Israel/Palästina

Zeichen in Nahost stehen auf Eskalation, Raketen auch aus dem Libanon

Israelische Kampfflugzeuge haben ein weiteres von Militanten genutztes Hochhaus in Gaza zerstört. In dem 14-stöckigen Gebäude hatten sowohl die Hamas als auch der militante Islamische Jihad Büros.
© MAHMUD HAMS

Aus dem Gazastreifen wurden erneut Hunderte Raketen abgefeuert, Israel fliegt massive Luftangriffe, auch aus dem Libanon wurden Raketen geschossen. In mehreren israelischen Städten gab es Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern. Mehrere Fluglinien setzten Flüge von und nach Tel Aviv aus – darunter auch die AUA.

Tel Aviv – Trotz internationaler Appelle für ein rasches Ende der Gewalt stehen die Zeichen in Nahost weiter auf Eskalation: Aus dem Gazastreifen wurden erneut Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert, Flüge zum Flughafen Ben Gurion wurden umgeleitet. In mehreren israelischen Städten gab es Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu stimmte die Bürger des Landes unterdessen auf einen längeren Einsatz im Gazastreifen ein.

📽 Video | Keine Entspannung in Nahost in Sicht: Über 100 Tote in Gaza

Nach tagelangem gegenseitigen Beschuss zwischen der radikalislamischen Hamas und der israelischen Armee wächst international die Angst vor einem erneuten Krieg im Nahen Osten. Die radikal-islamische Hamas feuerte weitere Raketen auf israelische Städte wie Tel Aviv. Tausende Menschen im Süden Landes flüchteten sich in Luftschutzbunker. Das israelische Militär zog Kampftruppen und Panzer an der Grenze zum Gazastreifen zusammen, was Erinnerungen an die Kriege 2008/2009 und 2014 weckte.

Israels Verteidigungsminister Benny Gantz genehmigte die Mobilisierung von weiteren 9000 Reservisten. Dies teilte sein Büro am Donnerstag mit. Die zusätzlichen Kräfte sollen demnach unter anderem dem südlichen und zentralen Regionalkommando der Streitkräfte zugeteilt werden. Am Dienstag hatte die israelische Armee bereits 5.000 Reservisten mobilisiert. In Petah Tikva nahe Tel Aviv wurden fünf Menschen verletzt, als ein Geschoß aus dem Gazastreifen in einem Wohnkomplex einschlug.

Drei Raketen aus dem Libanon auf Israel gefeuert

Aus dem Libanon sind israelischen Angaben zufolge drei Raketen auf Israels Norden gefeuert worden. Die Geschoße seien im Meer gelandet, teilt das israelische Militär am Donnerstagabend mit. Dabei sei weder jemand verletzt noch Schaden angerichtet worden.

US-Präsident Joe Biden erklärte nach einem Telefonat mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu, er gehe davon aus, dass die Kämpfe bald enden werden. Anzeichen dafür gab es aber nicht. Der britische Premierminister Boris Johnson rief zu einer sofortigen Deeskalation auf. Auch der russische Präsident Wladimir Putin und UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderten ein Ende der Kämpfe. Netanyahu sagte allerdings, der militärische Einsatz werde noch länger dauern. Hamas-Chef Ismail Haniyeh sprach von einer "unbefristeten Konfrontation mit dem Feind".

Hunderte Raketen aus Gaza, Israel reagiert mit massivem Angriffen

Seit Montagabend beschießen militante Palästinenser Israel massiv mit Raketen. Die israelische Armee reagiert auf den Beschuss mit dem umfangreichsten Bombardement seit dem Gaza-Krieg des Jahres 2014. Nach israelischen Angaben feuerten militante Palästinenserorganisationen wie die Hamas und der Islamische Jihad bisher mehr als 1600 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Dabei wurden in Israel sieben Menschen getötet, darunter ein Kind sowie ein Soldat.

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Im Gazastreifen starben seit der Eskalation der Gewalt nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mehr als 100 Menschen. Zudem meldeten die Gesundheitsbehörde knapp 500 Verletzte.

📽 Video | Israel verschärft Einsatz gegen Hamas

Die israelische Armee beschoss am Donnerstag mehrere Gruppen von Hamas-Kämpfern, die Panzerabwehrraketen abfeuern wollten. Insgesamt vier militante Trupps seien aufgespürt und angegriffen worden, teilte das Militär mit. Zudem hätten Streitkräfte ein Militärgelände mit drei Vorrichtungen zum Abschuss von Panzerabwehrraketen auf einem Gelände der Hamas getroffen. Eine Anlage des Hamas-Geheimdienstes sei beschossen worden. In Gaza-Stadt wurde ein sechsstöckiges Wohnhaus zerstört, das nach israelischen Angaben der Hamas gehörte. Auf israelischer Seite wurden nach Angaben der Polizei fünf Menschen nahe Tel Aviv verletzt, als eine von Palästinensern abgefeuerte Rakete in ein Gebäude einschlug.

Vor dem Hintergrund des Konflikts nahmen auch die Spannungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis zu. Die Polizei berichtete am späten Mittwochabend von gewaltsamen Zwischenfällen in Akkon (Akko), Haifa und Lod. Mehr als 370 Menschen wurden festgenommen. In Bat Yam südlich von Tel Aviv wurde ein mutmaßlich arabischer Einwohner von einer wütenden Menge ultranationalistischer Juden attackiert.

Netanyahu spricht von Kampf "an zwei Fronten"

Netanyahu prangerte die Gewalt in israelischen Städten als "inakzeptabel" an. "Nichts rechtfertigt das Lynchen von Arabern durch Juden und nichts rechtfertigt das Lynchen von Juden durch Araber", betonte er. Mit Blick auf die Ausschreitungen im Land und den gleichzeitigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen sprach Netanyahu von einem Kampf "an zwei Fronten".

Als Auslöser der jüngsten Gewalteskalation gelten etwa Polizei-Absperrungen in der Jerusalemer Altstadt, die viele junge Palästinenser als Demütigung empfanden. Hinzu kamen drohende Zwangsräumungen von Familien und daraus resultierende Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen Siedlern im Jerusalemer Viertel Sheikh Jarrah sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg.

Unterdessen setzten mehrere Fluglinien wegen des neu aufgeflammten Nahost-Konflikts ihre Flüge von und nach Tel Aviv aus. Austrian Airlines, Lufthansa und British Airways annullierten ihre Flüge vorübergehend.

Ägypten bemühte sich indes erneut um Vermittlung zwischen Israelis und Palästinensern. Eine ägyptische Delegation traf dafür am Donnerstag in Tel Aviv ein, um auf eine Feuerpause zwischen beiden Seiten hinzuarbeiten, wie es aus Sicherheitskreisen hieß. In den Gesprächen solle es auch um Wohnungsräumungen gehen, die palästinensischen Familien in Jerusalem drohten. Auch Russland bemüht sich um Vermittlung. "Verschiedene Länder unternehmen Anstrengungen und nutzen ihre Kontakte, um die Parteien zur Zurückhaltung zu ermutigen – auch Russland", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau der Staatsagentur Tass zufolge.

Ebenso will der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zu einer raschen Beruhigung beitragen. In einem Telefonat mit dem Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas habe der 43-Jährige die Raketenangriffe der islamistischen Hamas und "anderer terroristischer Gruppen" auf Israel verurteilt, teilte der Élysée Palast am Donnerstag in Paris mit. Macron wolle auch mit Netanyahu telefonieren. Geplant seien weitere Kontakte mit Partnern in der Region, unter anderem mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. (APA/AFP/dpa/Reuters)

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