Russland

Zehntausende Nawalny-Anhänger demonstrieren: Viele Festnahmen

Auch in Wladiwostock wurden Demonstranten festgenommen.
© PAVEL KOROLYOV

Erst Nawalnys Inhaftierung, dann die Enthüllungen seines Teams über einen angeblichen Riesenpalast Putins: Viele Russen sind empört. Nach dem Protestaufruf der Opposition an diesem Samstag gingen Tausende auf die Straßen. Viele wurden festgenommen.

Moskau – In Moskau und zahlreichen weiteren russischen Städten sind Tausende Menschen dem Aufruf des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny zum Protest gegen Staatschef Wladimir Putin gefolgt. Rund 10.000 Menschen nahmen an einer nicht genehmigten Demonstration in Moskau teil. Die Polizei trieb die Demonstranten gewaltsam auseinander und nahm zahlreiche Protestteilnehmer fest, darunter auch Nawalnys Ehefrau Julia und seine engste Mitarbeiterin, die Juristin Ljubow Sobol.

Im Zentrum der russischen Hauptstadt versammelten sich die Demonstranten am Puschkin-Platz, bevor sie weiter in Richtung Kreml ziehen wollten. Unter den Tausenden Protestierenden in Moskau waren viele junge Leute und Angehörige der Mittelschicht. Aktivisten und Journalisten beklagten eine Drosselung des Internets. In sozialen Netzwerken kursierten Videos von Sicherheitskräften, die Demonstranten mit Schlagstöcken attackierten.

Nawalnys Frau Julia Nawalnaja meldete ihre Festnahme über ihren Kanal im Online-Dienst Instagram. Aus einem Gefangenentransporter der Polizei heraus veröffentlichte sie ein Bild von sich, das sie mit der Botschaft versah: "Bitte entschuldigt die schlechte Bildqualität. Das Licht im Polizeitransporter ist sehr schlecht." Wenige Stunden später wurde sie nach Medienberichten wieder freigelassen. Nawalnys Team veröffentlichte auch ein Foto von Nawalnys Mutter, die ebenfalls zur Demo gekommen war.

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Die Zahl der Festnahmen landesweit gab die Bürgerrechtsorganisation OWD mit mehr als 1.600 an. Die russischen Behörden drohen mit hohen Strafen für die Teilnahme an den nicht genehmigten Kundgebungen. In den vergangenen Tagen waren bereits zahlreiche Mitstreiter des Oppositionspolitikers festgenommen worden.

Wie die Staatsagentur Tass berichtete, wurden bei den Protesten über 40 Sicherheitskräfte verletzt. Niemand sei aber ins Krankenhaus gebracht worden. Demonstranten bewarfen etwa die Einsatzkräfte mit Schneebällen. Die Staatsagentur Ria Nowosti meldete, dass drei Polizisten mit weißer Farbe übergossen worden seien.

Nawalny hatte zu den Protesten gegen Putin aufgerufen, nachdem er am Sonntag vergangener Woche unmittelbar nach seiner Rückkehr von Deutschland nach Russland festgenommen worden war. In Berlin war der 44-Jährige nach einem Giftanschlag im August behandelt worden. Am Montag verhängte ein russisches Gericht in einem Eilverfahren 30 Tage Haft gegen ihn wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen. Nawalny macht für den Mordanschlag den Kreml verantwortlich. Der 44-Jährige sitzt nun im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Matrosskaja Tischina, in dem bereits mehrere Oppositionelle zu Tode kamen.

Landesweit folgten am Samstag zahlreiche Menschen Nawalnys Aufruf zum Protest. Die ersten Kundgebungen fanden im Fernen Osten Russlands und in Sibirien statt, wo nach Angaben der Bürgerrechtsorganisation OWD etwa 200 Menschen festgenommen wurden.

Demonstranten trotzten Temperaturen von minus 50 Grad

Etwa 2.000 Menschen demonstrierten im Zentrum von St. Petersburg. Auch dort gab es zahlreiche Festnahmen. Im nordrussischen Jaktustk trotzten Demonstranten extrem winterlichen Temperaturen von minus 50 Grad und gingen für Nawalnys Freilassung auf die Straße. In der Pazifikküstenmetropole Wladiwostok skandierten die Demonstranten Parolen wie "Freiheit für Nawalny" und "Putin ist ein Dieb".

Die Polizisten gingen laut Videos hart mit den Demonstranten um.
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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell übte scharfe Kritik am Vorgehen der russischen Behörden gegen die Demonstrationen. Er bedauere die zahlreichen Festnahmen, den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und die Einschränkung von Internet- und Telefonverbindungen, teilte Borrell am Samstagnachmittag mit. Er sei besorgt und werde am Montag mit den Außenministern der EU-Staaten bei einem Treffen in Brüssel über die nächsten Schritte der EU beraten. Bereits Mitte der Woche hatten Vertreter von Mitgliedstaaten neue EU-Sanktionen wegen der Inhaftierung Nawalnys als realistische Option bezeichnet. Eine Entscheidung wird es aber vermutlich erst geben, wenn Nawalny längerfristig in Haft gehalten werden sollte.

"Menschen, die ihr Recht auf Versammlung und Meinungsfreiheit friedlich ausüben, dürfen nicht kriminalisiert werden", erklärte das Außenministerium in Wien in einem Tweet am Samstagnachmittag. Man verfolge die Proteste in Russland genau und erwarte, dass alle Verpflichtungen des Europarates und der OSZE eingehalten werden.

Noch vor Start einer Demo sollen in Moskau mehrere Nawalny-Unterstützer festgenommen worden sein.
© KIRILL KUDRYAVTSEV

Das russische Außenministerium warf US-Diplomaten unterdessen vor, sich in die Massenproteste aktiv eingeschaltet zu haben. Die US-Botschaft in Moskau habe Marschrouten veröffentlicht, die von den Anhängern Nawalnys genutzt werden konnten, schrieb die Außenamtssprecherin Maria Sacharowa auf Facebook. "Das werden die US-Kollegen erklären müssen." Sie hätten auch Informationen über einen "Marsch auf den Kreml" verbreitet. (APA/dpa, TT.com)

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