Weltraum-Geschichte

Vor 60 Jahren: Russe Juri Gagarin flog als erster Mensch ins All

Juri Gagarin ist in Russland ein Nationalheld.
© NATALIA KOLESNIKOVA

Wir schreiben das Jahr 1961. Die Raketentechnik steckt noch in den Kinderschuhen, da gelingt den Russen der erste große Meilenstein in der bemannten Raumfahrt. 108 Minuten fliegt Juri Gagarin durchs Weltall. Seine Überlebenschance lag damals bei 50 Prozent. Noch heute ist er ein Nationalheld.

Moskau – 60 Jahre nach dem ersten Flug eines Menschen ins Weltall feiert Russland seinen Helden Juri Gagarin und das historische Ereignis groß. Vier Kosmonauten auf der Raumstation ISS erinnerten in einer Grußbotschaft aus dem All an ihre Landsleute am Montag an Gagarins 108-minütigen Flug am 12. April 1961. "An diesem Tag begann auch eine neue Geschichte, die Geschichte der bemannten Raumfahrt", sagte Kosmonaut Sergej Kud-Swertschikow.

📽️ Video | Grußbotschaft russischer Astronauten von der ISS

Sein ruhiges Temperament zeichnete ihn aus

Mit einem doppelten kommunistischen Bruderkuss wurde Juri Gagarin am 12. April 1961 an der Startrampe verabschiedet. Einen Tag zuvor gab es die offizielle Feier für den 27-jährigen Astronauten. Mit einigen offensichtlich auswendig gelernten Sätzen wandte er sich an sein Team und die ganze Welt:

Kameraden, ich möchte unserer Regierung, der Kommunistischen Partei und dem sowjetischen Volk versichern, dass ich diesen Auftrag ehrenvoll erfüllen werde, indem ich die erste Straße ins Weltall baue. Und wenn ich auf dieser Straße auf Schwierigkeiten stoße, werde ich sie überwinden, so, wie gute Kommunisten es tun.
Juri Gagarin, erster Mensch im Weltall

Trotz technischer Probleme vor dem Start blieb Gagarin ruhig. Unter anderem deshalb war er für den ersten bemannten Weltraumflug ausgewählt worden. Allerdings nur unter anderem deshalb. Gagarin war ausgebildeter Jagdflieger, mit nur 1,57 Metern klein genug und jünger als 30 Jahre – alles Eigenschaften, die Voraussetzungen gewesen waren. Tatsächlich war der erste Kosmonaut weniger Pilot als menschliche Fracht – gesteuert wurde die Rakete vom Boden aus. 108 Minuten nach dem Start landete er bei dem Dorf Smelowka nahe der Wolga.

Juri Gagarin kurz vor seinem Flug ins All.
© APA/AFP/HO

Der 12. April geht in die Geschichte ein

Der 12. April wird in Russland als Tag der Raumfahrt gefeiert, 2011 erklärten ihn die Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der bemannten Raumfahrt. Russland begeht den 60. Jahrestag groß mit Ausstellungen und der Eröffnung eines nach Gagarin benannten Parks in der Nähe der Stadt Engels im Gebiet Saratow an der Wolga. Dort landete der Kosmonaut damals nach seiner Rückkehr aus dem All.

🚀🌙 USA vs. Russland: Der Wettlauf um das All

1957 schickt die Sowjetunion den Satellit Sputnik 1 ins All und die USA in einen Schockzustand. Es ist der Beginn eines jahrzehntelangen Wettrennens zwischen der Sowjetunion/UdSSR und den USA um die Vorherrschaft im All, um strategische Planungen im Kalten Krieg, um Prestige und Macht.

Die Amerikaner gründen daraufhin 1958 die Raumfahrt-Agentur NASA und starten das "Mercury-Programm". Das Ziel beider Supermächte: als erstes einen Menschen in den Weltraum schicken. Dieses Unterfangen ist mit großen Risiken verbunden, die Raketen-Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Tiere – eine Hündin bei den Russen, ein Affe bei den Amerikanern – müssen für die ersten Flüge ins All herhalten. Erstere stirbt, zweiterer überlebt gerade so.

Es sind erneut die Russen, die den ersten Meilenstein in der Geschichte der bemannten Raumfahrt setzen. 1961 umrundet der Armeeoffizier Juri Gagarin in 108 Minuten erfolgreich die Erde. Seine Überlebenschance: 50:50.

Von da an geht es Schlag auf Schlag. Beide Länder betreiben Forschungsprogramme, bei denen untersucht wird, wie man Menschen sicher ins All bringt und wie Raketen am besten gesteuert werden.

