Der Pandemie vergessene Kinder: Politik plant Maßnahmen nach Krise
Von geschlossenen Kindergärten über Social Distancing bis hin zur Corona-Matura: Kaum eine Gruppe leidet so stark unter den sozialen Folgen der Pandemie wie jene der Kinder und Jugendlichen. Die Politik will gegensteuern.
Von Manfred Mitterwachauer
Innsbruck – Ein Achtjähriger, der zwei Geburtstage in Folge ohne seine Freunde feiern muss. Eine Schülerin, die gegen den Makel, eine „Corona-Matura“ absolviert zu haben, anzukämpfen hat. Ein Jugendlicher, dessen Erwachsenwerden seit vielen Monaten nur vom Social Distancing geprägt ist. Über viele Monate wurden Kinder und Jugendliche ähnlich wie Heimbewohner durch die Pandemie gesellschaftlich isoliert und in ihrem Recht auf Bildung beschnitten.
Für NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer sind Kinder und Jugendliche „die ungehörten Opfer des Lockdowns“, wie er gestern auf pinke Initiative die Aktuelle Stunde im Landtag übertitelte. Die Folgen seien fatal, verwies Oberhofer auf erste Studien: übermäßiger Handykonsum, depressive Stimmungen, ein gestiegener Medikamentenkonsum und eine deutliche Zunahme von Suizidgedanken. Diese Alarmsignale, so Oberhofer, hätte die Politik auch hierzulande erst viel zu spät wahrgenommen. Stattdessen würde man Therapieplätze streichen und allein in Innsbruck – aufgrund fehlender Schulärzte – „3000 Kinder ohne schulärztliche Untersuchung“ dastehen lassen: „Das ist der größere Skandal als Ischgl oder HG Pharma.“ Umso dringender ruft Oberhofer die schwarz-grüne Landesregierung auf, das Jahr 2021 der Kinder- und Jugendgesundheit zu widmen.
Von einer „Lost Generation“ will Liste-Fritz-Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider zwar nicht sprechen, dass die Jüngeren aber mit massiven Defiziten konfrontiert seien, sei unbestritten. Der Regierung wirft sie vor, entlastende Maßnahmen (Bsp.: Sommerschule) viel zu zögerlich in Gang zu bringen. Hinzu käme, dass bereits seit Jahren bestehende Probleme – wie fehlende Kapazitäten in der mobilen wie stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie – jetzt durch die Krise potenziert würden. Auch deshalb, so die Liste Fritz, brauche es ein „Sozialpaket für Kinder und Jugendliche“. Während die SP auf ihr 15-Punkte-Maßnahmenpaket pochte und die FPÖ den Vorwurf gegen die Regierenden erhob, den Kindern in der Krise „alles genommen zu haben, was das Leben ausmacht“ (Christofer Ranzmaier: „Schüler sind keine Todesengel“), versuchten die Landesrätinnen Beate Palfrader (Bildung, VP) und Gabriele Fischer (Soziales, Grüne) doch einige der Vorwürfe zu entkräften.
Dass Kinder keine Lobby hätten, verneinte Palfrader: „Kinder haben ihre Eltern.“ Das Angebot, welches Bund und Land geschnürt hätten, um auch den Heranwachsenden Wege aus der Krise anzubieten, sei vielfältig: Sommerschulen (Bund wie Land), Lernbegleitung, zusätzliche Betreuungsstunden und Lehrkräfte. Dass die 21 in Tirol tätigen Schulpsychologen für über 90.000 Schüler „viel zu wenig“ seien, bejaht Palfrader. Zuständig sei hierfür aber der Bund. Von selbigem fordert Palfrader neun weitere Planstellen für Tirol ein. Dass Therapieplätze aufgelassen würden, bestritt Fischer. Stattdessen würde das Angebot näher zu den Betroffenen rücken. Darüber hinaus habe man die Schulsozialarbeit in der Pandemie ausgebaut.
Koalitions-Absage an ein drittes Konjunkturpaket
Es war ein Antrag der schwarz-grünen Koalition, welcher den SP-Antrag auf Schaffung eines dritten Konjunkturpaketes bis zur Unkenntlichkeit abänderte. Wie berichtet, hatte SP-Mandatar Philip Wohlgemuth angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise ein neues Unterstützungspaket eingefordert, um eine drohende Sozialkrise abzuwenden.
Schwarz-Grün hingegen formulierte das rote Ansinnen dermaßen um, dass nun die Regierung lediglich aufgefordert wird, „die bestehenden Konjunkturpakete in geeigneten Zeitabständen zu evaluieren und in Teilbereichen, soweit notwendig, nachzuschärfen“. Die SP stimmte notgedrungen zwar zu (wie alle, außer den NEOS), Wohlgemuth war trotzdem sauer: „Statt Abänderungsanträgen sollte die Regierung schauen, wie man den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt besser in Schwung bringt.“ (mami)