offene Einheit. Der zweite Bereich umfasst Wohnen, Essen und Kochen. Die Küche ist nach Osten ausgerichtet. Beim Kochen bietet sich durch die Panoramafenster eine traumhafte Aussicht über das Tal. Vom massiven Eichenholz-Esstisch schaut man direkt auf den Ahornspitz. Die Hochschränke der Küche dienen gleichzeitig als Raumteiler, in denen auf der Hinterseite zum Wohnbereich der Fernseher integriert ist.
Der Küchenblock ist dunkel, hier hat sich der Innendesigner durchgesetzt. Die Architekten hätten eine helle Variante bevorzugt. Doch auch sie zeigen sich vom Ergebnis begeistert. Der Einrichtungsstil des Profis zeichnet sich durch in sich abgestimmte Farben und natürliche Materialien aus: braune Sitzecke, dunkelgrüne Couch, Terracotta-farbene Tapete, dazu Altholz und ein warmes Lichtkonzept.
„Deutlich mehr Lebensqualität"
Der Balkon führt rund um das zweite Obergeschoß und verbindet die Wohnküche mit dem Garten. Er schafft zusätzlich zwei überdachte Sitzmöglichkeiten im Freien. Je nach Sonnenlage findet sich immer ein geeigneter trockener Platz draußen. „Im alten Haus hatten wir zwar mehr Quadratmeter, aber hier deutlich mehr Lebensqualität“, zeigt sich der Bauherr zufrieden.