Kickl teilt kräftig gegen Blümel aus, (noch) Vertrauen für Finanzminister
Die Hausdurchsuchung bei ÖVP-Finanzminister Blümel war am Dienstag Thema bei einer Sondersitzung des Nationalrats. Die FPÖ brachte einen Misstrauensantrag gegen den Minister ein, die Grünen unterstützten diesen jedoch nicht.
Wien – Gernot Blümel (ÖVP) bleibt Finanzminister. Der Ressortchef überstand Dienstagnachmittag im Nationalrat einen von allen Oppositionsparteien unterstützten Misstrauensantrag, weil neben der Volkspartei auch die Grünen die Initiative ablehnten. Dennoch bleibt die Stimmung in der Koalition nach der Hausdurchsuchung beim Finanzminister angespannt.
Einmal mehr versuchte sich die Opposition am Dienstag auch daran, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) aus dem Amt entfernen zu lassen. Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit. Das selbe Schicksal erlitten diverse andere Initiativen, etwa eine rote zur Einsetzung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts oder eine der NEOS für eine volle Rechnungshof-Kontrolle der Parteifinanzen. Daran hatte überhaupt keine andere Fraktion Interesse.
📽 Video | Misstrauensantrag gegen Blümel bei Nationalrats-Sondersitzung
Kickl: „Der türkise Hut brennt lichterloh“
Eingebracht worden waren all diese Anträge in einer Sondersitzung, die auf Wunsch der gesammelten Opposition die Vorgänge rund um die Hausdurchsuchung bei Blümel beleuchten sollte. FP-Klubchef Herbert Kickl nannte Blümel in der Begründung seiner „Dringlichen Anfrage" konsequent „Noch-Regierungsmitglied" und warf dann 20 Minuten wortstark Vorwürfe Richtung Finanzminister und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), für den freiheitlichen Klubchef Blümels „politischer Lebensmensch".
Immer wieder stellte Kickl Zusammenhänge zwischen der Machtübernahme Kurz' in der ÖVP und einer Finanzierung der Partei durch Unternehmer her: „Ohne Geld, ka Musi." Das „dunkle Hinterzimmer hinter der glänzenden Fassade" der Kurz-ÖVP werde nun bekannt: „Der türkise Hut brennt lichterloh." Die ÖVP sei besessen von Lust auf Macht, „ein gespenstisches Bild".
Blümel betont gelassen
Der Finanzminister, der Begleitung auf der Regierungsbank auch vom Grünen Sozialminister Rudolf Anschober genoss und Kickl duzte, reagierte betont gelassen. Die Unterstellungen seien falsch und ließen sich aufklären, was die zuständigen Stellen auch kompetent tun würden, verzichtete er im Gegensatz zu seiner Partei auf Angriffe gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Einmal mehr betonte Blümel, dass es keine Zuwendungen der Novomatic gegeben habe, weder in der Bundespartei noch in der Wiener Landespartei, der er vorsteht: „Wir nehmen keine Spenden von dieser Art von Unternehmen."
Das einzige, was stimme, sei, dass man als Politiker mit Unternehmen Kontakt habe. Auch Politiker der Opposition hätten ihn in den vergangenen Wochen um entsprechende Vermittlungen gebeten. Ob 2017 oder 2018 seitens des Finanzministeriums Handlungen in Zusammenhang mit der Novomatic Italia S.p.A. gesetzt wurden, sei ihm „derzeit nicht bekannt".
Die letzte der 89 Fragen an Blümel lautete: „Wann treten sie zurück?" – Kurze Antwort des Finanzministers: „Das steht nicht zur Debatte."
Kein Grünes Misstrauen gegen Blümel
So war es denn auch – denn die Grünen versagten dem Finanzminister das Vertrauen nicht. Klubobfrau Sigrid Maurer wies zwar die Attacken der ÖVP auf die WKStA zurück und übte etwas Kritik: Immer die Justiz anzugreifen wenn einem Entscheidungen nicht gefallen, sei einer Kanzlerpartei unwürdig. Aber dass Blümel als Beschuldigter geführt werde „ist kein Urteil" und „die Faktenlage ist nicht so, dass sie ausreichen würde, dass wir heute unser Misstrauen aussprechen". Sollten neue Vorwürfe oder gar eine Anklage folgen, „wäre natürlich ein Rücktritt notwendig", verwies sie auf die Unschuldsvermutung.
📽️ Video | Pressekonferenz Sigrid Maurer (Grüne)
Misstrauensantrag gegen Nehammer abgewiesen
Die FPÖ beließ es nicht bei dem einen Misstrauensantrag. Christian Hafenecker brachte auch einen gegen Innenminister Nehammer ein – mit der Begründung, dass dieser jetzt in den Ermittlungen gegen Blümel eine Schlüsselrolle habe, aber schon bei Auftauchen des Ibiza-Videos eine wichtige Rolle in der Partei gespielt habe. Aus diesem Grund habe auch Herbert Kickl als Innenminister gehen müssen.
