Dramatiker*innenfestival

„sprech im wald“: Sprachverspielte Schritte ins Extrem

Harmlos ist hier gar nichts: Katarina Hauser und Michael Rudigier in „sprech im wald“.
© Omurkul Borubaev/Dramatiker*innenfestival

Die sehenswerte Uraufführung von Wolfgang Nöcklers „sprech im wald“ eröffnete am Donnerstagabend das Tiroler Dramatiker*innenfestival.

Innsbruck – Der Anfang ist verspielt. Fast ein bisschen übermütig. Im Wald, einer verzwitscherten Idylle, reden Sie (Katarina Hauser) und Er (Michael Rudigier) miteinander und gegeneinander an. Über Gott und die Welt, möchte man sagen. Wobei: Es ist dann doch die Welt in ihrer oft wundersamen und bisweilen wunderlichen Widersprüchlichkeit, die die Themen vorgibt. Und es ist die Sprache selbst, die die Gespräche am Laufen hält, der Gleichklang von Gegensätzlichem zum Beispiel und das vielfältige Verschieben von Bedeutungen, die erst durch Begriffsarbeit begreifbar werden. Aber das ist nur der Anfang von „sprech im wald“, dem neuen Stück von Wolfgang Nöckler, denn Wortgefechte schaffen schnell neue Realitäten. Oder anders: Die Wortgewalt entlädt sich in Gewaltakten, die die Worte rauben. Medial wird das, was das Stück im Kern verhandelt, gern als „Familientragödie“ verharmlost. Auch diese Spielart der Sprachschlamperei wird in „sprech im wald“ besprochen. Nur so viel sei verraten: Harmlos ist daran nichts.

Am Donnerstagabend wurde „sprech im wald“ zum Start des 10. Tiroler Dramatiker*innenfestivals im Innsbrucker Brux uraufgeführt. Bereits 2019 bekam Nöckler für seinen Text den Literaturpreis der Vereinigten Bühnen Bozen. Die nunmehrige von Regisseur Philipp Jescheck verantwortete Erstaufführung entstand als Koproduktion mit dem Südtiroler Theater.

Nöcklers Text ist verdichtet und folgt einer eigenwilligen – bisweilen an Händl Klaus’ Satz- und Silbenkaskaden erinnernden – Diktion. Jescheck gelingt es, die Vorlage vom Papier zu lösen und anschaulich auszuformen: Die Figuren sind Wortklauber – und manche ihrer Argumente bleiben papieren. Trotzdem entwickeln sich – etwas abrupt vielleicht – nachvollziehbare Charaktere. Katarina Hauser und Michael Rudigier gelingt es durchwegs, die Ideen, die sie formulieren, auch zu verkörpern.

Inhaltlich zeichnet „sprech im wald“ eine zunächst schleichende, dann polternde Extremisierung nach. Etwas also, das sich in pandemischen Zeiten allerorts beobachten lässt. Auf eine allzu eindeutige Verortung im Hier und Jetzt verzichtet Jescheck allerdings. Das abstrakte Irgendwo des eindrücklichen Bühnenbilds ist überall. Ausstatterin Salha Fraidl nützt die Höhe der Spielstätte für eine halbrunde Konstruktion aus Stoff und Schnürlvorhängen, die an ein blütenweißes Windspiel erinnert. Im Finale beweist es sich zudem als federleichtes Erregungsrequisit. Spätestens dann macht „sprech im wald“ deutlich: Auch und gerade das Spiel mit der Sprache ist eine verdammt ernste und durchwegs gefährliche Sache. (jole)

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