Blutschnee, heftiger Wind, extreme Glätte: Deutschland zittert vor Wintereinbruch
Deutschland erwartet in den kommenden Tagen extreme Kontraste bei den Temperaturen. Während im Norden mit bis zu 40 Zentimetern Neuschnee und heftigen Verwehungen der Winter hereinschneit, klopft im Süden der Frühling an. Und dort, wo diese Kalt- und Warmluft aufeinander treffen, kündigt sich ein seltenes Naturphänomen an: Blutschnee.
Berlin – Biergartenwetter an den Alpen, kräftige Schneefälle, Schneeverwehungen und eisiger Frost im Norden – solche Wetterkontraste sind selten. Am Wochenende allerdings ist genau dies in Deutschland zu erwarten. Schuld daran ist eine ganz besondere Grenzwetterlage, so der Deutsche Wetterdienst. „Dann bauen sich auf sehr engem Raum extreme Temperaturunterschiede auf“, so DWD-Sprecher Andreas Friedrich. Eine solche kleinräumige Konstellation sei sehr selten: „Das passiert nur ein paar Mal in einem Meteorologenleben.“ Vergleichbar sei etwa der extreme Schneefall im Winter 1978/79. Damals schneite es 87 Stunden lang durchgehend.
Kollision der Gegensätze
Dass im Winter reichlich kalte Polarluft einströmt, sei natürlich nicht so selten. Allerdings: Normalerweise sind die Tiefs, die diese Luft bringen, weiter nördlich unterwegs. Wie auf einer „Wetter-Autobahn“ sind diese Tiefdruckgebiete vom Atlantik nach Europa meist in der Höhe von Island und dem nördlichen Skandinavien unterwegs. Diesmal allerdings verlaufe das Tief namens „Tristan" weiter südlich und nimmt dabei den Norden Deutschlands in den Griff. Vom Süden wiederum strömt aus dem Sahara-Raum milde und sehr feuchte Luft ein und sorgt für zahlreiche Schauer, die bereits in den vergangenen Tagen die Wetterlage im Süden und Südwesten Deutschlands prägen.
Arktische Kaltluft trifft in Deutschland somit auf Sahara-Luft. Doch damit nicht genug. Wenn warme Luft aus der Sahara in Nordafrika über das Mittelmeer bis nach Deutschland gelangt, wird dabei meist auch jede Menge Wüstenstaub mitgeweht. Damit ist in den nächsten Tagen der sogenannte „Blutschnee" möglich. Sobald die Warmluft auf Kaltluft aus dem Norden trifft und abkühlt, kommt es zu Schneefall, an dem auch eine ganze Menge Sandstaub haftet. Je nachdem, woher der Sand kommt, kann sich der Niederschlag dadurch mal grau, mal gelblich oder eben stark rötlich verfärben. Dieses ungewöhnliche Naturphänomen gab es in Deutschland seit 49 Jahren nicht mehr.
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➤ Auch in der Arktis und Antarktis kommt es häufiger zu großflächigen rötlichen Verfärbungen. Grund ist dort aber nicht Sand aus der Sahara, sondern eine Algenblüte. In den wärmeren Monaten im späten Frühling und im Sommer sorgen Sonne und Schmelzwasser für lebensnotwendige Voraussetzungen für Schneealgen. Dann zeigen sie sich im Sommer mit ihrer roten Pigmentierung, während sie in den Wintermonaten in eine Art Schlafzustand verfallen. Die Schneealgen tragen stark zur Gletscherschmelze bei, weil die Verdunklung durch die rote Pigmentierung, das Sonnenlicht weniger gut reflektiert. Forscher fanden heraus, dass in weiten Teilen der Arktis dieselbe Schneealgenspezies für den Blutschnee und die dadurch beschleunigte Schmelze verantwortlich ist.
➤ Auch bei uns gibt es dieses Phänomen im Sommer, wenn es im Anschluss an eine sehr heiße Wetterphase Schauer und Gewitter gibt. Dann folgt häufig der sogenannte "Blutregen".
