„360° – skinned“ im Salzlager Hall: Dem Animalischen das Fell abgezogen
Von Barbara Unterthurner
Hall i.T. – Was ist uns in unserer hochtechnisierten Welt noch von unseren animalischen Instinkten geblieben? Nicht viel, möchte man meinen – unser Tun ist weitestgehend struktuiertem Handeln unterworfen. Doch was, wenn dem Körper Raum gegeben wird? Das Wilde, Ungehemmte kommt hervor, das bewies die Tanzperformance „360° – skinned“ der Salzburger Choreographinnen Anna Maria Müller und Eva Müller. Für das diesjährige Osterfestival haben sie das Stück reinszeniert. Und mit Tiroler Sound-Unterstützung am Dienstag im Salzlager auf die Bühne gebracht.
Wie schon der Titel vermuten lässt, ist diese Bühne von 360 Grad einsehbar, das Publikum sitzt rundherum. Für die sechs Tänzerinnen und Tänzer (Emmanuelle Vinh, Kamil Mateusz Mrozowski, Michael Gabriel Gross, Tamara Maksymenko, Paulo Alberto Dos Santos), die sich mit den beiden Choreographinnen in dieser Arena austoben, eine besondere Herausforderung, denn sie stehen unter ständiger Beobachtung.
📽️ Video | Tanzperformance im Salzlager Hall:
Das Publikum erlebt mit, wie sie sich entwickeln, von wuselnden Fellknäueln zu stolzen Pelzträgerinnen und -trägern, zu nackten Avataren.
Aber zuerst zum Besonderen an dieser Performance; Das Zusammenspiel von Körper, Bewegung, Projektion und Sound funktioniert perfekt. Für Letzteres haben sich Anna Maria und Eva Müller mit Lissie Rettenwander und Fabian Lanzmaier auch zwei Tiroler Klangtüftler ins Boot geholt, die es mal sanft zwitschern, mal Bässe hämmern lassen. Lanzmaiers Visuals machen das Ganze zum hochästhetischen Spektakel.
Den Tänzerinnen und Tänzern wird in einer Stunde ganz schön viel abverlangt – ständig müssen sie reagieren. Von einem bizarren Bild führt die Erzählung ins andere über, das Dickicht des Waldes geht in einen engen Käfig über. Bis die Körper schließlich zu scanbaren Individuen werden, die dem Animalischen längst das Fell abgezogen haben (Kostüme: Katharina Ganner). Pelzlos suchen sie den Kontakt zum Publikum, posieren, protzen.
Plötzlich ebbt das Chaos wieder ab, vom Grande Finale bleibt nur der eine übrig, der sich aberwitzig dagegenstemmt, seinen Körper weiter toben lässt. Alle anderen scheinen gezähmt und glotzen verdutzt.
Wie das Publikum so manches Mal, ob der Wucht an Sinneseindrücken kommt es kaum zum Atmen. 360° – skinned ist Überforderung in Reinform, die sich nach der Aufführung nicht wie ein Pelz abstreifen lässt. Wenn es auch nicht enthemmt, zu beeindrucken schafft die Performance allemal.