Neustart in der Tiroler Landesregierung, aber weiter im Krisenmodus
Im Landtag wurde vor allem über das Corona-Krisenmanagement debattiert. Die Wahl der neuen Landesräte und der Landtagsvizepräsidentin verlief glatt.
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Innsbruck – Nach der Personalrochade in der Vorwoche hat der Tiroler Landtag gestern die beiden neuen ÖVP-Regierungsmitglieder gewählt. Annette Leja führt jetzt das Gesundheits- und Wissenschaftsressort, der langjährige Landtagsvizepräsident Toni Mattle übernimmt die Wirtschaftsagenden. Im Vorfeld häuften sich besonders im Wirtschaftsbund die kritischen Stimmen, der Wirtschaftsflügel in der ÖVP hätte lieber ihren Kammerpräsidenten Christoph Walser in der Regierung sitzen gesehen. Doch nach mehreren Aussprachen zwischen Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Walser bzw. Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl haben sich die Wogen vorerst geglättet.
Walser saß am Dienstag erste Reihe fußfrei im Landtag. Seine politischen Ansprüche hat der Thaurer Bürgermeister nicht aufgegeben, doch vorerst zurückgestellt. Eine gewisse Anspannung war den 17 ÖVP-Mandataren schon anzumerken, Rochaden im ÖVP-Team kannten viele nämlich nicht. Wie auch. Denn es gab erst zwei Wechsel in Platters Regierungsteam: Christian Switak trat 2012 als Finanzlandesrat zurück, der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter Toni Steixner kandidierte 2013 nicht mehr.
Wahl von Leja, Mattle und Kircher lief glatt
Die ÖVP-Riege rückte gestern Vormittag jedoch wie erwartet wieder zusammen, auf die Grünen konnten sie sich ohnehin verlassen. So ging die Wahl der beiden Regierungsmitglieder glatt, Leja und Mattle erhielten 24 von 36 Stimmen. Schon vor der Abstimmung hatte NEOS-Klubchef Dominik Oberhofer in oppositioneller Pragmatik davon gesprochen, dass die Pinken für die neuen Landesräte stimmen werden, um einen Neustart zu ermöglichen.
Die als Landtagsvizepräsidentin nominierte Sophia Kircher (27) konnte sich dann ebenfalls über 21 Stimmen freuen, die von der SPÖ aufgestellte Gegenkandidatin und Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik erhielt 14 Stimmen. Platter verteidigte Kircher. „Es wird immer kritisiert, dass junge Leute nicht forciert werden. Dann tut man es einmal und dann wird es auch kritisiert.“ Nächste Woche werden sich die Landtagsabgeordneten erneut zur regulären Mai-Landtagssitzung treffen.
Frauen-Trio führt jetzt den Landtag
Das ist österreichweit einzigartig: Der Tiroler Landtag wird seit gestern von drei Frauen geführt. Mit der Wahl von Sophia Kircher (ÖVP) unterstützen zwei Stellvertreterinnen Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP). Seit Beginn der Legislaturperiode übt Stephanie Jicha (Grüne) diese Funktion bereits aus.
Mit der mündlichen Anfrage an ihren Regierungschef, „Das Land Tirol gemeinsam in die Zukunft führen“, versuchte die Volkspartei, Landeshauptmann Platter das berühmte Hölzel zu werfen. Damit eröffnete die ÖVP selbstredend eine Debatte über das Tiroler Corona-Krisenmanagement, das durch die Affäre um das von der schwarz-grünen Landesregierung direkt beauftragte Test-Labor „Lab Truck“ zuletzt erneut massiv ins Gerede gekommen ist.
„Feel-Good-Tour": Opposition kritisiert Platter
Platter spannte seinerseits einen Bogen von der Bildungspolitik über die Digitalisierung bis hin zur Nachhaltigkeit, damit Tirol wieder dort anschließen könne, wo es vor Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 gestanden sei. Leja bezeichnete der Landeshauptmann als exzellente Gesundheitsmangerin, Mattle als tüchtigen Unternehmer und allseits geschätzten Politiker.
