Osttirol

Gemeinwohl-Pioniere aus Osttirol ziehen Bilanz

Unternehmer Martin Kollnig mit der letzten Gemeinwohl-Bilanz. An der aktuellen Ausgabe wird gerade gearbeitet.
© Oblasser

Zehn Betriebe sind der Idee der Gemeinwohl-Ökonomie verpflichtet. Mit Sozialromantik hat das nichts zu tun, so der Sprecher der Initiative.

Von Catharina Oblasser

Dölsach, Ainet, Nikolsdorf – Geld ist nicht alles. Als Anhänger der Gemeinwohl-Ökonomie muss sich Unternehmer Martin Kollnig, Hersteller von Sonnenenergie-Systemen in Dölsach, auch andere Fragen stellen, zum Beispiel: Kommen meine Mitarbeiter umweltfreundlich zur Arbeit? Woher stammen die Rohstoffe für meinen Betrieb? Verwende ich die erwirtschafteten Gewinne für etwas Sinnvolles? Wie sehr belastet meine Tätigkeit die Umwelt? Spende ich an regionale Vereine?

Wie haben uns der Gemeinwohl-Idee angeschlossen, um zu zeigen: Es gibt nicht nur böse Kunststoffe.
Michael Eder (Unternehmer)

All das und viele andere Daten fließen in die nächste Gemeinwohl-Bilanz, die Kollnig ebenso wie neun andere Einrichtungen gerade erarbeitet. Zur Gruppe der Pioniere im Bezirk Lienz gehören außerdem die sozialökonomischen Betriebe „Schindel und Holz“ und „Gwandolina“, der Weltladen Lienz, die Regionalenergie Osttirol, das Modeatelier Marianna, der Fohlenhof Astner, die Schule für Bewegungskunst, Liot-Kunststofftechnik und die Druckerei Green Print Osttirol. Für einige ist es die zweite Bilanz, für andere schon die dritte. So unterschiedlich die Betriebstypen auch sind, das Anliegen ist das gleiche: so zu wirtschaften, dass ein gutes Leben für alle gefördert wird.

Mit Sozialromantik hat das nichts zu tun, sagt Martin Kollnig, Sprecher der Initiative. „Gewinne machen ist ja nicht verboten. Aber es kommt darauf an, wie man das Geld dann verwendet.“ Auch das wird in der Gemeinwohl-Bilanz geprüft. Für jedes Detail des betrieblichen Handelns gibt es Punkte, die maximale Zahl wären 1000 Punkte – ein rein theoretisches Ziel. „Niemand kann alle Vorgaben zu 100 Prozent erfüllen. Aber es geht auch nicht darum, ein Einser-Schüler zu sein“, sagt Martin Kollnig. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun sei wichtig.

„Gerade in Corona-Zeiten so modern wie nie"

Das findet auch Stefan Ortner von der Druckerei Green Print Osttirol in Ainet. Er ist seit 2013 Teil der Gemeinwohl-Gruppe. „Man lernt seinen eigenen Betrieb besser kennen. Bei der Bilanzierung prüft man auch nach: Bin ich meiner Linie treu geblieben?“ Für Ortner ist das Wohlergehen von Mitarbeitern, Kunden und der Region wichtiger als das rein Monetäre, heute sogar mehr denn je, sagt der Druckerei-Unternehmer zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie. „Gerade in Corona-Zeiten ist diese Art zu denken so modern wie nie. Es ist wichtig, zusammenzustehen und einander die Hand zu reichen.“ Während des Lockdowns sei das besonders spürbar gewesen.

Michael Eder von Liot-Kunststofftechnik in Dölsach hatte einen speziellen Grund, sich der Gruppe anzuschließen. „Als wir damit begonnen haben, war das Thema ,Plastic Planet‘ gerade aktuell. Kunststoff hatte einen schlechten Namen. Wir haben uns der Gemeinwohl-Idee angeschlossen, um zu zeigen: Es gibt nicht nur böse Kunststoffe. Unsere sind sehr nachhaltig und hochwertig.“

Gerade in Corona-Zeiten ist diese Art zu denken so modern wie nie. Zusammenstehen ist wichtig.
Stefan Ortner (Unternehmer)

Sylvia Astner vom Fohlenhof in Nikolsdorf waren Themen wie Ökologie und Umweltschutz schon vor der Beschäftigung mit der Gemeinwohl-Ökonomie vertraut. Auf dem landwirtschaftlichen Hof wird biologisch gewirtschaftet. „Aber die Bilanzierung schafft einen viel größeren Blickwinkel auf den eigenen Betrieb“, meint Astner. Zum Beispiel darauf, dass die eigene Arbeitskraft auch einen monetären Wert hat. „Diese Sichtweise ist am Bauernhof sonst nicht üblich.“ Eine zusätzliche Arbeit ist die Gemeinwohl-Bilanz zwar schon, aber es lohne sich, sagt die Bäuerin.

Der Gemeinwohl-Gedanke hat mittlerweile in ganz Tirol Fuß gefasst und wird immer populärer. Eine Bilanz erstellten bereits der Tourismusverband Wilder Kaiser, die Stadtwerke Kufstein und Wörgl, die Lebenshilfe Tirol, ein Bestattungsunternehmen in Imst, eine Trafik in Niederndorf, eine Seifenmanufaktur in Umhausen, mehrere Hotels und etliche andere Tiroler Unternehmen.

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