Beim nächsten Meilenstein haben wie schon zuvor die Russen die Nase vorne: Alexej Leonow gelingt 1964 der erste Weltraumspaziergang, die Amerikaner können bei diesem Durchbruch nur zuschauen.

Der Wettlauf zum Mond geht weiter. Die USA machen entscheidende Fortschritte, das russische Raumfahrtprogramm erleidet durch den Tod des Raketenkonstrukteurs Sergei Koroljow, Kopf und Lenker des Programms, einen herben Rückschlag.

1966 beginnt die NASA das "Apollo-Programm". Mit hoher Geschwindigkeit und enormen Risiko werden die letzten Schritte und Tests auf dem Weg zum Mond genommen. Selbst als drei Astronauten bei Tests in der Vorbereitung zur Apollo-1-Mission in der Kapsel verbrennen, bremsen die Amerikaner nicht und sind nach wie vor bereit, allerhöchste Risiken einzugehen.

Schließlich ist es soweit: Am 20. Juli 1969 landen Neil Armstrong, Michael Collins und Edwin Aldrin bei der Apollo 11-Mission auf dem Mond. 600 Millionen Menschen auf der Erde sehen zu, wie die beiden Astronauten Armstrong und Aldrin zweieinhalb Stunden auf dem Mond verbringen und 21 Kilo Mondgestein einsammeln.

Mit Apollo 17 endet das amerikanische Mondprogramm. Die Sowjetunion schafft es nicht, Menschen auf den Mond zu bringen.

Ganz Russland feiert seinen Nationalhelden

Die Raumfahrtagentur Roskosmos veröffentlichte auf ihrer Internetseite historische Aufnahmen von dem Flug und zeichnete Gagarins Flugbahn nach. Die Zeitung Iswestija brachte den Nachdruck einer 60 Jahre alten Ausgabe, in der die Reise des ersten Menschen ins Weltall als Sieg der kommunistischen Sowjetunion im Kampf der Systeme im Kalten Krieg gefeiert wurde.

📽️ Video | Wie Juri Gagarin 60 Jahre nach seinem Flug in Russland verehrt wird.

Die Zukunft der Raumfahrt

Im Gegensatz zu der damaligen Rivalität herrscht heute vorwiegend Kooperation im All. Vor allem durch die hohen Kosten, die jedes Raumfahrtprogramm mit sich bringt, ist ein gemeinsames Vorgehen wichtiger denn je. Bereits in den 1970er-Jahren haben die USA und die UdSSR Brücken geschlagen, von denen alle Beteiligten noch heute profitieren – ganz speziell die Internationale Raumstation oder auch die Europäische Weltraumagentur ESA.

Mittlerweile ist nach einer langen Zeit der Zurückhaltung der Mond wieder das Ziel vieler Nationen. Auch die Europäische Weltraumagentur baut unter anderem mit der NASA und der russischen Weltraumorganisation Roskosmos eine neue Station im All auf: das Lunar Gateway. Das ist eine Weltraumplattform, die den Mond umkreist und als Basis für Missionen zum Mond dienen soll.

Private Anbieter auf dem Vormarsch

Elon Musk, Jeff Bezos, Richard Branson – neben den offiziellen Raumfahrtorganisationen sind das wichtige Namen, wenn es um ums All und zukünftige Missionen geht.

Musks 2002 gegründetes Unternehmen SpaceX fliegt bereits als kommerzieller Anbieter mit eigenen Kapseln Astronauten zur ISS. Ihr großes Ziel aber ist es, am Ende diesen Jahrzehnts Menschen zum Mars zu fliegen und den Planeten sogar zu besiedeln.

Elon Musk hat in Sachen Mars-Erschließung eine Raketenlänge Vorsprung.
© BRENDAN SMIALOWSKI

Juri Gagarin wäre heute 87 Jahre alt. Sieben Jahre nach seinem risikoreichen Flug durchs All starb er im Alter von 34 Jahren am 27. März 1968 beim Absturz eines Jagdflugzeugs in der Nähe von Moskau. Um seinen Tod ranken sich bis heute viele Legenden, weil die Umstände des Unglücks lange geheim blieben. Erst fast ein halbes Jahrhundert später wurde der Untersuchungsbericht für die Öffentlichkeit zugänglich: Es handelte sich um eine Verkettung von Pfusch und menschlichem Versagen.

Was feststeht: Juri Gagarin legte mit seiner Mission den Grundstein für die bemannte Raumfahrt. Er selbst konnte sich vor 60 Jahren eine solche Entwicklung nur erträumen – als er als erster Mensch ins All flog und damit Geschichte schrieb. (APA/TT.com/foidi)

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