Rechtsstaatsmechanismus

EU-Parlament droht EU-Kommission mit Klage beim EuGH

Das EU-Parlamentsgebäude in Straßburg.
© APA/EPA/PATRICK SEEGER

Weil die Kommission den Rechtsstaatsmechanismus im Gemeinschaftshaushalt noch nicht zur Anwendung gebracht hat, droht das Parlament mit einer Klage wegen „Untätigkeit“.

Brüssel – Das EU-Parlament droht der Europäischen Kommission mit einer Klage, weil sie den Rechtsstaatsmechanismus im Gemeinschaftshaushalt noch nicht zur Anwendung gebracht hat. Das Parlament betrachte dies als „Untätigkeit“, heißt es in einer Entschließung, die am Donnerstag in Brüssel mit breiter Mehrheit angenommen wurde. Sollte die Brüsseler Behörde ihren Verpflichtungen bis zum 1. Juni nicht nachkommen, werde das Parlament Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen.

Der Rechtsstaatsmechanismus ist seit Anfang dieses Jahres in Kraft und berechtigt die Kommission, den Mitgliedstaaten bei rechtsstaatlichen Verfehlungen zulasten des Gemeinschaftshaushalts EU-Mittel zu kürzen. Im Fokus standen in diesem Zusammenhang bisher vor allem Polen und Ungarn, die seit Jahren in Brüssel wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundwerte am Pranger stehen.

„Die Situation in Bezug auf die Achtung des Rechtsstaatsprinzips in einigen Mitgliedstaaten“ rechtfertige eine sofortige Anwendung des neuen Instruments, heißt es im Entschließungstext. Die EU-Abgeordneten nähmen jedoch „mit Enttäuschung zur Kenntnis“, dass die Kommission bis dato keine entsprechenden Schreiben an betroffene Mitgliedstaaten gerichtet habe.

Polen und Ungarn wehrten sich vehement

Warschau und Budapest hatten sich vehement gegen den Rechtsstaatsmechanismus gewehrt und dabei über Wochen ein billionenschweres Finanzpaket aus dem EU-Haushalt und dem Corona-Hilfsfonds blockiert. Schließlich stimmten sie zu, nachdem die Staats- und Regierungschefs zugesichert hatten, dass Kürzungen von EU-Geldern erst erfolgen würden, nachdem der EuGH das Instrument rechtlich geprüft habe.

Die entsprechenden Klagen reichten die beiden Länder vergangene Woche in Luxemburg ein. Auch ein beschleunigtes EuGH-Verfahren wird wohl bis zu einem Jahr dauern. Ungarn, Polen und eventuell anderen EU-Ländern drohen also frühestens Ende 2022 Sanktionen.

In ihrer Entschließung führen die Abgeordneten nun an, „dass Klagen vor dem EuGH (...) keine aufschiebende Wirkung haben“. Auch kritisieren sie, dass die Kommission vor der Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus dafür noch „Leitlinien“ entwickeln wolle. Dies hatte die Behörde mit Blick auf den Gipfel-Kompromiss mit Polen und Ungarn angekündigt.

„Rechtsstaatlichkeit fundamentaler Wert der EU"

„Rechtsstaatlichkeit ist ein fundamentaler Wert der Europäischen Union und jeder Mitgliedstaat muss sie ohne Wenn und Aber respektieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Steuergeld irgendwo hinfließt, wo es Korruptionsfälle gibt oder die Rechtsstaatlichkeit nicht sichergestellt ist“, sagte die Delegationsleiterin der ÖVP im Europaparlament Angelika Winzig. Was nütze der seit Jahresanfang in Kraft getretene EU-Rechtsstaatsmechanismus, wenn er von der EU-Kommission nicht angewandt werde, fragte sich die Grüne EU-Delegationsleiterin Monika Vana. „Seitens der Kommission gehören endlich Fakten geschaffen, die diesem ständigen Bruch der EU-Werte einen Riegel vorschieben“, forderte sie. „Wenn europäische Regierungen die Rechtsstaatlichkeit systematisch abbauen, müssen EU-Förderungen gekürzt werden“, forderte die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath. „Wir dürfen den Abbau von Demokratie nicht länger mit EU-Geldern füttern. Die EU-Kommission muss den Mechanismus anwenden und darf auch nicht länger damit zögern, Vertragsverletzungsverfahren in die Wege zu leiten“, so Vollath.

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Die Kommission hatte derartige Kritik mehrmals zurückgewiesen. Sie führt an, den Rechtsstaatsmechanismus nach grünem Licht aus Luxemburg gegebenenfalls rückwirkend auf Verstöße ab Jänner anwenden zu wollen. (APA/AFP)

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