Chronisch Lungenkranke nur teilweise mit höherem Risiko
Das beste Beispiel dafür stelle Asthma dar. Für die große Gruppe der Asthma-Patienten – mehr als fünf Prozent der über 18-Jährigen – könne weitgehend Entwarnung gegeben werden.
Berlin – Bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen geht weiterhin die Angst vor SARS-CoV-2 bzw. schweren Krankheitsverläufen von Covid-19 um. Doch bei den meisten Betroffenen ist das offenbar nicht der Fall, stellten jetzt Fachleute der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in einem aktualisierten Expertenpapier fest.
Anerkanntes Wissen und Erfahrung ist, dass SARS-CoV-2-Infektionen bei etwas weniger als fünf Prozent der Betroffenen zu schwereren Verläufen führen können. „Bereits im Frühjahr zeichnete sich ab, dass Senioren, Männer, Menschen mit Diabetes und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen davon besonders betroffen sind. Auch Patienten mit bestimmten Lungenerkrankungen wie COPD (chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung; Anm.), fortgeschrittener sogenannter interstitieller Lungenerkrankung wie der Lungenfibrose, Lungenkrebs und Lungentransplantierte seien nach derzeitigem Kenntnisstand stärker gefährdet, heißt es der Stellungnahme.
Auf der anderen Seite könne für viele Patienten mit chronischer Lungenerkrankung Entwarnung gegeben werden. „Das trifft jedoch längst nicht für alle Krankheiten aus unserem Fachgebiet zu", erklärte Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie des Zentrums für Innere Medizin der Universitätsmedizin Rostock und Hauptautor der aktualisierten Stellungnahme der deutschen Fachgesellschaft.
Das beste Beispiel dafür stelle Asthma dar. Für die große Gruppe der Asthma-Patienten – mehr als fünf Prozent der über 18-Jährigen – könne weitgehend Entwarnung gegeben werden. Asthma gleich welchen Schweregrades habe sich in bisherigen Studien nicht als eigenständiger Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf erwiesen. Allerdings könne eventuell eine Anpassung der Medikation ratsam sein. „Es gibt Hinweise darauf, dass hoch dosierte inhalative Steroide (Cortison; Anm.), ebenso wie eine systemische Steroidtherapie das Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen", erklärte Lommatzsch. Hier biete sich eine Umstellung auf eine Therapie mit Biologika (z.B. monoklonale Antikörper) an. Niedrig- oder mittelhoch dosierte inhalative Steroide – und dies betreffe die große Mehrheit aller Patienten mit Asthma - seien dagegen unbedenklich.
Ähnliche Empfehlungen würden auch für die Therapie von chronischen Erkrankungen wie der Sarkoidose oder bestimmten anderen interstitiellen Lungenerkrankungen gelten, bei denen es durch Autoimmunreaktionen zur Schädigung des Lungengewebes kommt. „Auch hier wird die Fortführung der immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie mit der niedrigsten noch wirksamen Dosis in jedem Fall empfohlen", sagte Torsten Bauer, stellvertretender Präsident der deutschen Fachgesellschaft der Lungenspezialisten. Bei einer Unterbrechung der Therapie sei davon auszugehen, dass der Schaden durch eine Verschlechterung der Grunderkrankung den Nutzen in Bezug auf das Covid-19-Risiko überwiege. Lediglich bei nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion könne die Therapie kurzfristig pausiert werden.
Für die Covid-19-Gefährdung spiele eine chronische Lungenerkrankung selbst oft nicht die wichtigste Rolle. Selbst das Vorliegen einer COPD erhöhe die Gefahr eines schweren Covid-19-Verlaufs für sich genommen nur mäßig. „Hier liegen jedoch häufig Begleiterkrankungen und zusätzliche Risikofaktoren vor, deren Effekt nur schwer von dem der Lungenschädigung zu trennen ist", erklärte Michael Pfeifer, Lungenspezialist an der Universitätsklinik Regensburg. Die Patienten seien meist älter, viele wiesen auch Herz-Kreislauf-Risikofaktoren auf – „allein dadurch ist das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich erhöht."
Eine vorbeugende Selbstisolation empfehlen die Experten auch bei einem erhöhtem Risikoprofil nicht. „Dieser ist meist nicht erforderlich und angesichts der vielen positiven Aspekte von körperlicher Bewegung auch nicht sinnvoll", so Pfeifer. Die empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln seien allerdings für alle diese Patienten konsequent einzuhalten. Außerdem raten die Experten Lungenpatienten unbedingt zu einer Impfung gegen Pneumokokken, die eine Vielzahl der bakteriellen Lungenentzündungen verursachen. (APA)