Innsbruck

„The New Holy“ von Karin Ferrari: Träumen im Konsumtempel

Kunst im Konsumtempel: Karin Ferraris „Animadidas“ hängt seit Anfang der Woche im Sillpark.
© West.Fotostudio

Auftakt zur diesjährigen Reihe von Kunst im öffentlichen Raum: Karin Ferrari lässt mit „The New Holy“ Natur, Spiritualität, Tech-Müll und Internetkultur aufeinanderprallen.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck – Als Karin Ferrari vor inzwischen einigen Jahren begann, Memes künstlerisch zu verarbeiten oder sich in ihren Werken die Methodik von Verschwörungstheoretikern anzueignen, um Popmusikvideos zu dekodieren, wähnte man beide Phänomene noch in den Tiefen des World Wide Web beheimatet. Inzwischen sind sie Mainstream geworden, angeheizt von der Pandemie drängen sie über Telegram in den öffentlichen Diskurs. Und Ferrari ist künstlerisch weitergezogen, um schlussendlich wieder bei ihrem Start anzukommen. Es sind einmal mehr neue Arten von Spiritualität, die die Tirolerin faszinieren, solche, die sie u. a. in pseudosakraler Architektur aufspürt.

Anfang dieser Woche hat Ferrari mit dem ersten Teil ihres Projekts „The New Holy“ nun der Verflechtung von mystischer Spiritualität und technoider, konsumorientierter Gegenwart eine übergroßes, Totem-ähnliches Denkmal gesetzt – mitten im Einkaufszentrum Sillpark. Ein Traumfänger im Konsumtempel, der einem so geheuer aber gar nicht ist.

Inspiration für die Hängeskulptur „Animadidas“ fand die Künstlerin, die 2020 von der Stadt Innsbruck mit einem Preis für ihr künstlerisches Schaffen ausgezeichnet wurde, abseits des virtuellen Raums auf Reisen durch Südostasien, wo Glaube und Aberglaube fixe Bestandteile des Alltag sind, oder in Fantasystoffen von Avatar bis Zelda. All das prallt bei Ferrari wie in einem Fiebertraum auf eine technisierte Gegenwart, auf Neoschamanismus und die Sehnsucht nach alternativen Weltansichten, wie sie aktuell Esoteriker und Fundamentalisten eint. Die Arbeiten der Tirolerin sind also völlig in der Gegenwart verankert, die sie stets nach dem Abgründigen abtastet.

Optisch umgesetzt hat Ferrari „Animadidas“ mit Versatzstücken aus der Natur, etwa Bruchholz von alten Kabeln und Akkuladern zusammengehalten; ausrangierte VHS-Bänder, die einst MTV-Videos abspielten, und handgemalte Markenlogos flattern in Fransen darunter. Auch diese Symbole des Konsums erscheinen spirituell umgedeutet: Bereits im Werktitel kracht „Adidas“ auf „anima“ und wird dadurch quasi neu beseelt – eine dazupassende Plakatserie von Ferrari ist derzeit im Stadtraum zu sehen. Konsequenterweise sucht der dritte Teil von „The New Holy“ den Weg in die Natur: Was Spaziergänger im Rumer Wald ab 3. Juli erwartet, ist geheim – nur die GPS-Koordinaten sind bisher bekannt.

„The New Holy“ eröffnet übrigens die Kunst-im-öffentlichen-Raum-Reihe „Staying With The Trouble“. Die Förderschiene wird von der Tiroler Künstler:innenschaft organisiert und vom Land Tirol mit 80.000 Euro ermöglicht. Bis Oktober werden drei temporäre Projekte realisiert. Ferraris Projekt läuft bis Ende Juli, danach zieht ihr Traumfänger ins Bozner Museion weiter.

🔎 Alles zu „The New Holy“ und der KÖR-Reihe: www.koer-tirol.at

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