Minister-E-Mails

Blümels Taktieren lässt Rücktrittsrufe lauter werden

204 Ordner: Die Akten wurden in letzter Minute lediglich in ausgedruckter Form an den U-Ausschuss geliefert. Eingestuft sind sie als „geheim“.
© THOMAS JANTZEN

Das Taktieren bei der Herausgabe von Akten an den Ibiza-U-Ausschuss lässt die Rufe nach einem Rücktritt von Finanzminister Blümel lauter werden. Die Grünen kritisieren zwar Blümels Vorgehen, halten dem Minister aber die Stange. Indes ließ der deutsche Satiriker Jan Böhmermann einmal mehr mit einem Tweet aufhorchen. Eine "Bombe" blieb jedoch aus.

Wien – Die höchst zögerliche Herausgabe von Akten an den Ibiza-U-Ausschuss hat am Freitag für geharnischte Kritik an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gesorgt. FPÖ und SPÖ verlangten seinen Rücktritt, auch weil die Unterlagen als "geheim" klassifiziert geliefert wurden. Verfassungsjuristen zweifelten an Blümels rechtsstaatlicher Gesinnung, weil er erst nach einem Exekutionsantrag des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) tätig geworden war.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hielt sich bei einer Pressekonferenz anlässlich der Präsentation des Anti-Terror-Pakets eher vage in Sachen Akten-Übergabe. Die Verfassung gebe, wie man gesehen habe, Mechanismen vor, wie man das ein oder andere durchsetzen könne. In welcher Stufe die Akten klassifiziert würden, sei dann Sache des Parlaments. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verteidigte seinen Parteikollegen Blümel. Er verwies darauf, dass das Finanzministerium den Aspekt des Datenschutzes hoch gehalten habe. Hier brauche es einen Grundrechtsausgleich.

Verfassungsjuristen zweifelten an Blümels rechtsstaatlicher Gesinnung, weil er erst nach einem Exekutionsantrag des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) tätig geworden war.
© HERBERT PFARRHOFER

Ähnlich argumentierte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag: "Es ist für Gerichte, auch den Verfassungsgerichtshof, immer eine schwierige und heikle Frage abzuwägen zwischen Datenschutzinteressen, zum Beispiel von Mitarbeitern, auch wenn es um Gesundheitsdaten geht, und dem Interesse, dass der U-Ausschuss die Einsicht bekommt, die er benötigt", sagte Kurz am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Porto. "Der Verfassungsgerichtshof hat hier eine klare Entscheidung getroffen, der wurde selbstverständlich Folge geleistet. Soweit ich informiert bin, hat das Finanzministerium auch alle angeforderten Daten geliefert."

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte am Donnerstag mit einem Exekutionsantrag an den Bundespräsidenten für die Übermittlung der Akten gesorgt. Übergeben wurden 204 Ordner an die Parlamentsdirektion, klassifiziert allerdings in Stufe drei (von vier), wodurch die Inhalte in der Öffentlichkeit nicht besprochen werden dürfen. Beantragt hatten die Daten die Oppositionsparteien. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach von einem bisher einzigartigen Fall.

Immer lautere Rücktrittsaufforderungen

SPÖ und FPÖ forderten daher den sofortigen Rücktritt Blümels, die Freiheitlichen auch jenen von Kurz, gegen den noch drei Beschwerden der Opposition beim Höchstgericht anhängig sind. Der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried und der Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Jan Krainer, kündigten dazu auch eine Sondersitzung des Nationalrates für kommende Woche an, für die sich auch die FPÖ aussprach. Krainer ging davon aus, dass Blümel bis spätestens Montag zurücktritt. Für ihn sei es nur noch die Frage, wer den Finanzminister darauf vorbereite. Wenn das nicht geschehen sollte, dann würde die SPÖ "alle Optionen im Parlament" nützen.

📽️ Video | Unmut über Akten aus Finanzministerium

Dass die nun doch vom Finanzministerium gelieferten Akten als "geheim" eingestuft wurden, ist für Krainer "keine rechtskonforme Umsetzung" des VfGH-Urteils. Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, sprach von einer Verhöhnung des Parlaments. In der nächsten Präsidiale werden man versuchen, diese Klassifizierung wegzubekommen. In diesem Zusammenhang übte Hafenecker harsche Kritik am Bundespräsidenten. Dieser habe die Exekutionsanordnung des VfGH einfach übergangen und "damit zum Ausdruck gebracht, "dass er Teil des Systems ist und mit der ÖVP packelt".

