Auf der europäischen Wolfs-Ebene herrscht Stillstand
Auch Bayern fordert geringeren Schutzstatus für Wolf. Doch in der EU herrscht Stillstand, obwohl heuer Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zum Wolf geprüft wird.
Von Peter Nindler
Innsbruck – Die zur Wochenmitte im Landtag beschlossenen Maßnahmen wie die Einsetzung einer Expertengruppe zur Einstufung von großen Beutegreifern als Problemtiere ist eine rechtliche Gratwanderung. Zwar ermöglicht das Jagd- oder Almschutzgesetz die Entnahme von Problemwölfen jetzt gezielter, das Verfahren ist freilich nach wie vor mit großen Hürden behaftet. Schließlich wacht darüber die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der Europäischen Union, die den strengen Schutzstatus des Wolfes vorgibt.
Eine Herabsetzung würde einiges erleichtern, doch ebenfalls nur in einem begrenzten Rahmen. Heuer wäre dazu die Gelegenheit, zumal die FFH-Richtlinie alle sechs Jahre einer Überprüfung unterzogen wird. Wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Parlament erklärte, habe die Europäische Kommission 2015 die FFH-RL evaluiert und 2016 beschlossen, sie in der jetzigen Form beizubehalten. Alle sechs Jahre werde der Erhaltungszustand des Wolfs in den Mitgliedsstaaten evaluiert.
Zugleich dämpft Gewessler zu große Erwartungshaltungen. „Auf europäischer Ebene gibt es keine Regulierungspläne. Das Management ist Aufgabe der Mitgliedstaaten. Die innerösterreichische Kompetenz liegt bei den Bundesländern. Auf deren Ebene kann es aktuell Entscheidungen zur Entnahme einzelner problematischer Tiere gemäß der FFH-Richtlinie geben.“
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Kritik an der EU nimmt zu
Allerdings nimmt die Kritik an der EU zu. Auch in Deutschland. So heißt es im Wahlprogramm von CDU/CSU für die Bundestagswahl: „Um unsere Weidetierhaltung zu sichern, setzen wir uns dafür ein, dass der strenge Schutzstatus des Wolfs im europäischen Naturschutzrecht überprüft und angepasst wird.“
Tirols LH Günther Platter verweist auf die strengen europäischen Rahmenbedingungen. „In der Wolfsfrage befinden wir uns in einem engen europäischen Korsett. Ich stehe voll auf der Seite der Tiroler Schafbauern, die sich zu Recht erwarten, nicht mehr tatenlos zusehen zu müssen, wie eine Schafherde nach der anderen von Wölfen brutal angegriffen wird.“ Offen stellt sich Platter hinter den im Bauernbund unter Druck geratenen Obmann und Agrarreferenten LHStv. Josef Geisler. „Geisler, Klubchef Jakob Wolf und ich haben eine kluge Gesetzesgrundlage entworfen, die, soweit es uns im europäischen Gesetzesrahmen möglich ist, auch die Entnahme von Problemwölfen ermöglicht.“
Den skizziert der Europarechtsexperte Walter Obwexer, der seinerseits davor warnt zu glauben, dass noch heuer ein Problemwolf entnommen werden könne. „Mit den jetzigen Maßnahmen signalisiert Tirol gegenüber der EU allerdings, dass alle Spielräume ausgeschöpft werden.“ Nur, das Verfahren zur Einleitung einer Entnahme würde dauern. Dass nach einem „Abschussbescheid“ der Landesregierung bei Einsprüchen dagegen vom Landesverwaltungsgericht ein Antrag auf aufschiebende Wirkung tatsächlich aberkannt werde, kann sich Obwexer nicht vorstellen. Bis der Bescheid dann rechtskräftig wird, dürften wohl Monate vergehen.
Der Europarechtsexperte setzt vielmehr darauf, beim Erhaltungszustand des Wolfes nicht auf einzelne EU-Staaten abzustellen, sondern auf zusammenhängende räumliche Bereiche wie den Alpenraum. Und das grenzüberschreitend. „Das würde Tirol weiterhelfen, dann könnten mehr Wölfe entnommen werden.“ Dafür müsste nicht einmal die FFH-Richtlinie geändert werden, aber viel Überzeugungsarbeit in Brüssel geleistet werden.
Obwexer bringt zudem die Biodiversität ins Spiel. „Dazu gehört nun einmal auch die Almwirtschaft und der Schutz von Schafen sowie seltener Rassen.“ Die Herabsetzung des Schutzstatus im Alpenraum wäre deshalb eine weitere Variante. Aber: Die Verhandlungen mit der EU werden nicht von heute auf morgen abgeschlossen sein. Somit verrät Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) eines nicht, wenn sie die Beschleunigung der Verfahren zur Entnahme von Problemwölfen fordert. Nämlich wie.