Justizreform

Grüne Absage an ÖVP-Pläne: Keine „Einschränkungen der Pressefreiheit“

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer: „Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen".
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Neben einer Zerschlagung der Korruptionsstaatsanwaltschaft bringen die Türkisen nun auch ein Verbot von Zitaten aus Ermittlungsakten ins Spiel – jedoch holen sie sich damit einen Korb beim Koalitionspartner. SPÖ und NEOS kritisieren die türkisen Pläne in aller Schärfe. Die Regierung bekannte sich indes zu einem weisungsfreien Bundesstaatsanwalt.

Wien – Die ÖVP holt sich für ihren Plan, Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten und die Auswertung von Kommunikation zu erschweren, einen Korb beim Koalitionspartner. „Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen“, erklärte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Nachmittag. Geeinigt haben sich die Regierungsparteien bisher nur darauf, einen unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt einzurichten, die konkrete Ausgestaltung fehlt noch.

„Ermittlungsverfahren sollen unabhängig und ohne öffentlichen oder politischen Druck geführt werden können. Dabei gilt es ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, die Pressefreiheit zu schützen und gleichzeitig mediale Vorverurteilung zu vermeiden“, so der Text des Ministerratvortrages zur Einrichtung eines Bundesstaatsanwaltes.

📽 Video | Eckpunkte für weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft

ÖVP will Berichte über Ermittlungen erschweren

Bei der Vermeidung von Vorverurteilung dürfte seitens der ÖVP der im Kurier berichtete Plan gemeint sein, Berichterstattung über Ermittlungsverfahren zu erschweren. Derzeit dürfen Anwälte Ermittlungsakten weitergeben, Medien dürfen (unter Einhaltung des Medienrechts) daraus zitieren. Die ÖVP will nun ein Verbot der „überschießenden Auswertung von privater und geschäftlicher Kommunikation“ durch die Staatsanwaltschaft erreichen. Als Beispiel genannt wird, dass bei Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann Gehaltspläne gefunden und in weiterer Folge an den Untersuchungsausschuss übermittelt worden seien. Außerdem soll es ein Verbot der Veröffentlichung von Ermittlungsakten nach deutschem Vorbild geben. Damit könnten Medien bestraft werden, wenn sie direkt aus Ermittlungsakten zitieren.

Es müsse im Sinn eines fairen Verfahrens Ziel einer unabhängigen Justiz sein, dass bei einem nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren alles getan werden müsse, Leaks in den Medien zu vermeiden, erklärte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach dem Ministerrat. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) dagegen äußerte sich zu diesem Punkt zurückhaltend: Es gehe um die Abwägung der Beschuldigtenrechte und der Aufrechterhaltung der Pressefreiheit.

📽 Video | Statement von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne):

Deutlicher wurde die Grüne Klubobfrau: „Bereits jetzt gibt es ein Verbot der Veröffentlichung besonders grundrechtssensibler Überwachungsergebnisse“, erklärte Maurer in einer schriftlichen Stellungnahme, die gesetzliche Regelung dazu „ist aus Sicht der Grünen ausreichend“ und stelle sicher, dass Pressefreiheit und die Einhaltung der Beschuldigtenrechte gewahrt seien.

SPÖ sieht „Blümel-Schutzprogramm“, NEOS „Medien-Maulkorb“

Scharfe Kritik an den Plänen der ÖVP war am Mittwoch auch von SPÖ und NEOS gekommen: Das sei keine Justizreform, sondern ein „Blümel-Schutzprogramm“, kritisierte SP-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Er hält das ÖVP-Vorgehen für „brandgefährlich und demokratiegefährdend“ sowie für einen Angriff auf die Pressefreiheit. Auch die NEOS lehnen einen „Medien-Maulkorb“ ab: „Medien sind die Vierte Gewalt im Land. Ihre Arbeit darf keinesfalls behindert, eingeschränkt oder unter Strafe gestellt werden - schon gar nicht durch die Politik“, so Justizsprecher Johannes Margreiter und Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer Aussendung. FP-Klubchef Herbert Kickl spricht von einer „Privatfehde“ der ÖVP gegen die Justiz.

Zu besprechen gibt es jedenfalls zwischen den Koalitionspartnern noch so einiges, denn ein konkretes Modell für den Bundesstaatsanwalt legten ÖVP und Grüne nach dem Ministerrat nicht vor. „Die Details werden noch verhandelt“, erklärte Kogler. Zu klären ist u.a. der Ernennungsmodus, das Anforderungsprofil, die Dauer der Bestellung, etwaige Abberufungsmöglichkeiten und die Frage der Organisationsstruktur.

Die Dauer der Funktion werde eine gewisse Länge haben müssen, um Unabhängigkeit zu gewährleisten, nannte Kogler als Beispiel den Rechnungshof. Dessen Präsidentin wird auf Vorschlag des Hauptausschusses im Parlament für eine zwölfjährige Funktionsperiode gewählt. Kogler sicherte auch eine parlamentarische Kontrolle zu, wobei sich das Parlament aber nicht in laufende Verfahren einmischen könne.

Kogler zurückhaltend zu Kurz-Brief an WKStA

Nicht wirklich beantwortet wurde von Kogler die Frage, was er vom Brief von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die WKStA hält. Kurz hatte im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen seinen Parteikollegen und Vertrauten, Finanzminister Gernot Blümel, seine Zeugenaussage angeboten, und dabei auch von „fehlerhaften Fakten“ geschrieben. „Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt genau so, wie sie es für richtig hält“, betonte Kogler. Kurz habe sich einerseits als Zeuge angeboten habe, das sei „sein Recht“.

Zweitens habe Kurz „Begründungen mitgeliefert“, bei denen „zumindest in einem Punkt“ ein „offenkundiger Disput“ mit der Staatsanwaltschaft und auch der zuständigen Sektion im Justizministerium vorliege, erinnerte Kogler an die Klarstellung des Ressorts, dass der viel diskutierte Kalendereintrag „Kurz“ nicht ausschlaggebend für die Hausdurchsuchung beim Finanzminister war. Die Staatsanwälte würden den Vorwurf der „fehlerhaften Fakten“ wohl „entschieden zurückweisen“, meinte Kogler. Das Ermittlungsverfahren solle so schnell wie möglich fertig sein und er sei sehr zuversichtlich, dass dies gelinge. (TT.com, APA)