SPÖ-Vorsitzender Georg Dornauer hingegen riet Platter, seine „Feel-Good-Tour“ in den Reihen des ÖVP-Landtagsklubs zu beginnen. Dort herrschte zuletzt große Unzufriedenheit. Vom Landeshauptmann forderte der SPÖ-Chef tragfähige politische Konzepte in der Digitalisierung, der Ökologisierung und im Kampf gegen die Drei-Klassen-Medizin. Der Konter von ÖVP-Klubchef Jakob Wolf erfolgte postwendend: „Über das Wohlbefinden im ÖVP-Klub muss sich Dornauer keine Gedanken machen. Jetzt geht es darum, Tirol wieder vorwärtszubringen.“
FPÖ-Parteiobmann Markus Abwerzger macht Platter dafür verantwortlich, mit seinem Corona-Krisenmanagement die Marke Tirol geschädigt zu haben. Der Klubchef der Grünen, Gebi Mair, erklärte, dass erst nach dem Unglück, wie der Pandemie, die Folgen der Krise langfristig sichtbar werden. „Das müssen wir jetzt bewältigen.“
Markus Sint von der Liste Fritz sagte schließlich an die Adresse Platters, dass sich die Tiroler weniger fragen würden, weshalb die beiden scheidenden Landesräte ihren Rückzug angetreten hätten, sondern vielmehr warum die amtierenden noch im Amt seien. (pn)
Rund um den Landtag: Für elf Stunden Gesundheits-LR
Das hätte sich Agrarreferent und Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) wohl auch nicht gedacht, dass er einmal Gesundheitsreferent in der Landesregierung sein wird. Zumindest elf Stunden war er es, schließlich trat der Amtsverzicht von Bernhard Tilg Dienstag um 0 Uhr in Kraft. Damit sprang er zum Unmut der Opposition gleich für Landeshauptmann Günther Platter (VP) in die Bresche und beantwortete die Fragen zur Affäre um das Test-Labor HG Pharma. LR Johannes Tratter (VP) übernahm kurzzeitig die Wirtschaftsagenden.
Es sei ja sehr vielsagend, dass Platter seinen Stellvertreter Josef Geisler interimistisch zum Gesundheitslandesrat gemacht habe, anstatt selbst in diesen Zeiten kurzfristig die Agenden zu übernehmen, übte denn auch FPÖ-Obmann Markus Abwerzger scharfe Kritik. Für SPÖ-Vorsitzenden Georg Dornauer ist der Volkspartei „der Schutz des Landeshauptmannes vor politisch unerwünschten Fragen wichtiger als die Aufklärung der Tirolerinnen und Tiroler“. Unverständnis herrschte auch bei der Liste Fritz, weil eine Anfragebeantwortung zur HG Pharma auf den Mai-Landtag verschoben wurde. „Der Regierungschef ist verantwortlich“, so Parteichefin Andrea Haselwanter-Schneider. Schließlich trat die Landesregierung nach der Angelobung sofort zu ihrer ersten Sitzung zusammen.
Als historischen Tag bezeichnet die frisch gewählte Landtagsvizepräsidentin und Obfrau der Jungen ÖVP Sophia Kircher, „die sich ihr neues Amt selbstverständlich zutraut“, den gestrigen Tag. So viele Abgeordnete wie noch nie seien aus den Reihen der JVP Tirol im Tiroler Landtag vertreten. „Zudem sind mit dem heutigen Tag 9 der 36 Abgeordneten des Tiroler Landtages unter 35 Jahre alt. Das ist ein starkes Signal für die Jugend in unserem Land.“ Die Biologin Marina Ulrich (24) aus Zams, die für Toni Mattle in den Landtag aufrückte, ist jetzt die jüngste Abgeordnete im Tiroler Landtag.