Schneeverwehungen verschärfen die Lage
Das Aufeinanderprallen der beiden Luftströmungen auf engem Raum führt somit zu den am Wochenende erwarteten extremen Unterschieden zwischen Nord und Süd mit Temperaturunterschieden von bis zu 15 Grad, möglicherweise reichlich Schnee und starke Schneeverwehungen im Norden – denn auch stürmischer Wind begleitet das Tief und verschärft gleichzeitig die Lage. Auch Schneestürme sind dann möglich. „Durch den kalten Wind ist die gefühlte Temperatur gleich auch viel kälter“, betont Tobias Reinartz vom DWD außerdem.
📽️ Video | DWD-Meteorologe erläutert die bevorstehende Unwettersituation
Auf einer Linie von den nordfriesischen Inseln bis ins südliche Niedersachsen und nach Sachsen dürfte es mit Schneehöhen von 20 bis 40 Zentimetern vor allem in der Nacht zu Sonntag winterlich zur Sache gehen. Auch Eisregen ist möglich – und damit extreme Glätte, so Friedrich. Auch Eispanzer an Hochspannungsleitungen, die durch den Wind ins Schwingen geraten, gehören zu den möglichen Unwetterfolgen.
Doch wo fällt der Schnee und wie viel davon? Die Wettermodelle zeigen sich immer noch etwas sprunghaft. Die Gefahrenzone reicht jedenfalls vom niedersächsischen Emsland bis nach Berlin. Schon am Samstagnachmittag werde es im Norden losgehen, schätzte Friedrich auf der Grundlage der aktuellen Vorhersagen. Der Süden werde davon nichts mitbekommen. Dort herrschen frühlingshafte Verhältnisse – von 11 bis fönbedingt sogar 20 Grad.
Gefrierender Regen und Glatteis
Im Grenzbereich der beiden Luftmassen, etwa vom nördlichen Nordrhein-Westfalen und Nordhessen über Thüringen bis ins südliche Sachsen und Sachsen-Anhalt könne es auch gefrierenden Regen und „extremes Glatteis“ geben.
Und auch in der kommenden Woche wird der Winter den Norden wohl noch in eisigem Griff halten, erwarten die Meteorologen. Modellberechnungen zeigen momentan, dass die komplette Nordhälfte richtig „einwintert". Hier dürfte der Februar 2021 einer der kältesten Februar-Monate seit Jahren werden. Vor allem nachts kann es ungemütlich werden: Derzeit werden Tiefstwerte von bis zu minus 20 Grad für möglich gehalten. Ab Montag steht dann Dauerfrost am Programm.
Autobahnmeistereien im Norden für Wintereinbruch gerüstet
Der Winterdienst bereitet sich bereits auf einen Schneeeinsatz auf den Autobahnen in Norddeutschland vor. Die Autobahnmeistereien stünden mit rund hundert Räum- und Streufahrzeugen und 250 Mitarbeitern rund um die Uhr bereit, um am Wochenende die etwa 750 Kilometer Autobahn im Norden schnee- und eisfrei zu halten, sagte eine Sprecherin der Niederlassung Nord der Autobahn GmbH des Bundes am Freitag. Die Niederlassung ist für die Autobahnen in Schleswig-Holstein, Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen zuständig.
Die Sprecherin appellierte an die Autofahrer, ihre Fahrweise den Witterungsverhältnissen anzupassen und Schneeräum- und Streufahrzeuge nicht zu überholen.
Erste Vorbereitungen wurden auch in Hamburg getroffen. So wurde etwa Winternotprogramm für Obdachlose ausgeweitet. Die Unterkünfte sollen von Freitag an und bis zum Montag ganztägig geöffnet bleiben, wie die Sozialbehörde am Donnerstag in Hamburg mitteilte. Bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich sei die Gefahr durch Frost und Erfrierungen groß. (dpa, TT.com)