Oberster Gerichtshof lässt Achtjährigen nach Stockwurf nicht haften
Nach Augenverletzung eines Neunjährigen durch Stockwurf sah Oberster Gerichtshof keine Schuld bei Kontrahenten.
Von Reinhard Fellner
Innsbruck, Wien – Es war eine Begebenheit, die unter Kindern eigentlich nichts Besonderes ist. Ein paar Oberländer Buben zwischen acht und neun Jahren waren sich nicht ganz grün, einer von ihnen wurde von fünf anderen gestellt und mit „Stecken“ bedroht. Dieser wirft ihnen darauf zur Abwehr einen Stecken entgegen. Was Tausende Male sonst glimpflich ausgeht, endete in diesem Fall jedoch unglücklicherweise mit einer schweren Augenverletzung eines Neunjährigen. Die Eltern des Buben verklagten darauf in der Hoffnung einer Haftpflichtversicherung den Achtjährigen auf Schadenersatz wegen Körperverletzung. Ein Fall, der nun letztlich erst durch den Obersten Gerichtshof (OGH) entschieden wurde.
Sah das Landesgericht nämlich noch eine Haftung des Stockwerfers über Mitversicherung, wies das Oberlandesgericht nach Berufung von Rechtsanwalt Andreas Fink die Klage ab, da den deliktsunfähigen Beklagten kein Schuldvorwurf treffe. In Analogie mit Erwachsenen hätte er in „Putativnotwehr“ gehandelt, da sich der Achtjährige „in einem entschuldbaren Tatsachenirrtum über das Vorliegen einer Notwehrlage“ (vor einem unmittelbaren Angriff) befunden hätte.
Der OGH bestätigte die Abweisung der 35.000-Euro-Klage, begründete jedoch noch mehr in Richtung des Alters des Buben. So habe sich der Bub von den fünf etwas älteren Kindern, die ihn mit Ästen und Stecken verjagen wollten, bedroht gefühlt. Der noch weit von der Deliktsfähigkeit (14 Jahre) entfernte Achtjährige habe darauf ohne vorwerfbare Schuld durch den nicht gezielten Stockwurf reagiert: „Von einem Kind dieses Alters kann in einer von ihm derart bedrohlich empfundenen Situation nicht gefordert werden, dass es die tatsächliche Gefahr realistisch einschätzt und sich dieser entsprechend ruhig und besonnen verhält“, so die Höchstrichter. RA Fink auf Anfrage der TT: „Ich habe Verständnis für die Klage der Eltern. Das Urteil des OGH ist aber lebensnah. Schließlich kann einem Achtjährigen nicht ernstlich zugemutet werden, dass er die bedauerlichen Folgen eines Stockwurfs in so einer Situation erkennen und abwägen kann.“