Corona-Immunität bei Ischglern nach acht Monaten immer noch stabil
Wie eine lang angelegte Verlaufsstudie der Med-Uni Innsbruck zeigt, weist ein Großteil der Studienteilnehmer aus Ischgl auch Monate nach der Infektion noch Antikörper auf.
Innsbruck, Ischgl – Menschen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, können aufatmen: Die erworbene Immunität dürfte relativ stabil sein, wie die neuesten Studienergebnisse der Medizinischen Universität Innsbruck zeigen. Nachdem im April 2020 die erste Antikörper-Studie in der Gemeinde Ischgl durchgeführt wurde, testete das Team im November erneut die Immunantwort der Ischgler. Die Beteiligung war abermals hoch – und bei rund 90 Prozent der Getesteten konnten immer noch Antikörper gegen das Virus nachgewiesen werden.
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„Good News aus Ischgl", kommentierte Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Med-Uni, dieses Ergebnis. Für die 801 Probanden der Folgestudie konnte im April 2020 eine Seroprävalenz (Nachweis spezifischer Antikörper, Anm.) von 51,4 Prozent nachgewiesen werden, im November lag die Häufigkeit Sars-CoV-2 spezifischer Antikörper nach einer Covid-19-Infektion noch immer bei 45,4 Prozent.
📽️ Video | Statement von Wolfgang Fleischhacker
„Das heißt, dass bei knapp 90 Prozent von den im April 2020 seropositiv Getesteten auch im November Antikörper detektiert werden konnten", kommentierte Virologin und Institutsleiterin Dorothee van Laer die zentrale Erkenntnis.
Antikörper und auch T-Zellen belegen stabile Immunität
Der Nachweis SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper erfolgte wie bei der Basisstudie mit unterschiedlichen kommerziellen Antikörpertests, wobei in der Folgestudie ein zusätzlicher Antikörpertest hinzugezogen wurde. Ein Teil der Proben wurde in einem sogenannten Neutralisationstest auch auf neutralisierende Antikörper hin untersucht, um die kommerziellen Antikörpertests zu überprüfen. Dieser Test habe bei einem Großteil der Getesteten das Vorhandensein spezifischer Antikörper gegen SARS-CoV-2 bestätigt, so Studienleiterin Wegene Borena.
Nicht nur virusspezifische Antikörper, auch spezifische Immunzellen, sogenannte T-Zellen, können das Virus bekämpfen, erklärte Borena. Bei 93 Proben wurde deshalb zusätzlich eine Untersuchung vorgenommen, die das Vorhandensein dieser spezifischen Immunzellen nachweist. Die T-Zellen, auch Killerzellen genannt, seien in der Lage, virusinfizierte Zellen zu erkennen und abzuräumen, beschrieb Virologin Dorothee von Laer den Vorgang. Aus den Ergebnissen könne man schließen, dass rund 70 Prozent der Probanden auch zelluläre Immunität aufwiesen, berichtete Borena. T-Zellen würden die Schwere der Krankheitsverläufe entscheidend mitbestimmen.
„Trotz leichtem Rückgang der Antikörperkonzentration im Vergleich zur ersten Studie können wir damit von einer relativ stabilen Immunität sprechen", schlussfolgerte Borena.
📽️ Video | Statement von Wegene Borena
Ausmaß der Symptome vermutlich ausschlaggebend
In der Folgestudie im November wurden die Probanden auch zu ihren Symptomen befragt. Eine erste Analyse lasse hier den Schluss zu, dass das Ausmaß der beschriebenen Symptome mit der Antikörperpersistenz korreliert, berichteten die beiden Virologinnen. Je schwerer die Symptome, desto mehr neutralisierende Antikörper seien auch nach acht Monaten noch vorhanden gewesen.
Die Nachfolgestudie ermöglichte es, zusätzlich zu biologischen Daten erstmals auch den Verlauf der Neuinfektionen in einer gleichbleibenden Population vergleichend zu beobachten. Ischgl wurde während der zweiten Welle im Herbst mit anderen Orten in Tirol und Österreich verglichen. Dabei habe sich gezeigt, dass Ischgl in der zweiten Welle weitestgehend verschont wurde, sagte van Laer. Während in den Vergleichsorten „Inzidenzen von 400 bis 500 verzeichnet wurden", waren es in Ischgl nur „ein paar positive PCR-Ergebnisse Anfang November". Die Neuinfektionsrate lag in Ischgl in diesem Zeitraum bei unter einem Prozent.
📽️ Video | Statement von Dorothee van Laer
Keine „Herdenimmunität", van Laer setzt auf Impfen
Von Herdenimmunität könne aber dennoch nicht ausgegangen werden, meinte von Laer. Für das Impfen würde dies jedoch bedeuten, dass eine Durchimpfungsrate von 40 bis 45 Prozent schon einen gewissen Schutz bieten könnte, zeigte sich die Medizinerin hoffnungsvoll. Bisher sei von Durchimpfungsraten zwischen 70 und 80 Prozent die Rede gewesen, verwies von Laer auf andere Expertenmeinungen.
„Der Ischgler Schutzwall beginnt zu bröseln", meinte von Laer allerdings, als sie auf die in Tirol präsente Südafrika-Mutante zu sprechen kam. Was die am Vortag bekannt gewordenen sechs Reinfektionen mit dem südafrikanischen Coronavirus von bereits vom herkömmlichen Coronavirus Genesener betraf, so zeigte sich von Laer recht entspannt: „Für Virologen ist eine solche Entwicklung nichts Neues". Nun müsse die Impfung angepasst werden. Denkbar sei, dass der Impfstoff saisonal angepasst werde, „wie bei der Grippe", meinte die Virologin. „Wichtig ist, dass Mutationen nicht Oberhand bekommen, bevor diese Anpassung des Impfstoffes erfolgt", mahnte von Laer zur Vorsicht. Sie rechne mit einem angepassten Impfstoff bis Herbst.
„Vielleicht gelingt es uns durch die gewonnenen Erkenntnisse Ischgl etwas positiver zu konnotieren", hoffte Rektor Fleischhacker. „Ischgl – ein Fall, der Hoffnung macht auf Rückkehr zur Normalität", stimmte von Laer in den Chor des Optimismus mit ein. (TT.com, APA)