Jakob Prandtauer: Genie aus Stanz prägte eine ganze Epoche
Jakob Prandtauer (1660–1726) ist der bestdokumentierte Barockbaumeister Österreichs. Die Kunsthistorikerin Huberta Weigl legt nun 24 Jahre Recherche in zwei Buchbänden vor.
Von Helmut Wenzel
Stanz bei Landeck – Ein Dreigestirn der Baukunst darf in keinem Schulbuch zu Österreichs Geschichte fehlen: Fischer von Erlach aus Graz, Lucas von Hildebrandt aus Genua sowie Jakob Prandtauer aus Stanz bei Landeck. Sie gelten als die bedeutendsten Barockbaumeister bzw. Architekten Mitteleuropas im 17. und 18. Jahrhundert.
Der Tiroler Prandtauer (1660–1726) hat sich vor allem in Ober- und Niederösterreich einen Namen gemacht. „Er ist in Stanz geboren und hat Stift Melk gebaut“, wissen heute die Schulkinder im Oberland. Viel mehr über Prandtauer ist allerdings kaum bekannt, auch nicht bei den Erwachsenen.
Doch das Wissen über den berühmten Sohn aus dem heutigen Brennereidorf könnte sich deutlich verbessern. Nachdem der Mönch und Historiker Hugo Hantsch den Baumeister 1926 in der bisher ersten und einzigen Monografie auf 100 Seiten gewürdigt hatte, ist jetzt der Kunsthistorikerin Huberta Weigl aus Wien ein viel größerer Wurf gelungen: Sie hat die sensationelle Karriere des einstigen Maurerlehrlings in einer zweibändigen Monografie auf 923 Seiten aufbereitet. Nicht weniger als 24 Jahre durchstöberte sie alle einschlägigen Quellen. Und das alles neben ihrem Brotberuf als Betreiberin einer Schreibwerkstatt in Wien. Fündig wurde die Autorin in zahlreichen Archiven sowie Kloster- und Stiftsbibliotheken.
„Nicht nur kunsthistorisch relevante Fakten haben mich interessiert, sondern auch alle Hinweise, die den Menschen Jakob Prandtauer und sein Leben greifbar machen“, so die Forscherin.
Jetzt darf sich nicht nur der Geburtsort des genialen Oberländers, der Baumeister, Architekt und Unternehmer in einer Person war, über die spannende Publikation freuen. Weigls Lebenswerk eröffnet dem Leser erstaunliche Einblicke in das barocke Österreich und in die Welt der Habsburger-Monarchie.
Bislang war wenig bekannt, dass der Klosterspezialist Prandtauer neben seinem Hauptwerk Stift Melk auch Schlösser, Lustgebäude, Gartenpavillons, Paläste, Bürgerhäuser, Pfarrkirchen oder Kelleranlagen zur Lagerung von Wein errichtet hat. Sogar Brücken und Kasernen umfasst das Schaffen des Tirolers, der seine zweite Heimat in St. Pölten gefunden hat.
Es verwundert auch nicht, dass er viel auf Reisen war. Wie ist Prandtauer gereist? Wie lange haben die Reisen gedauert? Wie oft ist er zu den Baustellen gefahren? – Darüber hat Weigl ebenfalls geforscht und Antworten gefunden. „Besonders im Winter muss Reisen eine extreme Herausforderung gewesen sein, für Mensch und Tier“, resümiert sie.
Im 17. und 18. Jahrhundert sind Reisende geritten oder waren mit Pferdewagen und Kutschen unterwegs. „Gereist ist Prandtauer, wenn es um die Planung von Projekten oder um die Bauaufsicht ging. Und wenn er seine Besoldung bekam“, hat die Autorin herausgefunden. „Banküberweisungen gab es ja nicht.“
So ist zum Beispiel bekannt, dass er am 23. Dezember 1693 von Dürnstein nach St. Pölten geritten ist – beachtliche 45 Kilometer an einem Tag. „Später muss er eine Kutsche besessen haben.“ Für die 125-Kilometer-Strecke von St. Pölten nach St. Florian etwa waren zwei bis drei Übernachtungen nötig.
Abt Berthold Dietmayr vom Stift Melk zahlte ihm ein Jahresgehalt von 300 Gulden. Dazu kamen diverse Prämien – einmal sogar 1500 Gulden, als die Kuppel der Melker Stiftskirche vollendet war. Zum Vergleich: Ein einfacher Handwerker verdiente rund 80 Gulden im Jahr.
Monografie Huberta Weigl: Jakob Prandtauer, 1660–1726, Baumeister des Barock, Michael Imhof Verlag, zwei Bände, 923 Seiten, 99 Euro (Subskriptionspreis). Ab März im Buchhandel.