Schredder-Causa im Fokus, ÖVP bekam Strache-Material früher angeboten
Die SPÖ sieht belegt, dass es sich entgegen der ÖVP-Behauptung bei den geschredderten Datenträgern um Laptop- und nicht um Druckerfestplatten gehandelt habe. Indes bedauert ein Ermittler ein aufmunterndes SMS an Strache. Kompromittierendes Material über den Ex-FPÖ-Chef sei der ÖVP schon 2014 angeboten worden.
Wien – Der ehemalige Direktor der Politischen Akademie der ÖVP, Dietmar Halper, ist am Donnerstag im Ibiza-Untersuchungsausschuss befragt worden. Im Fokus stand dabei ein 2014 vom späteren Ibiza-Anwalt an die ÖVP gerichtetes Angebot, belastendes Material über den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu kaufen. Dieses habe er sich angehört, weil es ihn „interessiert“ habe, so Halper: „Das Gespräch wurde aber ohne Ergebnis beendet.“
Zu dem Termin sei er gemeinsam mit dem Anwalt der ÖVP Werner Suppan nach Vermittlung durch den ehemaligen VP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger gegangen. Der Wiener Anwalt M. habe bei dem Treffen im September 2014 Material angeboten, das Strache belasten soll. Dabei sei es etwa um den angeblichen Drogenkonsum Straches, Fotos von Geldübergaben an Strache und dessen Besuche bei einer Esoterikerin, die Strache vor wichtigen Entscheidungen aufgesucht haben soll, gegangen, schilderte Halper.
Dabei habe der Anwalt klar gemacht, dass er sich eine Gegenleistung erwarte, um seinen Mandanten abzusichern. „Ich habe das offen gelassen und nichts angeboten“, erklärte Halper. Betrag sei keiner genannt worden. Warum Anwalt M. in einer Einvernahme von 40.000 bis 70.000 Euro gesprochen habe, wisse er nicht, so Halper. Jedenfalls sei das Gespräch ergebnislos beendet worden. Gesprochen habe er mit niemandem darüber, „weil es nichts zu berichten gab“. Von der Existenz des Ibiza-Videos habe er am Tag der Veröffentlichung erfahren. Auch habe er keine Wahrnehmungen dazu, ob und wem es zum Kauf angeboten worden sei. Ihm jedenfalls nicht. Von politischer Einflussnahme oder Gesetzeskauf unter Türkis-Blau wisse er nichts.
Niko R. bedauert aufmunternde SMS an Strache
Zuvor war es im U-Ausschuss einmal mehr um die Ermittlungen der „SoKo Tape“ gegangen. Mit Niko R. war jener Kriminalbeamte geladen, über den nicht zuletzt wegen seiner aufmunternden SMS an Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder wegen seines Vorgehens in der „Schredder-Causa“ medial wiederholt berichtet worden war. Er bedaure die Nachricht an Strache, sagte er vor dem Ausschuss. Diese sei unüberlegt in einer privaten Runde verfasst worden. Er pflege kein freundschaftliches Verhältnis zu Strache, vielmehr kenne er diesen lose von Benefizveranstaltungen in der Wiener Rossauer Kaserne.
In der von den Ermittlern mittlerweile beigelegten „Schredder-Affäre“ war R. jener Beamte, der im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Geschäftsführer der Firma Reisswolf einvernommen sowie den beschuldigten Mitarbeiter im Kanzleramt mit den Vorwürfen konfrontiert hatte. Im Juli 2019 habe er Arno M. in der ÖVP-Zentrale mit dem Sachverhalt konfrontiert, worauf eine freiwillige Nachschau in dessen Wohnung erfolgte. Der Beschuldigte habe sich kooperativ und geständig gezeigt, berichtete die Auskunftsperson.
