Von der Leyen will „starke soziale EU“, Kurz bremst Mückstein bei Mindestlohn
Sozialminister Wolfgang Mückstein unterstützt die Forderung einiger EU-Länder, nach einer verbindlichen EU-Richtlinie zu Mindestlöhnen. Kanzler Kurz und Arbeitsminister Kocher sehen dies kritisch. EU-Kommissionspräsidentin plädiert für eine Stärkung der sozialen Dimension Europas.
Wien – In der portugiesischen Küstenstadt Porto kommen die EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Arbeitsminister Martin Kocher (beide ÖVP), am Freitagnachmittag zu einem Sozialgipfel zusammen. Am Samstag beraten die EU-„Chefs“ darüber hinaus über die Coronakrise und den wirtschaftlichen Wiederaufbau. Kurz will sich für den „grünen Pass“ einsetzen. Ein virtueller EU-Indien-Gipfel rundet das Programm ab.
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Es ist das erste physische Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr und der erste EU-Sozialgipfel seit dreieinhalb Jahren. Von dem Treffen sind nur Absichtserklärungen zu erwarten. So soll ein Aktionsplan zur Europäischen Säule der Sozialen Rechte proklamiert werden. Zu den Zielen bis 2030 zählen eine EU-weite Beschäftigungsrate von mindestens 78 Prozent, ein Anteil von mindestens 60 Prozent Erwachsener mit Berufstraining und der EU-weite Armutsabbau um 15 Millionen gefährdete Personen.
Ablehnung für Mindestlohn-Richtlinie von Kurz und Kocher
Einer verbindlichen EU-Richtlinie zu Mindestlöhnen stehen Kurz und Kocher ablehnend gegenüber, Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sprach sich jedoch dafür aus. In einem offenen Brief mit grünen Ministern in Irland, Luxemburg, Finnland und Belgien unterstützte Mückstein die Forderung, dass alle Arbeitnehmer „über die EU-Mindestlohn-Richtlinie für ihre Arbeit angemessen entlohnt werden“.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte vor dem Gipfeltreffen eine Stärkung der sozialen Dimension Europas. Es sei „an der Zeit, unser soziales Gefüge zu flicken“, das durch die Coronakrise beschädigt worden sei, erklärte von der Leyen am Freitag auf Twitter. „Wir sind heute alle hier, um ein starkes soziales Europa aufzubauen.“ Es sei „Zeit zu liefern“, so von der Leyen.
Polen und Ungarn verhindern „Geschlechtergleichheit“
Unterdessen wurde bekannt, dass Polen und Ungarn in der geplanten Erklärung des EU-Sozialgipfels in Porto die Nutzung des Wortes „Geschlechtergleichheit“ verhindert haben. Die nationalkonservativen Regierungen in Warschau und Budapest hätten sich dagegen gestemmt, dass die Formulierung „Raum für LGBT-Rechte schafft“, sagte ein EU-Diplomat. Sie sähen „das Gefüge ihrer christlichen Gesellschaften“ in Gefahr. Polen erklärte, es könne nur um die Gleichstellung von Männern und Frauen gehen. Ungarn äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht. (APA)