Weiterer Toter bei Protesten gegen Militärcoup in Myanmar
Wieder haben Polizei und Militär Proteste auf den Straßen Myanmars gewaltsam niedergeschlagen. Mindestens ein Mann soll am Freitag in Mandalay erschossen worden sein.
Yangon – Die Sicherheitskräfte in Myanmar haben am Freitag erneut zahlreiche Proteste gegen den Militärputsch mit Gewalt niedergeschlagen. Unter anderem setzten sie dabei wieder Tränengas und Gummigeschoße ein, berichteten lokale Medien und Augenzeugen in verschiedenen Teilen des Landes. In der nördlichen Stadt Mandalay soll mindestens ein Mann getötet worden sein. Ein örtlicher Journalist bestätigte, dass das Opfer von einem Geschoß im Nacken getroffen wurde.
Besonders viele Demonstrationen gab es erneut in der größten Stadt Yangon (Rangun) im Süden. Demonstranten bauten dort teilweise Barrikaden auf, um die Polizei fernzuhalten. Jedoch habe dies nichts geholfen. "Wir haben alles getan, was wir konnten, um sie fernzuhalten", sagte der 27-jährige Lwin Ko Aung aus dem Stadtteil Sanchaung. Dennoch seien viele Teilnehmer festgenommen worden. "Sie haben unsere Protestaktion zerschlagen und wir mussten wegrennen. Aber wir werden bald wieder da sein", erklärte die 34-jährige Myo Myo.
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Am Mittwoch mindestens 38 Menschen getötet
Am Mittwoch hatten Einsatzkräfte nach UNO-Angaben mindestens 38 Menschen getötet. Es war der bisher blutigste Tag der Proteste seit dem Putsch von Anfang Februar. Das brutale Vorgehen hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. In New York wollte sich am Freitag erneut der UNO-Sicherheitsrat mit der Lage in Myanmar befassen.
Die Militärjunta hatte nach dem Putsch vom 1. Februar einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt. Die Demonstranten fordern die Rückkehr zu demokratischen Reformen, die Freilassung der unter Hausarrest gestellten Regierungschefin Aung San Suu Kyi und die Wiedereinsetzung ihrer zivilen Regierung. Die 75-Jährige hatte die Parlamentswahl im November klar gewonnen.
Am Freitag fiel in weiten Teilen Myanmars der Strom aus. Die Ursache dafür war zunächst unklar. Bewohner der Städte Myitkyina im Norden des Landes, in der Hauptstadt Naypyidaw, in Yangon sowie in Mawlamyine im Süden berichteten, dass die Stromversorgung am Nachmittag unterbrochen war. Das Energieministerium war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Fluchtbewegung nach Indien
Myanmar befindet sich im Aufruhr, seit das Militär am 1. Februar die bisherige De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi festnahm und damit eine seit einem Jahrzehnt währende Demokratisierung des Landes beendete. Seither gehen täglich Menschen zu Protesten auf die Straßen, die Sicherheitskräfte gehen gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Mindestens 54 Menschen wurden nach Angaben der UNO bisher bei den Protesten getötet, 1700 Menschen inhaftiert.
Angesichts der brutalen Gewalt gegen die pro-demokratische Demonstranten hat nach Behördenangaben und Zeugenberichten eine Fluchtbewegung nach Indien eingesetzt. Allein am Mittwoch seien neun Menschen über die Grenze in den indischen Unionsstaat Mizoram geflohen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Darunter seien drei Polizisten, die sich geweigert hätten, sich an der Niederschlagung der Proteste zu beteiligen. Nach einem Bericht der Zeitung "The Hindu" kamen seit Mittwoch mindestens 20 Menschen über die Grenze, Einwohner berichteten demnach von mindestens 50 Geflüchteten in den Bezirken Champhai und Serchhip.
USA verschärfte Sanktionen gegen Junta
Die USA verschärften unterdessen angesichts des brutalen Vorgehens der Armee in Myanmar gegen die eigene Bevölkerung ihre Sanktionen gegen die Militärjunta. Die neuen Strafmaßnahmen seien eine Reaktion auf die "schockierende und tödliche Gewalt" gegen Demonstranten, erklärte US-Außenminister Antony Blinken am Donnerstag. Der UN-Sicherheitsrat wollte am Freitag auf Antrag Londons über die Lage in dem südostasiatischen Land beraten, in dem seit dem Staatsstreich am 1. Februar mindestens 54 Zivilisten getötet wurden.
Blinken rief zur "Wiederherstellung der Demokratie" in Myanmar auf. Nach Angaben des Handelsministeriums verhängten die USA neue Exportbeschränkungen. Demnach unterliegen Ausfuhren nach Myanmar nun strengeren Kontrollen.
Die US-Sanktionen betreffen das Verteidigungs- und das Innenministerium des Landes, für den Putsch verantwortliche Generäle sowie zwei staatseigene Unternehmen. Der Export von Gütern, die für militärische Zwecke genutzt werden könnten, soll durch die Kontrollen unterbunden werden.
US-Außenamtssprecher Ned Price äußerte sich empört über die jüngste Eskalation der Gewalt in Myanmar. Die US-Regierung werde zusammen mit ihren Verbündeten weiter auf die "inakzeptablen" Vorgänge reagieren. (APA/Reuters/dpa/AFP)