Auftrag sei dabei zunächst einmal die Abklärung eines Anfangverdachts gewesen, so R. „Wir haben nach Festplatten oder geschredderten Partikeln gesucht“, so der Ermittler. Alle Schritte seien mit der WKStA abgesprochen gewesen: „Wir haben alles dokumentiert und telefonisch Rücksprache gehalten.“ Der Einsicht in sein Mobiltelefon habe Arno M. nicht zugestimmt, und von der WKStA sei keine Anordnung zur Sicherstellung erteilt worden. Damals wurde wegen Betrugs und Bagatelldelikten wie Sachbeschädigung ermittelt. „Die WKStA hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt uns eine Anordnung mündlich oder schriftlich auf Sicherstellung des Mobiltelefons oder des Laptops erteilen können“, meinte R. auf eine entsprechende Frage, warum die Sicherstellung der Geräte unterblieben ist.
NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper konfrontierte R. damit, dass WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek sinngemäß gemeint habe, noch nie so ein Vorgehen wie das der SoKo Tape rund um die Schredder-Causa erlebt zu haben. Dem konterte der Ermittler: Auch er habe „noch nie so eine Vorgehensweise wie jene von der WKStA erlebt.“ „Wenn die WKStA ein bisserl kriminaltaktisches Gespür gehabt hätte, hätte sie am nächsten Tag eine Anordnung gegeben, den Laptop oder das Handy sicherzustellen und auszuwerten.“ Denn schließlich wäre auch interessant gewesen, mit wem Arno M. Kontakt hatte, „nachdem die Polizei bei ihm eingeritten ist“. Im Gegensatz zur WKStA habe die Zusammenarbeit mit der StA Wien „immer bestens funktioniert“.
Die von der WKStA in den Raum gestellte Befangenheit, weil er etwa einmal für die ÖVP bei der Gemeinderatswahl auf einem - „aussichtslosen“, wie R. anmerkte - Listenplatz kandidiert hat, sei überprüft worden. „Es wurde aber keine Befangenheit festgestellt“, so R. ÖVP-Mitglied sei er keines mehr, das war er nur „von 2014 auf 2015“, auch bei keiner anderen Partei sei er Mitglied. Er ist nach eigenen Angaben seit 1993 bei der Polizei und seit 2003 bei der Kriminalpolizei, wohl wegen seiner „Expertise“.
Schredder-Causa: SPÖ ortete "Corpus Delicti"
Die SPÖ hatte zuvor im Zusammenhang mit den fünf in der Schredder-Causa vernichteten Festplatten des Bundeskanzleramtes ein "Corpus Delicti" geortet. Bei zwei davon soll es sich um Laptopfestplatten gehandelt haben. Laut einer Rechnung des Unternehmens, das die Festplatten ausgebaut hat, soll es sich nämlich um fünf standardmäßig in Drucker verbaute 320 Gigabyte-Festplatten handeln. Unter den fünf geschredderten befanden sich dann jedoch zwei mit jeweils 500 Gigabyte Kapazität.
Die Rechnung der Firma Ricoh liege dem U-Ausschuss nun vor, da sie vom Bundeskanzleramt geliefert wurde, erklärte Krainer. Dieser sei zu entnehmen, dass 320-GB-Festplatten aus den Druckern ausgebaut und dem Kanzleramt übergeben worden seien. Arno M. habe jedoch zwei standardmäßig in Laptop verbaute, 500 GB fassende Festplatten schreddern lassen, wie aus einem Foto unmittelbar vor der Vernichtung hervorgeht.
"Wem gehören die Festplatten und was war da drauf?"
"Jetzt stellt sich die Frage, wem gehören die zwei Laptop-Festplatten und was war da drauf", fragte Krainer, der auch wissen will: "Wieso haben die ÖVP-Vertreter die Staatsanwaltschaft und die Polizei angelogen?" Offenbar sei die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einer "heißen Spur" nachgegangen, denn die Ermittler wollten den Servicetechniker befragen. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, weil ihr die Oberstaatsanwaltschaft das per Weisung untersagt und das Verfahren der StA Wien übergeben hat, "wo das Verfahren begraben wurde".
Beendet wurde der Ausschusstag am Abend. Weiter geht es mit den Befragungen erst wieder in drei Wochen, wenn etwa der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, Johann Fuchs, zu Vorwürfen Stellung nehmen soll, die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) behindert zu haben. Ebenfalls geladen ist der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern. (APA)