Zum zweiten Mal unter Anklage: Trump wird im Senat der Prozess gemacht
Ein historischer Prozess beginnt am Dienstag im Senat. Dann wird Donald Trump im Senat mit einem Amtsenthebungsverfahren konfrontiert. Zum ersten Mal wird ein US-Präsident zum zweiten Mal angeklagt. Und zum ersten Mal ein Präsident, der keiner mehr ist. Was von dem Verfahren zu erwarten ist.
Von Matthias Sauermann
Washington – "Wenn ihr nicht wie verrückt kämpft, werdet ihr bald kein Land mehr haben": Mit diesen Worten stachelte der damalige US-Präsident Donald Trump am 6. Jänner seine Anhänger an. In einer 70-minütigen Rede wiederholte er seine – vielfach auch gerichtlich bestätigt falsche Behauptung – dass bei der US-Wahl im großen Stil betrogen worden sei. "Man gibt nicht auf, wenn Diebstahl dabei war. Unser Land hat genug. Wir werden uns das nicht gefallen lassen". Ansonsten "würdet ihr einen illegitimen Präsidenten haben", rief er seinen Unterstützern entgegen. "Das können wir nicht zulassen."
Dann marschierten seine Anhänger zum Kapitol, wo gerade verfassungsgemäß der Wahlsieg von Joe Biden bestätigt werden sollte. Und drangen gewaltsam zu Tausenden dort ein. Die Zeremonie musste abgebrochen werden, die Abgeordneten flüchteten – laut Erzählungen später teils unter Todesangst. Abgeordnete wurden verbal von manchen Eindringlingen mit dem Tod bedroht, einige von ihnen waren bewaffnet und mit Kabelbindern ausgestattet. Um das Kapitol wurden auch Rohrbomben gefunden.
Schlussendlich starben fünf Menschen an diesem Tag um das Kapitol, darunter auch ein Polizist, der zum Schutz des Gebäudes eingeteilt war. Die Zeremonie zur Bestätigung des Wahlsieges von Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris wurde ehestmöglich nachgeholt. Die Nachwehen des traumatischen Tages werden die USA wohl noch länger beschäftigen. Vorerst gipfeln sie in einem Prozess gegen den damaligen Amtsinhaber, der für seine Rolle darin zur Verantwortung gezogen werden soll.
Trump soll Mitschuld an Krawallen tragen
Eine Mehrheit des Repräsentantenhauses – darunter nicht nur alle Demokraten, sondern auch zehn Republikaner, stimmten einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump zu. Der Vorwurf lautet "Anstiftung zum Aufruhr". Trump soll, so die Anklageschrift, durch seine andauernden falschen Behauptungen, dass Joe Biden durch Betrug gewählt worden sei, seine Anhänger aufgewiegelt haben.
Kurz vor dem Sturm auf das Kapitol habe er dann ganz konkret dazu aufgerufen, die Bestätigung des Wahlsieges seines Konkurrenten zu bekämpfen. Untermauert wird das durch öffentliche Aussagen des Präsidenten – auch über dessen mittlerweile gesperrten Twitter-Account. Dort hatte er mit den Worten "Seid dort! Es wird wild werden" zu den Protesten aufgerufen.
Das zu beweisen wird den Anklägern im Senat nicht schwerfallen. Die Fakten sind weitgehend unbestritten. Die Frage ist, ob sich Trump dadurch eines Vergehens schuldig machte, das eine Amtsenthebung rechtfertigt (impeachable offense) oder nicht. Unterstützer des Verfahrens argumentieren, dass es kaum ein Vergehen geben kann, das deutlicher den Vorgaben entspricht: Trump habe einen Menge an Unterstützern dazu aufgerufen, ein demokratisches Wahlergebnis zu bekämpfen. Kritiker des Verfahrens argumentieren, dass Trump unter dem ersten Verfassungszusatz sein Recht zur freien Meinungsäußerung genutzt habe.
Anwälte zerlegen Verteidigungslinie Trumps
Auf letztere Argumentation dürften auch die Anwälte Donald Trumps die Verteidigung des Ex-Präsidenten aufbauen. Demnach verletzte die Anklage des Präsidenten wegen "Anstiftung zum Aufruhr" das Recht auf "freie Rede und Gedanken" des Republikaners, ließen die Anwälte Bruce Castor und David Schoen verlautbaren.
144 prominente Anwälte unterzeichneten daraufhin einen offenen Brief, in dem sie diese Argumentation zurückweisen. Der erste Verfassungszusatz sei dazu gedacht, um Bürger davor zu schützen, dass die Regierung deren Recht auf freie Meinungsäußerung beschneide. Die Senatoren würden aber nicht darüber entscheiden, ob das Verhalten Trumps strafbar gewesen sei oder nicht, sondern ob er damit seinen Eid auf die Verfassung verletzt habe.
Dem Vernehmen nach drängte der ehemalige US-Präsident indes darauf, die Verteidigung auch auf die Vorwürfe des Wahlbetruges zu konzentrieren. Dafür gibt es nach wie vor keinerlei Beweise, weshalb ihm die eigentlich geplanten Verteidiger davon abrieten. Es kam zum Bruch, die Anwälte wurden ausgetauscht. Ob die neuen Anwälte das Thema aufgreifen werden, bleibt abzuwarten.
Debatte über Rechtmäßigkeit des Amtsenthebungsverfahrens
Eine zweite Argumentationslinie der Verteidiger des Präsidenten ist, dass der Senat eigentlich nicht das Recht habe, einen Prozess gegen einen ehemaligen Präsidenten zu führen. Dieser sei nun eine Privatperson, das Amtsenthebungsverfahren verstoße deshalb gegen die Verfassung. Ein Großteil der republikanischen Senatoren stimmten für eine entsprechende Resolution.
