Dämpfer für Kogler: „Besser die Richtigen regieren als die Falschen“
Grüner Bundeskongress in Linz: Die Koalition mit der ÖVP blieb ohne Widerspruch. Eine Neuordnung der inneren Demokratie scheiterte allerdings.
Von Wolfgang Sablatnig
Linz – Der Applaus des Tages gehörte Rudolf Anschober. Nach der Rede von Parteichef Werner Kogler war der frühere Gesundheitsminister plötzlich da. Kogler führte ihn zur Bühne. Der grüne Mund-Nasen-Schutz blieb am Gesicht, als der Vorarlberger Johannes Rauch davon sprach, dass Anschober sich wieder einmal bei den Grünen beteiligen möge. Zum Mikrofon griff Anschober nicht. Das wird er vielleicht bei einem geplanten Fest für ihn und die vor einem Jahr ausgeschiedene Staatssekretärin Ulrike Lunacek tun. Anschober zerdrückte Tränen, winkte mit den Blumen in der Hand.
Die Grünen tagten am Wochenende in Oberösterreich – Heimatbundesland Anschobers, vor allem aber im September Schauplatz der nächsten Landtagswahl. 2003 bildeten die Grünen mit der ÖVP im Land die erste schwarz-grüne Koalition Österreichs. 2015 wechselte die Landes-ÖVP zu den Freiheitlichen. Jetzt sagen Kogler und der oberösterreichische Spitzenkandidat Stefan Kaineder der „letzten Ibiza-Koalition“ den Kampf an.
"Müssen uns nicht entschuldigen, dass wir regieren"
Im Bund ist Regieren angesagt – allen Auseinandersetzungen über Untersuchungsausschuss und Justiz zum Trotz. „Besser die Richtigen regieren als die Falschen“, sagte Kogler. Er hielt ein Plädoyer für die Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung. „Obwohl wir überzeugt sind, dass wir die besseren Programme und Kompetenzen haben, heißt das nicht, dass wir die besseren Menschen sind. Umgekehrt müssen wir uns nicht für irgendetwas entschuldigen, nur weil wir regieren. Ich halte das für einen absoluten Blödsinn.“
Der Vizekanzler betonte auch die gute Gesprächsbasis und das Arbeitsklima mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und den anderen Regierungsmitgliedern. Dennoch: Er verteidigte die Justiz und den Einsatz der Grünen für sie. Durchgesetzt habe man mehr Budget und mehr Posten für die Staatsanwaltschaften. Jeder könne sich wehren, wenn er sich ungerecht behandelt fühle – auch die ÖVP: „Ich würde aber vorschlagen, dass man eher den Rechtsweg beschreitet als aus der dritten Abgeordnetenreihe mit dem Megaphon.“
Pauschalangriffe hingegen dürfe es nicht geben: „Das ist eben der Unterschied. Und den Unterschied machen wir.“ Die Grünen seien mit ihrem Bemühen um die Justiz auch nicht allein, verwies er auf Stellungnahmen der ÖVP-Landeshauptleute Hermann Schützenhöfer (Steiermark) und Thomas Stelzer (Oberösterreich).
Bekämpfung der Pandemie als Auftrag
Als „historischen Auftrag“ der Grünen sieht Kogler den Klimaschutz. Seine Ziele: „radikal und realistisch“. Österreich solle 2040 klimaneutral sein – „Das gibt es, weil die Grünen in der Regierung sind.“ Die Lebensqualität müsse darunter nicht leiden: „Ich bin ja nicht von der Sadomaso-Truppe. Vielleicht werden ein paar Reiche nicht mehr so gut gestellt sein wie jetzt. Aber den meisten sollte es besser gehen.“
Den „aktuellen Auftrag“ sieht Kogler in der Bekämpfung der Pandemie. Der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein als Nachfolger Anschobers stellte sich erstmals nach seiner Angelobung dem höchsten Gremium der Partei. Er bekam viel Applaus. Auf eine Frage einer Delegierten hatte aber auch er keine Antwort. Wie könne man künftige Pandemien verhindern? Mückstein: „Ich weiß es nicht. Aber wir werden es versuchen.“
Eine Diskussion über die Regierungsbeteiligung gab es nicht. Bereits am Samstag hatten die mehr als 250 Delegierten bei einem „Symposium“ intern diskutiert. Der Unmut über die ÖVP und die Angriffe auf die Justiz ist groß. Die Koalition stand offenbar aber nicht in Frage.
Dämpfer für Kogler
„Gerade jetzt braucht es uns dringend“, brachte die Tiroler Abgeordnete Barbara Neßler die Stimmung auf den Punkt. Der oberösterreichische Mandatar David Stögmüller hofft, dass die schwarzen Länderspitzen Schützenhöfer und Stelzer auf die Bundes-ÖVP einwirken.
Gegen Ende des Kongresses bekam die gute Stimmung dann aber einen Dämpfer: Eine Änderung der Statuten mit einer Neuordnung der Bestellung von Bundessprecher und Wahlkandidaten fand zwar mehr als 60 Prozent Zustimmung. Die nötige Zweidrittelmehrheit wurde aber nicht erreicht.