„Die Zofen“ im Innsbrucker Kellertheater: Die Sucht nach Freiheit und Erniedrigung
Innsbruck – Im Spiel sind selbst Gefangene für einige erleichternde Augenblicke frei. Deshalb steht in besonders rigiden Regimen alles Spielerische unter Beobachtung. Spielen kann süchtig machen. Und Sucht ist eine Krankheit. Krankheit macht unfrei. Bisweilen endet sie tödlich. Davon handelt Jean Genets „Die Zofen“. Genet, für den Jean-Paul Sartre einst das Attribut „saint“, also heiliger, vorschlug, schrieb das Stück Mitte der vierziger Jahre. Es ist ein Befreiungsversuch. Nicht nur, weil er damals immer wieder im Gefängnis saß, sondern weil er darin Unterdrückte den Aufstand – sprichwörtlich – proben lässt.
Zwei Schwestern, die titelgebenden Zofen, dienen einer „Gnädigen Frau“. In ihrer Abwesenheit spielen sie in wechselnden Rollen den Mord an ihr durch. Die Grenzen zwischen Spiel und Realität sind bereits brüchig geworden. Der Absicht soll die Tat folgen. Der Plan ist stümperhaft. Und dreist genug, dass er aufgehen könnte. So viel zum Inhalt, mit dessen Deutung Bibliotheken gefüllt werden könnten.
In einer Inszenierung von Klaus Rohrmoser sind „Die Zofen“ nun im Innsbrucker Kellertheater zu sehen. Bereits seit Ende Jänner wartet die Produktion auf ihr Publikum. Rohrmosers Zugriff auf den Stoff ist direkt. Er hat die Spielfassung gestrafft und konzentriert, erlaubt dem Stück keine Atempause: no bullshit!
Das Ensemble ist bestechend: In „Die Zofen“ kämpfen drei Wahnsinnige ums Überleben. Wahn ist – man hat es oft erlebt – eine Einladung zum ausladenden (Schau-)Spiel. Hier aber hat er sich schon vor Langem an Hirn und Körper festgebissen – und frisst sich langsam durch. Die eine Zofe, Claire (Tamara Burghart), ist schon hinüber. Sie plustert sich auf, wird laut, explodiert aber nicht, sondern fällt vielmehr in sich zusammen. Der anderen, Solange (Wiltrud Stieger), kann man beim Verlieren der Zurechnungsfähigkeit zuschauen, sie kippt schleichend in die Unzurechnungsfähigkeit. Merkt es. Und gibt sich doch geschlagen. Gemein ist beiden die abgründige Lust an der Selbsterniedrigung. Gerade weil dabei auf illustratives Gefuchtel verzichtet wird, wird es auch fürs Publikum – allem Sicherheitsabstand zum Trotz – schmerzhaft. Und dazwischen: Die „Gnädige Frau“, die sich wohl tatsächlich für gnädig hält. Die französische Schauspielerin Nathalie Sprenger spielt sie als – auch, aber nicht nur durch ihren Akzent fein verfremdete – naive Egozentrikerin, der weder ihre bürgerlichen Privilegien noch die Bedrohung bewusst sind. (jole)
🎭 Die Zofen. Bis 26. Juni. Nächste Vorstellung: heute, 20 Uhr. Reservierungen und weitere Termine: www.kellertheater.at