Mitterers „Wurlitzergasse 22 zwozl-zwozl“: Voll Witz und Wehmut
Die Uraufführung von Felix Mitterers „Wurlitzergasse 22 zwozl-zwozl“ beim Steudltenn-Festival in Uderns.
Uderns – Felix Mitterers „Wurlitzergasse 22 zwozl-zwozl“ wurde am Dienstagabend beim Zillertaler Steudltenn-Festival uraufgeführt. Das Stück entstand erst Ende des vergangenen Jahres – und ist ein, jedenfalls für Mitterer, ungewöhnlich experimentelles Stück: ein ausufernder, eher assoziativ organisierter Erzählstrom für zwei Stimmen, das Zwiegespräch einer gebrechlichen und vereinsamten Frau mit einem – mutmaßlich imaginierten – Papagei namens Gogol.
Martin Sailer hat die Vorlage kürzlich für den ORF zum Hörspiel verdichtet. Bei seinem Bühnendebüt wurde der – laut Mitterer – „eigentlich unaufführbare“ Text von Hakon Hirzenberger inszeniert. Die Figur des Papageis, der den Erzählfluss der alternden Mirl vorlaut korrigiert, hat er dafür zur mechanischen Pflegekraft umgestaltet. Juliana Haider spielt sie mit ruckelndem Roboterschritt als Summe all jener Menschen, die Mirls Leben prägten: Mal zitiert sie Goethe, dann poltert sie in breitem Dialekt oder „zwozelt“ beruhigend auf Mirl, die sich in zornige Verzweiflung redet, ein.
Die im Rollstuhl sitzende Mirl wird von Susanne Altschul dargestellt: eine manchmal resolute, bisweilen rührselige, gelegentlich bummelwitzige und durchwegs verletzliche Figur, die Gefahr läuft, von der Welt vergessen zu werden – und gegen ihre eigene Vergesslichkeit anerzählt. In ihren Geschichten – die auf Kindheitserinnerungen von Felix Mitterers Frau Agnes aufbauen – hat auch die große Geschichte Spuren hinterlassen: Ohne verlässliche Chronologie geht es um das Leben und Überleben im 20. Jahrhundert, vor, während und nach zwei Weltkriegen, um Hitlerei-Verblendung, Verliebtheit und Verlust, politische Utopien, dunkelschwarze Pädagogik.
Hirzenbergers Inszenierung ist reduziert, ganz auf die beiden überzeugenden Darstellerinnen fokussiert. Gespielt wird, sofern es die Witterung zulässt, als Open-Air. Die Ausstattung (Gerhard Kainzner, Andrea Bernd) begnügt sich mit dem Notwendigsten: Beistelltischchen, ein Spiegel, eine Schüssel, ein Plüschpapagei. Auch Matthias Jakisic’ Bühnenmusik hält sich zurück. Etwas aufdringlicher wird Klassisches angespielt: Ein wunderbar brüchiges Pa-Pa-Papageno-Duett wird zum Höhepunkt; die einmal illustrierend anklingende Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ wirkt indessen beinahe so, als würde Hirzenberger der Tiefe von Text und Spiel nicht ganz vertrauen. Grund dazu gibt es freilich keinen: euphorischer Applaus vom mitunter spürbar mitgenommenen Premierenpublikum. (jole)