Patentfreigabe für Corona-Vakzine laut EU „keine Wunderlösung“
Man sei gesprächsbereit, sobald ein konkreter Vorschlag aus den USA vorliege, äußerte sich EU-Ratspräsident Charles Michel zurückhaltend zur Freigabe von Impfstoff-Patenten. Eine Weichenstellung für den „Grünen Pass“ soll beim nächsten Gipfel erfolgen.
Brüssel – Die EU bleibt bezüglich des US-Vorschlags zur Freigabe von Impfstoff-Patenten zur Beseitigung des weltweiten Mangels an Corona-Vakzinen zurückhaltend. „Wir denken nicht, dass das kurzfristig eine Wunderlösung ist“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstag beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in der portugiesischen Küstenstadt Porto. Eine Weichenstellung für den „Grünen Pass“ soll beim nächsten Gipfel erfolgen. Mit Indien wird es wieder Handelsgespräche geben.
Die Union will sich einer Diskussion über die Patentfreigabe aber nicht verschließen. Man sei bereit, über das Thema zu diskutieren, sobald ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liege, sagte Michel. Gleichzeitig sollte man die internationalen Partner dazu ermuntern, den Export von Corona-Impfstoffen zu erleichtern. Zugleich warb er für die rasche Aufhebung von Exportschranken. Dennoch sei die EU gesprächsbereit, sobald ein konkreter Vorschlag aus den USA vorliege.
Biden stellte sich hinter Forderung ärmerer Länder
Die 27 EU-Staaten hatten am Freitagabend über den Vorstoß von US-Präsident Joe Biden beraten. Würden Patente aufgehoben, könnten Hersteller weltweit ohne Lizenzgebühren die Corona-Impfstoffe produzieren. Biden hatte sich zuvor überraschend hinter Forderungen ärmerer Länder zur Aussetzung des Patentschutzes für Covid-19-Impfstoffe gestellt. Dann könnten Hersteller in aller Welt die Impfstoffe ohne Lizenzgebühren produzieren. Kritiker wenden ein, nicht die Patente seien das Hindernis, sondern Produktionskapazitäten, Kenntnisse und Rohstoffnachschub.
Die EU betont, sie sei derzeit die einzige demokratische Region, die in großem Maßstab Corona-Impfstoff exportiere. Mehr als 200 Millionen Dosen seien aus der EU ausgeführt worden – in etwa so viel, wie innerhalb der Union ausgeliefert wurden. Die USA behalten dort produzierten Impfstoff hingegen vorrangig selbst. Biden hatte Ende April gesagt, die Impfstoffe aus den USA würden künftig auch zum „Arsenal“ für andere Länder. Aber vorher werde jeder Amerikaner Zugang haben.
Weichenstellung für „Grünen Pass“ der EU am 25. Mai
Weiters kündigte Michel in Porto an, der nächste EU-Gipfel am 25. Mai in Brüssel solle die Einigung auf den „Grünen Pass“ – ein europäisches Zertifikat für Geimpfte, Getestete und Genesene - vorbereiten. Derzeit gibt es noch große Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Europaparlament, welches die Quarantäne für Besitzer des „Grünen Passes“ gänzlich aufheben will, und Staaten wie Deutschland, die weiter Einschränkungen verhängen können wollen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der Österreich in Porto vertrat, forderte eine Lösung beim nächsten EU-Gipfel am 25. Mai. Sollte keine europäische Lösung gelingen, müsste auch Österreich mit anderen Staaten bilaterale Verträge abschließen, so Kurz. Einige EU-Staaten würden den Pass national so wie Österreich bereits im Mai einführen und würden auch bilaterale Verträge abschließen. Die offenen Fragen seien nicht so komplex, es gehe um die Abschaffung der Quarantäne und die Anerkennung von Dokumenten. „Das ist keine Atomphysik“, sagte Kurz.
Viele Jobs würden von der Reisefreiheit in Europa abhängen, sagte der Kanzler. Es sei aber auch Staaten, die bisher auf der Bremse gestanden seien, bewusst geworden, wie wichtig den Menschen das Reisen. Auch sei die Reisetätigkeit eine wesentliche Säule der Wirtschaft.
Stärkung sozialer Rechte eigentlich im Zentrum des Gipfels
Im Zentrum des EU-Gipfels in Porto standen eigentlich die Stärkung sozialer Rechte in der Staatengemeinschaft und das Bekenntnis zu einem gerechten Aufschwung mit guten Jobs nach der Corona-Krise. Dazu hatten die EU-Staaten am Freitag mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden eine feierliche Verpflichtungserklärung unterzeichnet.
Am Samstagnachmittag wollen sich die Staats- und Regierungschefs in einem Videogipfel mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi zusammenschalten. Dabei soll der Neustart von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen vereinbart werden. (APA/dpa/AFP/Reuters)