Forschung

Neu entdeckter Gendefekt verursacht überschießende Immunreaktion

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Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der St. Anna Kinderkrebsforschung in Wien untersuchte einen vererbten Proteinmangel und entdeckte Folgen für die Immunabwehr.

Wien – Forschende der St. Anna Kinderkrebsforschung haben mit Kollegen aus Finnland und Schweden eine neue Form einer Erbkrankheit entdeckt: Ein genetisch bedingter Mangel des Proteins RhoG hebt die normale zytotoxische Funktion bestimmter Immunzellen auf. Dadurch wird eine lebensbedrohliche Krankheit namens hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) ausgelöst, berichteten die Autoren der in der Fachzeitschrift "Blood" veröffentlichten Studie.

Die familiäre HLH tritt meist in der frühen Kindheit auf und ist eine der dramatischsten hämatologischen Erkrankungen. Bestimmte Immunzellen, nämlich T-Lymphozyten und natürliche Killerzellen (NK), sind nicht mehr fähig, eine infizierte Zielzelle abzutöten. Dadurch könne es zum Ausstoß biologischer Botenstoffe (sogenannte Zytokine) kommen, die eine massive Immunaktivierung und überschießende Abwehrreaktion („Hyperinflammation") im gesamten Körper hervorrufen. „Unbehandelt kann die mit HLH verbundene Hyperinflammation in kurzer Zeit tödlich sein", sagte Kaan Boztug, wissenschaftlicher Direktor der St. Anna Kinderkrebsforschung und Seniorautor der Studie.

Unkontrollierte Aktivierung von T-Lymphozyten und NK-Zellen

Bis vor kurzem waren vier Subtypen der familiären HLH bekannt. Sie werden durch Mutationen in Genen verursacht, die an der Regulierung der Immunabwehr beteiligt sind. „Jetzt haben wir einen neuen Typ dieser Krankheit entdeckt, der durch vererbte Mutationen in dem Gen verursacht wird, das für das Protein RhoG kodiert", sagte der Erstautor der Studie, Artem Kalinichenko.

Das Forschungsteam zeigte, wie ein Mangel an RhoG die zytotoxische Funktion von T-Lymphozyten und NK-Zellen beeinträchtigt. Das führe zu deren unkontrollierter Aktivierung und verursacht letztlich HLH. Insbesondere setzt der RhoG-Mangel in den Immunzellen deren Tötungsfähigkeit gegen infizierte oder Tumorzellen außer Kraft. Welche Rolle dies für eine Neigung zur Entwicklung von Krebs hat, werde noch erforscht.

„Wir hoffen, dass unser Verständnis der molekularen Pathomechanismen von HLH langfristig die Behandlung der Krankheit und die Prognose verbessern kann", sagte Boztug. Kurzfristige Konsequenz die eine raschere genetische Diagnose. „Wir haben herausgefunden, dass RhoG sowohl das 'Zell-Skelett' als auch die Exozytose-Maschinerie reguliert. Jetzt sind wir sehr daran interessiert zu erfahren, wie RhoG deren Aktivität in Raum und Zeit koordiniert und was das für Konsequenzen hat", sagte Kalinichenko. Unter Exozytose versteht man den Transport von Stoffen aus der Zelle heraus. (APA)