Interview

Kickl im TT-Gespräch: „Niedertracht des Herrn Kurz schwer zu ertragen“

Herbert Kickl – der künftige FPÖ-Obmann inszeniert sich als Anti-68er.
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Herbert Kickl sieht sich als Erbe von Jörg Haider. Er stellt sich auf einen politisch stürmischen Herbst ein. Ein Polarisierer will er bleiben.

Sie werden seit Jörg Haider der erste männliche FPÖ-Obmann sein, der bei keiner Burschenschaft ist. Gibt dies Auskunft über die künftige Ausrichtung der FPÖ?

Herbert Kickl: Ich habe jedenfalls kein gespanntes Verhältnis zu Burschenschaftern. Aufgrund meiner Sozialisation kam ich bloß nie in die Nähe einer Burschenschaft. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Mir ist auch die Welt voll von Ritualen ein wenig fremd. Aber ich habe größtes Verständnis und schätze die Wertvorstellungen der Burschenschaften. Auch wenn ich kein Mitglied bin, so erkenne ich doch die Parallelen. Ich meine damit den Kampf gegen die Obrigkeit, den Kampf für Freiheit, den Geist von 1848.

Haider und Strache bestimmten in den vergangenen Jahren die FPÖ. Wer war für Ihr politisches Denken wichtiger?

Kickl: Jörg Haider hat meine politische Frühphase geprägt. Was Haider groß gemacht hat, war ja nicht das Ausländerthema. Das kam später. Zuerst ging es ihm um den Kampf gegen Privilegien, er stand für Anti-Establishment. Für mich war es ein Kampf für jene, die es sich nicht richten können. Haider war natürlich im Vergleich zu Strache der Intellektuelle. Das hat mich geformt: Ja, ich bin national, Sie können aber auch patriotisch dazu sagen. Mit geht es um Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Freiheit. Haider gab jenen eine Stimme, die fleißig sind, aber nie in der Komfortzone des Lebens angekommen sind. In der türkisen Politik des Sebastian Kurz erleben wir gerade, wie auf diese Menschen hinabgeschaut wird. Es kommt nicht von ungefähr, dass der gefallene ÖBAG-Chef und Kurz-Freund Schmid von „Pöbel“ und „Tieren“ sprach. Auch ich will jenen, die nicht privilegiert sind, eine Stimme geben. Das ist mein Zugang zur Politik.

Und wo bleibt Strache?

Kickl: Strache war nicht der Denker wie Haider. Um es in der Fußballersprache zu erklären: Er hatte einen Zug zum Tor.

Sehen Sie sich als Ideologen?

Kickl: Wenn ein Ideologe einer ist, der sein Handeln von einem bestimmten Menschenbild her ableitet, dann bin ich ein Ideologe. Denn in meinem Menschenbild geht es um Freiheit, Gerechtigkeit und Heimatbewusstsein.

Die FPÖ wurde immer wieder eingeteilt in einen nationalen und einen liberalen Flügel.

Kickl: Die FPÖ ist kein Vogel.

Gibt es für Sie diese Einteilung so nicht mehr?

Kickl: Wenn wir von national und liberal reden, dann geht es doch immer um Selbstbestimmung und Freiheit, eines Staates und des Einzelnen.

Zugleich nennen Sie sich einen Anti-68er.

Kickl: Weil die 68er eine Politik der Entwurzelung und Willkür betrieben haben. Für mich sind Familie und Staat notwendige Formen des Zusammenlebens.

In der Corona-Debatte haben Sie aber die Rolle des Staates scharf kritisiert.

Kickl: Ich kritisierte die Willkür der Obrigkeit. Für mich hat der Staat die Aufgabe, möglichst viel Freiraum zu gewähren. Momentan erleben wir aber das Gegenteil.

Sie setzen bewusst auf Polarisierung. Ihnen scheint das Freude zu bereiten.

Kickl: Ich nenne die Dinge beim Namen. Weil ich das tue, wirft man mir Polarisierung vor. Ich halte nichts davon, politische Debatten dadurch zu vermeiden, indem man Tabuzonen errichtet.

Ihre Losung als Klubobmann war zuletzt „Kurz muss weg“. Ist das schon Ihr Programm?

Kickl: Das ist kein Programm, aber eine Überschrift. Mit „Kurz muss weg“ meine ich auch das Ende der Verlotterung des Landes. Türkise Karrieristen setzen sich mit einer Unverfrorenheit über alle Regeln hinweg. Zugleich betreiben sie eine unglaubliche Freiheitsbeschneidung – und nennen es Maßnahmen. Und ich stelle mit Bestürzung fest, wie unter einer ÖVP-Mehrheit trotz massiv überwachter Grenzen die Asylzahlen wieder ansteigen.

Ist für Sie eine Regierungsbeteiligung überhaupt ein Ziel?

Kickl: Regierungsbeteiligung ist kein Selbstzweck, aber natürlich kann es ein Ziel sein.

Manche Ihrer Antworten erscheinen so, als stünde Ihnen die SPÖ näher.

Kickl: Es gibt Teile der SPÖ, wo ich eine Schnittmenge erkenne. Aber die SPÖ übt sich mittlerweile im Nischenprogramm. Sie sollen ruhig gendern und Regenbogenfahnen aufhängen. Sie haben sich in einer Blase eingerichtet, die mit der Lebenswirklichkeit vieler Menschen nichts mehr gemein hat.

Und auf der anderen Seite befindet sich die türkise ÖVP, die in puncto Regierungsbeteiligung auch keine Option darstellt.

Kickl: Es wird nicht lange dauern, dann wird auch für die Schwarzen die türkise ÖVP bald keine Option mehr sein. Für Christdemokraten ist die Niedertracht des Herrn Kurz wohl nur schwer zu ertragen. Ich rechne mit einem stürmischen Herbst. Die Regierung wird vielleicht halten, weil sich Grüne und ÖVP vor Neuwahlen scheuen. Außer es schmeißt einer der beiden die Nerven weg. Das kann allerdings jederzeit passieren.

Das Gespräch führte Michael Sprenger.

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