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NEOS fordern Herabstufung der Papiere

Die NEOS verlangten die Herabstufung der Papiere. Fraktionschefin Stephanie Krisper forderte Nationalratspräsident Wolfgang Sobokta (ÖVP) auf, die Interessen des Parlaments zu vertreten und nicht die "türkise Familie". Außerdem drängte sie auf elektronische Übermittlung der Unterlagen. Auch eine Exekution durch den Bundespräsidenten wollte sie prüfen.

Scharfe Kritik kam von Verfassungsjuristen. "Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind von Staatsorganen auf Punkt und Beistrich unverzüglich umzusetzen. Und wenn das nicht passiert, dann lässt das an der rechtsstaatlichen Gesinnung des Betreffenden sehr zweifeln", so Heinz Mayer im Ö1-"Morgenjournal". Sein Kollege Bernd-Christian Funk meinte, die Sache sei für Blümel "nicht ganz undelikat". In der Auseinandersetzung mit dem VfGH seien vonseiten des Finanzministers Argumente vorgebracht worden, "von denen man wissen konnte und wissen musste, dass sie nicht verfangen werden".

ÖVP verteidigt Blümel, Grüne sehen "unglückliches" Vorgehen

Die ÖVP verteidigte die späte Aktenlieferung. Fraktionschef Andreas Hanger erklärte Blümels Vorgehen damit, dass das Finanzministerium die Unterlagen vor Übermittlung datenschutzrechtlich habe prüfen müssen. Den Untersuchungsausschuss bezeichnete er zum wiederholten Mal als Steuergeldverschwendung.

Die Grünen, Koalitionspartner der ÖVP, schlossen sich den Rücktrittsaufforderungen nicht an. Die Vorwürfe reichten nicht dafür, befand die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-"Mittagsjournal". Die Vorgangsweise der Aktenlieferung sei aber "mehr als unglücklich". "Schneller und direkter wäre gescheiter gewesen", tadelte auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in der "Krone" den Koalitionspartner.

Sanfter Tadel an seinen Parteigenossen in Wien kam von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Zwar betonte auch er, dass die E-Mails vom Finanzminister geliefert worden seien: "Wir sind ein Rechtsstaat. Die Rechtsmittel sind eingehalten worden", sagte er zu ATV. "Aber persönlich denke ich mir, man muss nicht mit allem und jedem bis zum letzten Abdruck warten."

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hielt sich bei einer Pressekonferenz anlässlich der Präsentation des Anti-Terror-Pakets eher vage in Sachen Akten-Übergabe. Die Verfassung gebe, wie man gesehen habe, Mechanismen vor, wie man das ein oder andere durchsetzen könne. In welcher Stufe die Akten klassifiziert würden, sei dann Sache des Parlaments. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verteidigte seinen Parteikollegen Blümel. Er verwies darauf, dass das Finanzministerium den Aspekt des Datenschutzes hoch gehalten habe. Hier brauche es einen Grundrechtsausgleich.

Böhmermann-Tweet ließ aufhorchen

Der deutsche TV-Satiriker Jan Böhmermann hat am Freitag in seiner ZDF-Sendung "Magazin Royale" indes Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine "Spezialausgabe" gewidmet. Vor der Ausstrahlung hatte Böhmermann die Sendung via Twitter mit den Worten "Noch hat Gernot Blümel Zeit zurückzutreten, ohne dass es aussieht, als wäre das @zdfmagazin schuld daran" beworben, was zu Spekulationen in diversen Medien und auf Twitter sorgte.

Schließlich hatte Böhmermann 2019 vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos mit Andeutungen über den Inhalt des auf der Mittelmeerinsel aufgenommen Materials, das die türkis-blaue Regierung zu Fall gebracht hatte, für Aufsehen gesorgt. Seither spielte er immer wieder einmal mit Anspielungen auf die österreichische Politik, angekündigte "Bomben" blieben aber aus. So auch am Freitag. (APA)

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