Als Trump die entsprechenden Aussagen getätigt hatte, war er allerdings noch im Amt. Ebenso, als er vom Repräsentantenhaus "impeached" wurde. Das Verfahren wurde also über den Präsidenten Donald Trump, nicht über die Privatperson Donald Trump eröffnet. Dennoch argumentieren Kritiker des Verfahrens, dass ein Präsident nicht des Amts enthoben werden könne, wenn er keines mehr besäße.
Befürworter des Prozesses wiederum werfen ins Feld, dass alles andere ein Freibrief für künftige Präsidenten wäre, in den letzten Wochen ihres Amts jegliches Vergehen begehen zu können – im Wissen, dass sich ein Amtsenthebungsverfahren zeitlich nicht mehr ausgehen könne und das Verhalten somit ohne Konsequenzen bleiben werde.
Die meisten Verfassungsrechtler halten das Verfahren für rechtmäßig. Auch gibt es einen entsprechenden Präzedenzfall. 1876 wurde der Kriegsminister William Belknap vom Repräsentantenhaus einstimmig "impeached" – Stunden nachdem er zurückgetreten war. Im folgenden Prozess argumentierten seine Verteidiger gleich wie die Verteidiger Trumps heute. Der Prozess gegen Belknap fand statt, er wurde schuldig gesprochen.
Verurteilung in weiter Ferne
Dass dem nun unter Anklage stehenden ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump das gleiche Schicksal droht, ist unwahrscheinlich. Zwei Drittel der bei der Abstimmung anwesenden Senatoren müssten dafür einen Schuldspruch fällen. Bei 100 Senatoren würde es dazu also 67 Senatoren benötigen. Bei 50 Demokraten im Senat müssten 17 Republikaner Trump verurteilen – darauf deutet derzeit kaum etwas hin. Beim ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump war es nur ein Republikaner, der ausscherte: Mitt Romney.
Nach dem Sturm auf das Kapitol war die Kritik an Donald Trump deutlicher und lauter. Dennoch scheinen sich einen Monat danach die Wogen geglättet zu haben. Umfragen zufolge hält nach wie vor ein Großteil der republikanischen Wählerschaft zu Trump. Diese Menschen zu verlieren können sich die Republikaner kaum leisten.
Ausgeschlossen sind Wenden in solchen Verfahren jedoch nicht. Die Senatoren sind während des gesamten Prozesses zum Schweigen verpflichtet. Fragen können nur schriftlich gestellt werden. Das soll dazu dienen, das sich die Senatoren ähnlich wie Geschworene Verteidigung und Anklage anhören und neutral entscheiden müssen. Auch Zeugenaussagen kommen ins Spiel, wer befragt wird und was daraus folgt, ist völlig ungewiss. Beim ersten Amtsenthebungsverfahren konnten die Republikaner mit ihrer Mehrheit im Senat noch potenziell explosive Zeugenaussagen gegen Trump abwehren. Bei geänderten Mehrheitsverhältnissen könnte sich nun auch das anders darstellen.
Schlussendlich läuft alles darauf hinaus, ob eine Mehrheit der Senatoren ein Interesse daran hat, Trump von zukünftigen Ämtern auszuschließen. Das kann im Anschluss an eine Verurteilung durch zwei Drittel der Senatoren von einer einfachen Mehrheit beschlossen werden. Derzeit gilt das als unwahrscheinlich. Aber in der US-Politik wurde zur Genüge bewiesen, wie schnell es manchmal gehen kann.
Amtsenthebungsverfahren der US-Geschichte
Andrew Johnson
Gegen den Demokraten wurde 1868 ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Johnson wurde vorgeworfen, sich über die Mitspracherechte des Kongresses bei der Besetzung von Regierungsposten hinweggesetzt zu haben. Für seine Amtsenthebung fehlte nur eine einzige Stimme im Senat.
Richard Nixon
1974 trat Nixon im Zuge der Watergate-Abhöraffäre zurück und entging damit einem Impeachment. Der Justizausschuss des Repräsentantenhauses hatte wegen des Lauschangriffs auf die gegnerischen Demokraten eine Anklageerhebung gegen den Präsidenten beschlossen. Nixons Rücktritt kam aber noch vor der Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses. Seine Absetzung durch den Senat hatte damals als nahezu sicher gegolten.
Bill Clinton
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton wurde 1998 eingeleitet, weil er seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky zu verschleiern versucht hatte. Die Anschuldigungen gegen den Demokraten lauteten auf Meineid und Behinderung der Justiz. Die Zweidrittelmehrheit im Senat für eine Amtsenthebung wurde schließlich im Februar 1999 deutlich verfehlt.
Donald Trump I
Gegen den Republikaner wurde im Dezember 2019 ein Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre eingeleitet. Trump hatte Kiew zu Ermittlungen gegen den früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden und dessen Sohn gedrängt, er wollte damit an belastendes Material gegen seinen späteren Wahlherausforderer gelangen. Im Februar 2020 wurde Trump vom konservativ dominierten Senat von den Vorwürfen des Amtsmissbrauchs und der Behinderung des Kongresses freigesprochen.
Donald Trump
Nur eine Woche vor dem Ende seiner Amtszeit am 20. Jänner wurde Trump nun ein zweites Mal vom Repräsentantenhaus angeklagt – als erster Präsident der US-Geschichte. Grund ist die Erstürmung des Kongresses durch radikale Trump-Anhänger am 6. Jänner 2021. Die Demokraten werfen dem abgewählten Präsidenten vor, seine Anhänger zu der gewalttätigen Attacke angestachelt zu haben. Der Vorwurf lautet auf "Anstiftung zum Aufruhr".