Das wurde seitens der ÖVP – von Michaela Steinacker am Rednerpult und Sicherheitssprecher Karl Mahrer in einer Stellungnahme – umgehend zurückgewiesen: Beim Auftauchen des Ibiza-Videos habe Nehammer keine Funktion in der Bundespartei und auch kein Nationalratsmandat gehabt, merkten sie an. Auch dieser Misstrauensantrag hat keine Aussichten auf Erfolg.
Einen „Vertrauensantrag" – der nicht mögich ist – hätte ÖVP-Abg. Andreas Hanger gerne der FPÖ entgegengehalten. Denn „Zahlen Daten und Fakten" zu Corona-Hilfen für die Wirtschaft und deren Refinanzierung würden beweisen, „dass unser Finanzminister das höchste Vertrauen verdient", er und sein Ressort würden in der Pandemie „hervorragende Arbeit" leisten.
„Nicht handlungsfähig": Auch SPÖ und NEOS fordern Rücktritt
Die Opposition sah dies freilich anders. Auch SPÖ und NEOS forderten den Finanzminister zum Rücktritt auf – wenngleich sie beteuerten, dass die Unschuldsvermutung natürlich gelte. Aber Österreich bräuchte zur Bewältigung der Corona-Krise einen handlungsfähigen Finanzminister. „Sie sind nicht mehr handlungsfähig und nicht anerkannt – wie wollen Sie da dieses Land aus der Krise führen? Das geht so einfach nicht", hielte es der stv. SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried für angebracht, dass Blümel die politische Verantwortung übernähme.
Das Strafrecht könne nicht „die letzte Linie für die Verantwortung von Politikern sein", da müsse man „wesentlich früher" ansetzen, befand auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. „Aus Respekt vor dem Amt, aus Respekt vor den demokratischen Institutionen unseres Landes und gegenüber den Österreichern" müsste sich Blümel „natürlich zurückziehen", meinte sie – und zog den Kreis noch etwas weiter: Die Frage der Handlungsfähigkeit stellt sich auch für die „angeschlagene Wirtschaftsministerin" und den „angeschlagenen Innenminister" sowie den „bisweilen handlungsunfähigen Gesundheitsminister".
Edtstadler: Kritik muss möglich sein
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat die Kritik ihrer Partei an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bekräftigt und verteidigt. Es gebe eine lange Liste von Verfehlungen, die angesprochen werden müssten. „Kritik muss in einem Rechtsstaat möglich sein", sagte Edtstadler in der „ZiB2" am Dienstag. Die Aussagen des grünen Koalitionspartners, wonach die ÖVP ein „gestörtes Verhältnis zur unabhängigen Justiz hat", wies sie „als völlig absurd" zurück.
📽️ Video | Edtstadler: „Keine Attacken auf die Justiz"
Die ÖVP gehe es nicht um Attacken gegen die Justiz und darum, dass gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ermittelt werde, sondern um Verfehlungen der WKStA, verwies Edtstadler neuerlich auf die rechtswidrige Hausdurchsuchung im BVT, Ermittlungen der WKStA gegen eine Journalistin und die Tatsache, dass Blümel über seinen Status als Beschuldigter aus den Medien erfahren habe.
Diese „lange Liste von Verfehlungen muss angesprochen werden, Kritik muss in einem Rechtsstaat möglich sein. Wenn es Verfehlungen gibt, kann man das nicht stehen lassen", sagte Edtstadler und pochte darauf, dass die „Unschuldsvermutung für jeden, auch einen Finanzminister gelten muss und nicht zu einer leeren Floskel verkommen darf". Die frühere Richterin zog zudem die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens gegen Blümel in Zweifel. Eine Hausdurchsuchung sei das schärfste Mittel, es hätte auch gelindere gegeben.
Die Kritik der ÖVP, besonders von Kanzler Sebastian Kurz, an der WKStA sorgt auch bei Standesvertretern für Unmut. „Dass eine Staatsgewalt eine andere Staatsgewalt auf eine solche Art anschwärzt, würde man sich in einem Land wie Österreich eigentlich nicht erwarten", sagte Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung zum Standard. Jeder Beschuldigte habe das Recht auf eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahmen einer Staatsanwaltschaft. „Aber diese inhaltliche Kontrolle ist die Aufgabe der unabhängigen Gerichte, nicht der Politik."
Ähnliches ist von der Präsidentin der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte zu hören: „Diese pauschalen Unterstellungen durch den Kanzler sorgen bei uns für Entrüstung", sagt Cornelia Koller. (APA, TT.com)